Speech · 26.09.2025 Weiterbildungsangebote sind Daseinsfürsorge
„In welche Richtung wird denn angepasst, wenn keine Kohle da ist? Unterrichtsvolumen oder bestimmte Aspekte der Weiterbildung im ländlichen Raum sowie Bevölkerungsdichte sollen hierbei herangezogen werden. Hier sehe ich große Gefahr, dass gerade im nördlichen Landesteil gekürzt wird und Angebote künftig wegfallen. Wieder eine Benachteiligung des Nordens; nicht mit uns.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 45 - Weiterbildungsstrategie Schleswig-Holstein (Drs. 20/3261)
Die Weiterbildung war und ist für den SSW schon immer ein elementarer Baustein des lebenslangen Lernens – in den unterschiedlichsten Bereichen und Facetten. Und nicht erst heute wird deutlich, wie wichtig und notwendig Weiterbildung für die Menschen bei uns im Land aber auch für unsere Unternehmen ist. Ja, es ist ein Schlüssel zum Erfolg für die Beschäftigten, um sich neue berufliche Erkenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Und ja, es ist wichtig, dass Unternehmen eben dies erkennen und dieses Instrument für ihre Betriebe wertschätzen und vor allem auch nutzen. Gerade vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels, der Digitalisierung oder des demografischen Wandels steigt die Bedeutung der Weiterbildung. Nicht nur für die eigenen Angestellten, sondern auch, um fachfremden Mitarbeitenden den Einstieg ins Unternehmen zu erleichtern.
Weiterbildung ist aber mehr als berufliche und berufsbezogene Weiterbildung. So ist mehr denn je die allgemeine, kulturelle und politische Weiterbildung ein zentraler Punkt, um Bürgerinnen und Bürgern die mündige Teilhabe an demokratischen Prozessen und gesellschaftlichem Engagement zu ermöglichen. Angesichts einer weiter steigenden Demokratiefeindlichkeit ist es umso wichtiger, demokratische Werte und Ziele zu verteidigen. Der Zugang zur politischen Weiterbildung muss daher so niedrigschwellig wie möglich gestaltet werden. Nur so ermöglichen wir den Menschen die Möglichkeit demokratiefeindlichen Einstellungen entgegenzutreten.
Im beruflichen, privaten und sozialen Bereich besteht Handlungsbedarf, die Weiterbildung zu stärken und weiterzuentwickeln. Wir müssen sie an die Herausforderungen anpassen. Ich danke daher allen Akteuren; den beteiligten Ministerien und Institutionen, die diese Strategie erarbeitet haben.
Gleichwohl wundert es mich doch, dass im Kreis der genannten Akteure keine Kulturvertreter aufgeführt sind. Wie soll die kulturelle Weiterbildung gestärkt werden, wenn die Fachexpertise nicht eingebunden ist. Ich hätte erwartet, dass beispielsweise der Landeskulturverband dabei ist. Was ist mit den regionalen Minderheiten, was ist mit Plattdeutsch? Fehlanzeige. Auch hier hätte ich erwartet, dass entsprechende Organisationen oder Institutionen eingebunden werden. Wir haben seinerzeit in der Küstenkoalition die Kulturelle Bildung explizit ins Weiterbildungsgesetz aufgenommen, denn so sagt § 2 Absatz 3 Satz 3 des Weiterbildungsgesetzes: „Sie umfasst gleichrangig die Bereiche der allgemeinen, der politischen, der kulturellen und der beruflichen Weiterbildung sowie die Qualifizierung für ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement.“ Kulturelle Weiterbildung ist also nicht nur „nice to have“, sondern gleichrangig zu betrachten und trägt auch zur Stärkung des ehrenamtlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements bei. Das brauchen wir heute dringender denn je.
Aus meiner Sicht fehlen auch die Bibliotheken als Dritter Ort.
Aufmerksam wird man beim Lesen neuer Strategien immer, wenn es um die Fördermittel geht und was gegebenenfalls auf den Prüfstand kommt. Hier sehe ich ein Fragezeichen, wenn es um den Europäischen Sozialfonds Plus geht. Die Förderperiode geht noch bis 2027, aber was passiert danach? Hier müssen wir alles daransetzen, dass die Förderkulisse für ESF plus mindestens fortgeführt wird.
Kritisch gelesen habe ich den Handlungsbedarf bezüglich der Bildungseinrichtungen der Grundversorgung. Wir haben insgesamt 140 VHSen und Bildungsstätten an 200 Standorten. Und auch dort ist der demografische Wandel insofern spürbar, dass dort ein allgemeiner Rückgang des freiwilligen Engagements zu verzeichnen ist. Daher sieht die Landesregierung die Sicherung des Angebots in Gefahr. Um die Trägerstrukturen zu stärken, soll das Weiterbildungsgesetz SH geändert werden. So weit so gut. Dafür sollen Förderinstrumente geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. In welche Richtung wird denn angepasst, wenn keine Kohle da ist? Unterrichtsvolumen oder bestimmte Aspekte der Weiterbildung im ländlichen Raum sowie Bevölkerungsdichte sollen hierbei herangezogen werden. Hier sehe ich große Gefahr, dass gerade im nördlichen Landesteil gekürzt wird und Angebote künftig wegfallen. Wieder eine Benachteiligung des Nordens; nicht mit uns.
Unter der Prämisse klingt es wie Hohn, wenn zu lesen ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Weiterbildungsangeboten haben sollen, unabhängig von ihrem Wohnort oder Hintergrund. Mittels Kürzungen uns Streichungen ermöglichen sie das auf jeden Fall nicht.