Speech · 29.08.2019 Wir brauchen Maßnahmen, die jetzt helfen und nicht erst in 15 Jahren

Der Zweck heiligt noch lange nicht jedes Mittel. Wir brauchen keine Landärzte, die nur ihre Arbeit machen, weil sie sich vertraglich gebunden haben und ansonsten eine saftige Strafe zahlen

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 8 - Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum (Drs. 19/1612)

Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in der Fläche ist eine der größten Herausforderungen, die wir in Schleswig-Holstein haben. Das ist völlig klar und beschränkt sich leider auch längst nicht nur auf hausärztliche Angebote. Noch dazu beschäftigt uns dieses Problem schon lange. Das liegt an den vielen verschiedenen Ursachen und sicher auch daran, dass Bundes- und Landespolitik nicht entschlossen genug gegensteuern. Wenn wir also hier und heute über einen vergleichsweise neuen Lösungsweg diskutieren, ist das grundsätzlich erstmal zu begrüßen. 

In anderen Bundesländern wird die Idee einer Landarztquote ja schon umgesetzt. Nordrhein-Westfalen führt sie zum kommenden Semester ein. In Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz gibt es derartige Gesetze. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wird darüber diskutiert. Und auch hier in Schleswig-Holstein haben sich die regierungstragenden Fraktionen in ihrem Koalitionsvertrag auf diesen Weg verständigt. Nun liegt uns dieser Gesetzentwurf der AfD vor. Und doch muss ich für den SSW eins klar sagen: Nur weil die Landarztquote in anderen Ländern eingeführt wird, ist sie für uns noch lange keine überzeugende Maßnahme gegen den Ärztemangel.

Wir haben uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Und wir haben uns die Entscheidung für oder gegen eine solche Quote nicht leicht gemacht. Aber so drängend das Problem auch ist: Es macht aus unserer Sicht einfach keinen Sinn, hier auf eine Zwangsmaßnahme zu setzen. Wir halten es sogar für grundsätzlich falsch, junge Leute zu der Entscheidung zu zwingen, welchen Job sie 20 Jahre später machen wollen. Das geht völlig an der Lebenswirklichkeit angehender Studierender vorbei. Und ich persönlich halte es für ein Armutszeugnis und eine echte Bankrotterklärung, wenn sich die Landespolitik in dieser Frage nicht mehr anders zu helfen weiß.

Sicher: Die Altersstruktur unserer Landärzte und die Versorgungssituation an manchem Ort sind alarmierend. Aber der Zweck heiligt deshalb noch lange nicht jedes Mittel. Wir brauchen keine Landärzte, die nur ihre Arbeit machen, weil sie sich vertraglich gebunden haben und ansonsten eine saftige Strafe zahlen. Wir brauchen motivierte Allgemeinmediziner, die wir durch bessere Rahmenbedingungen aufs Land locken. Wir müssen in Kitas, Schulen und auch kulturelle Angebote investieren. Wir müssen dafür sorgen, dass der Landarztberuf flexibler und familienfreundlicher wird. Und wir müssen auch dem jeweiligen Partner oder der Partnerin eine Perspektive bieten. 

Ich will nicht missverstanden werden: Wenn es um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung geht, können wir uns keine Denkverbote leisten. Wir müssen durchaus auch mal neue Wege gehen. Vor allem aber gilt es, keine weitere Zeit zu verlieren. Wir brauchen Maßnahmen, die jetzt helfen und nicht erst in 15 oder 20 Jahren. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, auch über finanzielle Anreize nachzudenken. Was bei Lehrkräften in Form einer so genannten „Buschzulage“ möglich ist, muss auch bei Hausärzten möglich sein. Entsprechende Initiativen wird der SSW also gerne mittragen.

Neben diesen Ansätzen muss es aber endlich auch beim Thema Planungsräume für Kassensitze und bei der Frage nach Anreizen für die Ansiedlung von medizinischen Versorgungszentren Fortschritte geben. Außerdem müssen die Potentiale der Telemedizin noch viel konsequenter genutzt werden. Deshalb muss die Landesregierung dringend mehr Tempo machen, wenn es um den Breitbandausbau als Voraussetzung hierfür geht. Und als Begleitmaßnahme ist und bleibt es wichtig, das Berufsbild der medizinischen Fachangestellte und Arzthelferinnen aufzuwerten. Das Modell der nichtärztlichen Praxisassistenten ist ein gelungenes Beispiel. Auch hier sollten wir gemeinsam dran bleiben und dafür sorgen, dass wir wirklich zeitnah zu besseren Versorgungsangeboten kommen.

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