Speech · 18.06.2025 Wir brauchen verbindliche Regeln für die private Nutzung von Handys
„Wir dürfen die Kinder und Jugendlichen nicht mit den Herausforderungen, die sich durch Internet, Social Media und digitale Geräte im Allgemeinen ergeben, allein lassen und darauf hoffen, dass sie damit besser und klüger umgehen als ihre Elterngeneration.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 29+30 - Mündlicher Bericht: Nutzung mobiler Endgeräte an Schulen einschränken, Digitalität an Schule zeitgemäß, wirkungsvoll und mit Augenmaß gestalten und Nutzung digitaler Endgeräte an Schulen einschränken (Drs. 20/3313 und 20/3314)
Es ist längst überfällig, dass wir verbindliche Regeln für den Umgang mit digitalen Endgeräten an Schulen finden. Wobei wir vielleicht damit beginnen sollten, das Kind beim Namen zu nennen, um keine Verwirrung zu stiften. Es geht um die Nutzung privater Mobiltelefone in Schulen. Es geht nicht um Tablets oder Notebooks, mit denen im Rahmen des Unterrichts gearbeitet wird. Und wenn in der Debatte immer wieder darauf verwiesen wird, dass die Nutzung digitaler Endgeräte in Schulen zu Unterrichtszwecken möglich sein muss, dann müssen wir uns doch fragen: meinen wir da wirklich das Handy? Ich weiß, dass es noch immer Schulen gibt, die nicht vollumfänglich mit Notebooks oder Tablets ausgestattet sind. Und die „Bring-your-own-device“ Regelung vieler weiterführender Schulen muss natürlich sozial abgefedert werden für diejenigen, die nicht selbst ein Endgerät kaufen können. Aber wir können doch nicht ernsthaft wollen, dass junge Menschen im Unterricht am Handy arbeiten, weil ihnen kein anderes Gerät zur Verfügung steht. Im Berufsleben erarbeitet doch auch keiner eine PowerPoint-Präsentation am Handy. Und es darf nicht sein, dass nur diejenigen ein arbeitsfähiges Endgerät haben, deren Elternhaus die finanziellen Ressourcen dafür hat, während die anderen mit ihren Handys im Unterricht sitzen. So sieht Bildungsgerechtigkeit nicht aus.
Das haben wir schon in der Coronazeit erlebt, dass die Kinder am meisten zurückgefallen sind, in deren Zuhause es außer dem Handy keine digitalen Endgeräte gab. Das können wir uns im Präsenzunterricht nicht erlauben. Das Land muss also Sorge dafür tragen, dass allen Schülerinnen und Schülern bei Bedarf ein Arbeitsgerät zur Verfügung steht. Und gleichzeitig brauchen wir an den weiterführenden Schulen verbindliche Regeln für die private Nutzung von Handys. Es kann nicht sein, dass wir die jungen Menschen damit allein lassen und denken, sie werden schon klarkommen. Studien zeigen, dass manche Kinder fast den ganzen Schultag mit ihren Handys verbringen. Viele Jugendliche fühlen sich schon allein dadurch abgelenkt, dass sie wissen, dass auf dem Handy Nachrichten eingehen, die sie dann vielleicht nicht sofort beantworten können. Und es gibt mehr als deutliche Hinweise darauf, dass die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler mit steigender Bildschirmzeit abnimmt.
Das betrifft natürlich nicht nur die Bildschirmzeit in der Schule, sondern auch am Nachmittag und Abend. Im Durchschnitt verbringen Jugendliche laut einer aktuellen Befragung etwa 35 Stunden pro Woche vor ihren Handys. Das ist fast eine ganze Arbeitswoche.
Wo bleibt da die Zeit zum Lernen, für Hobbies, für sozialen Austausch? Hier haben natürlich vor allem die Eltern eine Verantwortung. Man kann nicht seinem Kind ein Handy kaufen und dann die Augen zumachen und das beste hoffen. Und viele Eltern sind hier sicherlich auch keine guten Vorbilder, weil sie selbst viel zu viel Zeit vor dem Handy verbringen. Man kauft doch den Kindern auch kein Auto und lässt sie dann ohne Führerschein losfahren in der Hoffnung, dass das schon gut gehen wird. Insofern müssen die Schulen hier eine Lücke füllen und ein gutes medienpädagogisches Angebot machen. Für die Schüler und im besten Fall auch für die Eltern.
Und dann müssen sie dafür sorgen, dass durch geeignete Regularien die Schule auch in Zukunft als sicherer Raum für alle funktionieren kann. Wo keiner fürchten muss, dass andere ihn filmen oder fotografieren oder blöde Dinge in den Klassenchat schreiben. Am Nachmittag kann Schule das nicht verhindern, am Vormittag schon. Erste Erfahrungen aus Dänemark zeigen, dass das soziale Miteinander deutlich verbessert wird, wenn die Handys den ganzen Vormittag weggeschlossen bleiben und die Kinder und Jugendlichen in den Pausen wieder miteinander sprechen und spielen. Ein Erlass in Anlehnung an die bestehenden Regelungen für die Grundschulen weist hier in die richtige Richtung: er zwingt die Schulen, sich mit der Thematik aktiv auseinanderzusetzen. Und dennoch haben die Schulen die Möglichkeit, Regeln zu finden, die zu ihrem eigenen Schulleben und ihrer Schülerschaft passen. Ob das die Verwahrung in Handyhotels von Schulanfang bis Schulende ist oder eine Regelung, wo Handys in Taschen verbleiben und ob die Regelung auch die Pausen umfasst oder nicht, können dann die Schulen entscheiden. Wichtig ist, dass wir flächendeckend zu Regelungen kommen.