Rääde · 19.11.2020 Herrenloses Geld gut anlegen

„Hier geht es um Geld, das sehr viel sinnvoller eingesetzt werden könnte.“

Lars Harms zu TOP 10 - Mittel aus nachrichtenlosen Bankkonten für gemeinnützige Zwecke sowie Start-ups nutzen (Drs. 19/2335)

„Das Geld ist nie weg, es ist nur woanders.“ Diese Weisheit begegnet Unternehmern, Investoren und Durchschnittsbürgern regelmäßig im Alltag. Doch während so tagtäglich Milliarden Euro umgesetzt werden, so schlummern gleichzeitig mutmaßlich zwischen zwei und neun Milliarden Euro ungenutzt auf sogenannten nachrichtenlosen Bankkonten. Alles reine Schätzung, aber selbst, wenn es deutlich weniger wäre: Hier geht es um Geld, das sehr viel sinnvoller eingesetzt werden könnte. Allein: Es fehlt die gesetzliche Handhabe.

Jeder Bank kann es passieren, dass der Kontakt zu einem Kunden abbricht. Ob etwa durch einen Umzug in ein anderes Land, einen Todesfall oder die Schließung einer Firma – hin und wieder wird in solchen Situationen vergessen, dass auch die Bank benachrichtigt werden muss. In vielen anderen Staaten gibt es klare und sinnvolle Regelungen, was die Bank in einem solchen Fall unternehmen muss, um den Kontakt womöglich doch wieder herstellen zu können, aber eben auch, was Kunden und deren Erben tun können, um ihr Vermögen wiederzufinden. Als einziger G7-Mitgliedsstaat steht Deutschland bislang ohne gesetzliche Definition und Richtlinien zum Umgang mit nachrichtenlosem Vermögen da. Entsprechend kann jede Bank für sich ein Verfahren entwickeln und so wird das vergessene Geld in den allermeisten Fällen einbehalten. Eine Idee, wie man mit diesem Geld Gutes tun kann, ohne Banken oder Erben zu schaden, ist daher in jedem Fall eine Prüfung wert. 

Der Antrag der Jamaika-Koalition macht hierzu ja durchaus interessante Vorschläge.
Der genannte erste Schritt – die Einrichtung eines zentralen Registers für die nachrichtenlosen Konten – ist eigentlich selbsterklärend. Natürlich müssen die Kontoinhaber, die Erben oder sonstige berechtigte Personen die Möglichkeit bekommen, diese Konten zu finden bzw. überhaupt erst einmal über die Existenz dieser Konten in Kenntnis gesetzt zu werden. Denn in der Regel wissen diese ja gar nichts von ihrem unverhofften Vermögensglück. 

Auch der zweite Punkt im Antrag liest sich insgesamt interessant – mit der Einschränkung, dass in einer möglichen konkreten Bundesratsinitiative die Zeitspanne der Formulierung „nach einer geeigneten Zeit der Nachrichtenlosigkeit“ noch konkreter definiert werden müsste. Das Verfahren selbst und die genannten Ziele finden unsere Unterstützung: Für gemeinnützige Zwecke oder auch das Sozialunternehmertum ist es immer schwierig, geeignete und ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten zu finden. Dies wäre eine gute Unterstützung. Und auch bei der Finanzierung von Start-ups bestehen ja nach wie vor Defizite. Dabei sind wir hier in Schleswig-Holstein bei diesem Thema ja eigentlich im Bundesvergleich recht weit vorne mit dabei. Und es ist aus unserer Sicht auch absolut sinnvoll, hier noch weitere Gelder in die Hand zu nehmen und somit in unsere Zukunft zu investieren. Schließlich ist die einzige richtige Ressource, die wir hier in Deutschland haben, eben gerade das, was wir im Kopf haben, und was wir aus unserer Bildung und Kreativität machen. Aber auch die Vorschläge des SPD-Alternativantrages, diese Gelder für Umwelt- und Sozialprojekte sowie die Projekte der Erinnerungskultur an die Opfer und Gräueltaten des NS-Regimes einzusetzen, finden unsere Unterstützung.

Über den dritten Punkt ließe sich wohl diskutieren. Natürlich sind private Vermögenswerte und Erbrechte zu schützen, auch in solchen Fällen und auch über eine gewisse Zeitspanne hinweg. Allerdings könnte man eben auch über eine bestimmte Frist nachdenken, ab der nicht abgeholte Vermögenswerte – ggf. bis zu einer bestimmten Höhe – an staatlich verwaltete Fonds überführt werden und sämtliche Ansprüche darauf erlöschen. Diese Frist kann ja durchaus großzügig angesetzt werden, aber gleichzeitig böte es allen Beteiligten eine gewisse Abschluss- und Planungssicherheit. Hier könnte man also noch einmal in die Diskussion einsteigen. Das Fondsvermögen zur Absicherung gegen etwaige Ansprüche ist in jedem Fall ebenfalls notwendig und richtig.

Neben erbrechtlichen und datenschutzrelevanten Fragen bleibt für eine potenzielle Bundesratsinitiative also auch die Frage nach dem konkreten Modell für Deutschland zu klären. Vorbilder gibt es ja genügend. Der SSW unterstützt die vorliegenden Anträge insgesamt und freut sich auf die näheren Beratungen im Ausschuss.

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