Rääde · 19.11.2009 Unverzügliche Neuordnung der Trägerschaft im SGB II



Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der SGBII-Mischverwaltung sind zwei Jahre ins Land gegangen. Außer hektischen Diskussionen, dem Ruf nach der Änderung des Grundgesetzes und einem unglaublichem Abstimmungshickhack, insbesondere bei der CDU, ist seitdem nicht viel passiert. Das Bundesverfassungsgericht ahnte das schon und legte darum eine Frist bis zur Neuregelung fest: Silvester nächsten Jahres – das sind noch 13 Monate.

Eine Neuregelung ist dringend erforderlich. Nicht nur wegen der Verfassungswidrigkeit der SGBII-Mischverwaltung, sondern auch, weil die gesamte Arbeitsmarktpolitik bekanntermaßen große Schwächen hat. Ich möchte nur einige Probleme stichwortartig anreißen: Die wenigsten HartzIV-Empfänger erhalten alle Leistungen, Beratungen und Informationen aus einer Hand. Im Gegenteil: die organisierte Nicht-Zuständigkeit hat zu einer regelrechten Klageflut geführt. Die meisten Klagen entspringen reiner Notwehr, weil die Hilfeempfänger aus für sie völlig unverständlichen Kompetenzwirrwarr monatelang überhaupt keine Leistungen erhalten. Daneben ist die Förderung jugendlicher Hilfeberechtigter suboptimal.

Die Fallbearbeitung erschöpft sich oftmals in der Prüfung der Kindergeldberechtigung oder der Prüfung, ob jungen Erwachsenen eine eigene Wohnung zusteht. Fachgerechte und sachgerechte Förderung in den ersten Arbeitsmarkt sieht anders aus und beinhaltet eine persönlich engagierte und sachlich fundierte Beratung und Förderung. Genau die fehlt. Ein letzter Punkt: der Skandal der 1-Euro-Jobs. Raffgier, aber auch wirtschaftliche Not, zwingt viele Betriebe zur Einstellung von 1-Euro-Jobbern. Da nehme ich die Kommunen als Arbeitgeber gar nicht aus. Auf diese Weise wuchs mit Steuergeldern langsam ein Schatten-Arbeitsmarkt heran, der für die Betroffenen eine Einbahnstraße ist; ohne dass sie die Möglichkeit haben, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Viele 1-Euro-Jobber verdrängen sogar systematisch sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, so dass es immer mehr Arbeitgeber gibt, die inzwischen die Aufstockung durch Hartz IV selbstverständlich in ihren niedrigen Stundenlöhnen mit einrechnen.

Bereits diese Beispiele ergeben in der Gesamtschau ein vernichtendes Urteil der so genannten Hartz-Reformen. Sollten die viele Probleme sich mit den ermüdenden Nachtsitzungen des Vermittlungsausschusses erklären, die der Verabschiedung vorangingen, denn hat der Gesetzgeber offenbar nicht daraus gelernt. Genau das Gleiche droht jetzt nämlich zum zweiten Mal: Entscheidungen unter Zeitdruck in letzter Sekunde, hinter verschlossenen Türen. Dabei gerät das Anliegen einer modernen, individuellen Arbeitsmarktpolitik aus dem Blick.

Aber genau darauf kommt es an, eine modernen, individuelle Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. Deshalb sollten wir jetzt ein neues Konzept auf den Tisch legen, in denen die Kommunen die Förderung der Langzeitarbeitslosen übernehmen. Eine effektive Förderung setzt voraus, dass man die lokalen Gegebenheiten und Entwicklungen kennt, denn das ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Qualifizierung.
Die hiesigen Options-Kommunen stehen für neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik, bei der von Anfang an auch der gemeinsame Arbeitsmarkt mit Dänemark genutzt wurde.

Die Kommunen sind dichter dran, sie kennen sich vor Ort aus. Schließlich sind sie es auch, die durch höhere Steuereinnahmen direkt davon profitieren, wenn ein Arbeitsloser wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fasst.
Der SSW setzt sich daher dafür ein, aus der bisherigen Ausnahmeregel der Optionskommunen eine neue kommunalisierte Arbeitsmarktpolitik erwachsen zu lassen.
Da der Antrag der Grünen im Wesentlichen sich mit unseren Zielvorstellungen deckt, werden wir diesem Antrag zustimmen.

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