Rääde · 11.03.2004 Sicherheit von Atomkraftwerken

Der terroristische Anschlag vom 11. September 2001 in New York hat uns nochmals die Augen für das Gefahrenpotential das von Kernkraftwerken ausgeht geöffnet. Er hat uns auch deutlich gemacht, dass einige unserer Atomkraftwerke veraltete Sicherheitskriterien aufweisen. Auf diese Tatsache hat zuletzt - und daher haben wir heute diese Debatte - der Präsident des Strahlenschutzamtes, Wolfram König, aufmerksam gemacht.

Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass die schleswig-holsteinischen AKW auf Basis von Genehmigungsentscheidungen aus den 70-er und 80-er Jahren betrieben werden. Er reicht also in eine Zeit zurück, als terroristische Angriffe mit Passagierflugzeugen noch völlig undenkbar erschienen. Die Landesregierung hat unmittelbar nach dem 11.September eine erste Überprüfung der atomrechtlichen Genehmigungen und des darin festgelegten Schutzniveaus eingeleitet. Dass hier schnell gehandelt wurde, war der Situation angemessen. Hier ist die Landesregierung ihrer Verantwortung nachgekommen. Die Überprüfung hat im Prinzip auch das ergeben, was Herr König erklärt hat. Nämlich, dass Brunsbüttel gegen einen Terrorangriff mit Passagierflugzeugen nicht geschützt ist. Wissenschaft und Technik waren während der Errichtungsphase des AKW Brunsbüttel nicht in der Lage, die notwendige Vorsorge im Falle eines Flugzeugabsturzes zu treffen.

Und es klingt wie Hohn, wenn dem Bericht zu entnehmen ist, dass die Betreiber der schleswig-holsteinischen AKW nach ihren ersten Analysen zwar feststellen, dass schwere Personen- und Sachschäden in der Anlage nicht ausgeschlossen werden können und gleichzeitig auch auf die Schwierigkeit hinweisen, wie schwer es sei, einen Reaktor mit einem Passagierflugzeug mit hoher Geschwindigkeit zu treffen. Ich frage mich, haben die Betreiber die Bilder aus New York nicht gesehen?

Was nun unsere angeblich „sicheren“ AKW Krümmel und Brokdorf angeht, macht der Bericht deutlich, dass sie gegen einen Aufprall so gut geschützt seien, dass ein Durchstanzen der Reaktorgebäude nach gegenwärtiger Einschätzung nicht zu erwarten sei. Da beide Anlagen über einen sogenannten Vollschutz gegen Aufprall verfügen. Für ein Spektrum von möglichen Flugzeugtypen und Anfluggeschwindigkeiten sei deshalb zu erwarten, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Freisetzung von Radioaktivität aufgrund eines Flugzeugabsturzes sehr niedrig sei.

Diese Erkenntnis mag zwar sehr beruhigend wirken, aber letztendlich gewähren die Betreiber für diese beiden AKW auch keine hundertprozentige Sicherheit. Daher war ist es nur richtig, wenn die Aufsichtsbehörde eine Weiterverfolgung der Schutzstandards - im Gegensatz zur Auffassung der Betreiber - für erforderlich hielt. Hier denke ich, dass unsere Aufsichtsbehörden, sehr viel verantwortungsvoller gehandelt haben, als die Betreiber.

Kritisch sehe ich aber die Tatsache, dass die Reaktorsicherheitskommission, die in ihrer ersten Stellungnahme von Oktober 2001 bereits festgestellt hat, dass es unterschiedliche Sicherheitsstandards bei deutschen Atomkraftwerken gibt, es bis heute aber nicht geschafft hat, den Ländern eine abschließende Stellungnahme vorzulegen. Mir ist klar, dass die Erstellung eines solchen Gutachtens eine aufwändige Angelegenheit ist, aber angesichts des Gefahrenpotentials, sollte es doch möglich sein, nach 2 ½ Jahren zu einer Empfehlung zu kommen.

Weiter ist mir die Frage nicht ganz klar, die im Bericht auftaucht, welches terroristische Bedrohungspotential und welche Belastungen zukünftig zu unterstellen sind und welche Konsequenzen daraus abzuleiten sind. Der 11. September hat gezeigt, von welchem Potential wir ausgehen können. Und dann darf sich die Landesregierung nicht damit herausreden, dass dies nicht allein vom Land entschieden werden kann, sondern dass es bundeseinheitlich entschieden werden muss und dass die Länder daher die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Gesamtkonzept gefordert haben. Wenn vom Bund nichts kommt, dann müssen wir eben selbst aktiv werden und veranlassen was in unseren Kräften steht. Daher sollten wir alles daran setzten, insbesondere die älteren AKW früher vom Netz zu nehmen, um zumindest dieses Gefahrenpotential zu minimieren. Aber letztendlich gewährt nur das Abschalten aller AKW endgültige Sicherheit.

Abschließend möchte ich anregen, dass wenn es zu einer vorzeitigen Abschaltung des AKW Brunsbüttel kommt, dann muss die Landesregierung für Kompensation im Raum Brunsbüttel sorgen. Mehr als 100 Mitarbeiter werden dann mit dem Abbau der Anlage über Jahre beschäftigt sein und andere qualifizierte Arbeitnehmer werden freigesetzt. Da wir in Brunsbüttel die notwendige Infrastruktur haben, stellt sich die Frage, welche Art von Kraftwerk in Brunsbüttel künftig errichtet werden kann. Hier müssen sich die Landesregierung, die Stadt Brunsbüttel und Vattenfall Europe zusammensetzen und Konzepte entwickeln, um Vattenfall Europe eine Investitionsentscheidung am Standort Brunsbüttel zu erleichtern. Ich bin mir sicher, dass wir so den Energiestandort Brunsbüttel stärken und Arbeitsplätze erhalten können.

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