Rääde · 27.08.2021 Elektrifizierung der Marschbahn Unterwürfige Anträge an die Bundesregierung sind zu wenig

„Ich bin zuversichtlich, dass alle technischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Strecke auftauchen, auch technisch gelöst werden können. Korrosionsschutz, Fahrwegbreite und Stromversorgung sind ja keine Hexerei!“

Christian Dirschauer TOP 31 - Elektrifizierung der Marschbahn (Drs. 19/3212)

Eines gleich zu Beginn. Selbstverständlich unterstützt der SSW alle Bemühungen zur Modernisierung der Marschbahn, also zur Elektrifizierung der Strecke, dem Umbau der Bahnhöfe zu modernen, barrierefreien Dienstleistungspunkten und dem Bau einer durchgängigen zweigleisigen Strecke. Selbstverständlich! Die Marschbahn ist eine wichtige Lebensader der Region. Sie wickelt nicht nur den umfangreichen Pendlerverkehr ab, sondern ist für viele Gäste eine willkommene ökologische Alternative zur Anfahrt mit dem Auto.
Ich möchte stichwortartig einige der Vorteile der Elektrifizierung nennen:
Erstens. Die Taktung kann verdichtet werden, was die Attraktivität der Bahn weiter steigern wird. Mehr IC, mehr Regionalzüge von und nach Hamburg und nicht zuletzt mehr Güterverkehr könnte auf der Strecke abgewickelt werden. Zweitens. Die Züge sind leiser als die Dieselloks, so dass die Anlieger spürbar entlastet werden. Drittens. Die Elektrifizierung ist ein echter Beitrag zum Klimaschutz, wenn der Strom direkt von den Windmühlen in die Loks geht. Allein zwischen Niebüll und Westerland könnten bis zu 5 Mio. Liter Diesel eingespart werden. Dieser enorme Effekt ist mit kaum einer anderen Maßnahme erzielbar. 
Mit diesem Punkt sind wir aber auch bei einem der größten Hindernisse der Elektrifizierung: dem Damm zwischen dem Festland und der Insel Sylt. Der Damm vergoldet sich jedes Jahr, weil er die große Cashcow für zwei Eisenbahngesellschaften ist. Der Damm ist allerdings auch ein Nadelöhr. Schon jetzt sind Rettungseinsätze wegen der geringen Breite kaum möglich. Die Feuerwehren können nicht aneinander vorbeifahren, so dass die Rettung von Menschenleben nur aus der Luft  möglich ist. Willkommen im 21. Jahrhundert. Wie soll das werden, wenn die Leitung verlegt werden wird, also neben den Gleisen die entsprechenden Bauten platziert werden. Dann wird es noch enger werden. Enger wird es auch nach oben. Was passiert mit den doppelstöckigen Autozügen der deutschen Bahn? Passen die noch unter die Leitungen oder werden die Passagiere aussteigen müssen und in Personenzüge umsteigen müssen? Diese Situation hatten wir vor einigen Jahren nach einem tödlichen Unfall auf dem Damm. Damals war der Umstieg ein großes Problem, weil Treppen und Zugänge auf den derzeitigen Doppelstockwagen fehlen. Mit einer wackeligen Leiter wird das wohl nix. Hier müsste die deutsche Bahn auch noch mal kräftig investieren. 
Zuletzt die Frage nach dem Korrosionsschutz. Der Damm ist im Winter und Herbst oftmals mitten drin in der Nordsee. Da spritzt das Salzwasser mehrere Stunden hoch zum Fahrweg. Wie zuverlässig sind die elektrischen Anlagen bei dieser Belastung durch Salz und Wind einzuschätzen oder wird es alle naselang Bauarbeiten geben?
Ich bin aber zuversichtlich, dass alle technischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Strecke auftauchen, auch technisch gelöst werden können. Korrosionsschutz, Fahrwegbreite und Stromversorgung sind ja keine Hexerei. 
Ich bin allerdings angesichts des Antrages sehr pessimistisch, ob wir überhaupt noch zu Lebzeiten die Elektrifizierung der Strecke erleben werden. 
Ein Antrag der Regierungsfraktionen, der an die Bundesregierung in einem unterwürfigen Ton appelliert, ist in meinen Augen das schwächste Instrument zur Umsetzung eines der drängendsten verkehrspolitischen Herausforderungen in der Region, das denkbar ist. Derzeit verbrennen wir großzügig die Lebenszeit von Putzfrauen, Handwerkern und dem Personal des Einzelhandels, das täglich vom Festland auf die Insel pendelt. Diese Menschen, ohne die auf Sylt gar nichts geht, stehen mehrmals in der Woche auf Lehnshallig, bis auf der eingleisigen Strecke der Gegenzug vorbei ist. Sie warten zum Feierabend in Keitum auf dem Bahnsteig, wo es kaum Unterstellmöglichkeiten gibt. Sie werden mit diesem Antrag sicher nicht zufrieden sein. Sie erwarten endlich handfeste Verbesserungen.
Ich habe da einen Vorschlag: wenn der Antrag zur Elektrifizierung gestellt wird, nutzen Sie bitte als Absender eine Briefkastenfirma mit Passauer Postadresse. Der Verkehrsminister Scheuer stopft bekanntlich jeden Euro, den er kriegen kann, in seinen Wahlkreis. Auf diesem Weg könnte die Elektrifizierung der Marschbahn vielleicht leichter gelingen als mit diesem weichgespülten Antrag.

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