Speech · 19.11.2025 Wir müssen die Gerichte unterstützen und nicht kaputtsparen
„Immer wieder wurde betont, es solle nicht das Personal treffen, weiterhin sagt ihre Kostenschätzung, dass über 60 % am Personal gespart werden soll. Diesen Widerspruch haben Sie nie aufgearbeitet.“
Sybilla Nitsch zu TOP 2+29 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Fachgerichtsstruktur in Schleswig-Holstein & mündlicher Bericht zu den Erkenntnissen aus der Studie „Justizhaushalte im Vergleich“ (Drs.20/3410, 20/3766, 20/3785)
Die Landesregierung, konkret in diesem Fall das Justizministerium und seine Ministerin, haben sich Gedanken zur Struktur der Fachgerichte in Schleswig-Holstein gemacht. Vor dem Hintergrund der Haushaltslage, hat die Landesregierung diesen radikalen Einschnitt der bestehenden Strukturen angekündigt. Es folgte der Verweis auf die globalen Krisen sowie der weltweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Hört, hört.
Im Grunde genommen lief es darauf hinaus, einen Standort für das ganze Land stehen zu lassen und alle anderen Fachgerichte zu schließen und Zweigstellen daraus zu machen. Schleswig-Holstein ist ein Flächenland und die Wege von Nord nach Süd und insbesondere von Ost nach West sind weit. Bürgernah ist das auf keinen Fall. Auf der anderen Seite diskutieren wir eine überlastete Justiz, die immer mehr und immer komplexere Fälle abarbeiten muss, welches alle Ebenen betrifft.
Die Bevölkerung spürt diese Überlastung der Gerichte deutlich.
Das ist doch paradox. Doch es geht noch weiter. Der größte Widerspruch für mich und meine Fraktion ist, dass die Ministerin das genaue Einsparpotential zu keinem Zeitpunkt benennen konnte.
Man hat sich hier also auf den Weg gemacht, um ein Ziel zu erreichen, wobei man gar nicht genau weiß, wo es genau liegt?
Immer wieder wurde betont, es solle nicht das Personal treffen, weiterhin sagt ihre Kostenschätzung, dass über 60 % am Personal gespart werden soll.
Diesen Widerspruch haben Sie nie aufgearbeitet.
Das wirkt für uns als SSW tatsächlich diffus.
Der Entwurf wurde natürlich debattiert.
Die Verbände haben völlig zurecht protestiert. Herausgekommen ist eine abgespeckte Version des Ursprungsvorschlags. Nun ja, besser als vorher sicherlich.
Einen Punkt möchte ich hier aber wiederholt herausarbeiten: der nördliche Landesteil
wird in den Fachgerichtsbarkeiten also jetzt nur noch mit Zweigstellen bedient. Die
Auflösung des Arbeitsgerichtes wirft für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber Fragen:
Können zukünftig überhaupt Klagen eingereicht werden?
Auch die Expertise, was Verfahrensfragen auf Dänisch angehen, hat in Flensburg eine
Tradition, hier identifiziert man sich mit dem Standort. Mit der Kieler und Holsteiner Brille
betrachtet möge das alles praktisch erscheinen, aber denken wir an das Sozialgericht
Schleswig reicht ein Blick auf die Landkarte: Alle Nordkreise sind dem jetzigen
Sozialgericht Schleswig zugeordnet.
Aber was macht das Ministerium in dem ganzen Verlauf?
Zur abschließenden Beratung im Innen- und Rechtsausschuss war die Hausspitze jedenfalls nicht - und auch sonst keine Person anwesend. Das würde ich schon fast als lauwarme parlamentarische Zusammenarbeit bezeichnen.
Die Anhörung hat weiteren berechtigten Beratungsbedarf gezeigt, der von CDU und Grünen abgelehnt wurde. So hat mich u.a. sprachlos zurückgelassen, dass die soziale Komponente in der Strukturreform gar keine Rolle spielen sollte, die Mahnung der LAG der Freien Wohlfahrtsverbände wurde meines Erachtens unter den Teppich gekehrt.
Der Verlauf insgesamt ist unterm Strich für meine Fraktion und mich leider nicht erbaulich. Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Abschließend möchte ich noch einige Worte zur Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung verlieren. Eine wertvolle Studie. Sie beleuchtet den Bereich der, der eingespielt zu sein scheint. Es ist definitiv hilfreich, um einmal auf den Pausenknopf zu drücken und genauer hinzusehen, was wir, aber auch unsere Nachbarn machen.
In der genannten Studie werden die unterschiedlichen Justizhaushalte der Länder verglichen. Aber es wird auch europaweit analysiert, was machen unsere Nachbarn in Europa eigentlich. Deutschland bewegt sich im europäischen Mittelfeld. Schleswig-Holstein ist was die Ausgaben für den Justizbereich angeht fast Schlusslicht. Das gilt auch für die Ausgaben, wenn man es pro Kopf berechnet. Auch beim Saldo sind wir ganz hinten und bei den Ausgaben für die Polizei. Das alles bis oder im Jahr 2023. Aber es gibt andere Bereiche, in denen wir besser aufgestellt sind. So hat unser Land etwa eine höhere Dichte an Amtsgerichten, gemessen an der Einwohnerzahl, als andere Bundesländer. Das Ziel sollte nicht sein, das höchste Budget für die innere Sicherheit zu reservieren, sondern die höchste Effizienz vorweisen zu können. Da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Immerhin gibt es nun dank der Studie Klarheit, wo wir stehen. Wenn die Fachgerichtsstrukturreform als Lösung herhalten sollte, dann ist das unserer Meinung nach völlig fehlplatziert. Was unser Land braucht, ist eine Tiefenanalyse bzw. Tiefentherapie.
Dabei kann es darum gehen, wie die Standzeiten der Akten verringert werden kann, der Informationsweg zuverlässig läuft und wie häufige Richterwechsel minimiert werden können. Viele kleine Stellschrauben, die jedoch insgesamt für den Prozess und schlussendlich auch für die Bevölkerung von entscheidender Bedeutung sind. Die Herausforderung lässt sich mit einfach mehr Geld drauf packen genauso wenig lösen, wie mit dem einfachen Schließen von Gerichten. Das hat die Landesregierung hoffentlich auch verstanden.