Rääde · 16.09.2011 Soziale Ausrichtung und finanzielle Grundlagen der Arbeitsförderung sichern

Oberflächlich betrachtet ist mit der günstigen konjunkturellen Entwicklung auch eine Entspannung der Lage am Arbeitsmarkt verbunden. Die Statistiken belegen, dass die Zahl der Beschäftigten, nicht nur in Schleswig-Holstein sondern bundesweit, zunimmt. Ein Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Jobs ist ohne Zweifel erfreulich. Doch auch wenn wir diesen Trend gerne zur Kenntnis nehmen, muss ich trotzdem vor Jubelausbrüchen warnen: Denn der genaue Blick auf die Zahlen zeigt, dass der überwiegende Teil der Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Zeit- und Leiharbeit entstanden ist. Und es ist nun einmal Fakt, dass die gezahlten Löhne in dieser Branche häufig nicht einmal ausreichen, um die Existenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sichern.

Dass die politisch Verantwortlichen diese Ausweitung des Niedriglohnsektors als Erfolg feiern ist schon schlimm genug. Dass die Bundesregierung diese Entwicklung auch noch als Begründung dafür genutzt hat, den Titel für Eingliederungsmaßnahmen im Haushalt allein für das Jahr 2011 um 1,3 Milliarden Euro zu kürzen, ist aus Sicht des SSW nicht hinnehmbar. Denn zum einen sind die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auch heute noch deutlich spürbar und zum anderen ist diese Kürzung mehr als ein bloßes „Zurückfahren“ der Mittel auf das Niveau vor der Krise. Aus unserer Sicht müssen die entstandenen Spielräume genutzt werden, um verfestigte Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Denn nach wie vor ist rund ein Drittel der erfassten Erwerbslosen langzeitarbeitslos. Diese Gruppe hat nichts vom aktuellen Aufschwung. Deshalb müssen wir sie dringend stärker fördern und ihre Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessern.

Doch gerade die Aktivierung und Förderung ist es, die durch die Kürzung beschnitten wird. Besonders den massiven Rückgang der Ausgaben für Qualifizierungsmaßnahmen, Fortbildungen und berufliche Weiterbildung halten wir für fatal. Jedem hier ist klar, dass das größte Risiko, arbeitslos zu werden oder dauerhaft zu bleiben, bei denen liegt, die nur geringe Qualifikationen haben. Aus Sicht des SSW sind Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen das zentrale Mittel, um den arbeitsuchenden Menschen eine Perspektive zu geben. Für uns steht fest, dass wir uns nicht nur damit begnügen dürfen, passive Leistungen zu gewähren.

Auch die aktuelle Reform der Arbeitsförderungsinstrumente des Bundes darf nicht wie geplant in Kraft treten. Denn gerade den ohnehin Benachteiligten, wie etwa den schwerbehinderten, alleinerziehenden, geringqualifizierten oder älteren Menschen, werden hierdurch zusätzliche Steine in den Weg gelegt. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die Arbeitsmarktinstrumente neu geordnet und gestrafft werden. Damit wird aber die wichtige individuelle Förderung der Arbeitssuchenden weiter begrenzt. Auch der Rechtsanspruch auf einen Gründungszuschuss für diejenigen, die sich selbständig machen wollen, soll entfallen. Und nicht zuletzt werden nach den Plänen der Bundesregierung die Zuschüsse für die begleitende Betreuung von so genannten Ein-Euro-Jobbern, für die bisher in Einzelfällen bis zu 1000 Euro monatlich zur Verfügung standen, auf höchstens 120 Euro begrenzt.

Dies ist der völlig falsche Ansatz: Gerade in der heutigen Situation müssen wir die Chancen der Benachteiligten am Arbeitsmarkt durch den Ausbau aktivierender Elemente verbessern. Hierfür sind nicht weniger, sondern mehr Mittel und flexiblere Instrumente für eine nachhaltige Ausbildungs- und Qualifizierungsförderung nötig. Um die Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik zu erhöhen, brauchen wir keine Reform der Instrumente. Was wir brauchen, sind gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter vor Ort und eine stabile finanzielle Grundlage für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Jobcenter und Argen brauchen größere eigene Entscheidungsspielräume um individuell angepasste und auf regionale Besonderheiten zugeschnittene Eingliederungskonzepte umsetzen zu können. Nur so wird es gelingen, wirklich allen Arbeitsuchenden eine Chance auf ökonomische, soziale und kulturelle Teilhabe durch sinnvolle Beschäftigung zu geben.


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