Rääde · 26.03.2021 Wir werden weiter für die Minority SafePack Initiative kämpfen

„Der Umgang der Europäischen Kommission mit der MSPI hat allen Minderheiten sowie dem Demokratieverständnis in der EU einen Schlag ins Gesicht versetzt. Wir bleiben hartnäckig dran, auf dass die MSPI letztlich doch noch umgesetzt wird!“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 9+36+39+46 - Europabericht und europapolitische Anträge (Minority SafePack Initiative, Aufbauinstrument Next Generation EU) (Drs. 19/2729; 19/2793; 19/2875; 19/2561; 19/2853; 19/2843)

Groß war die Euphorie in den Minderheiten, als das Europaparlament Mitte Dezember 2020 mit einer überwältigenden Dreiviertel-Mehrheit eine Resolution zur Unterstützung der Minority SafePack Initiative verabschiedete. Keine reinen Lippenbekenntnisse mehr; endlich müsse sich die EU-Kommission klar zu ihrer Verantwortung für die Wahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in Europa bekennen und auch konkret handeln, hieß es nicht nur vom SSW. Auf diese Euphorie sollte Mitte Januar dieses Jahres allerdings der herbe Schlag ins Gesicht folgen. Dann nämlich schmetterte die EU-Kommission die MSPI wortreich und dennoch nichtssagend ab. Einerseits erklärte sie sich für nicht zuständig, andererseits klopfte sie sich selbst auf die Schulter für angeblich bereits ausreichende Maßnahmen. Die Entscheidung wie auch der Begründungstext haben sehr viele Menschen sehr tief enttäuscht und frustriert; natürlich auch uns vom SSW. Aber damit ist dieses Anliegen noch lange nicht vom Tisch.
            
Die MSPI sammelte über 1,1 Millionen Unterschriften. Europaweit gehören mehr als 100 Millionen Menschen einer Minderheit oder einer Volksgruppe an, EU-weit jeder 7. Mensch. All diese Menschen hat die Europäische Kommission mit ihrer Entscheidung vor den Kopf gestoßen. Noch dazu setzte sie sich über das Europaparlament hinweg, also über eben jene Institution der EU, die über die höchste demokratische Legitimität verfügt. Und zur Krönung diskreditierte sie durch ihre Abweisung auch noch das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative, wodurch sie sich noch mehr von den Bürgern entfernt. Für die Europäische Kommission, diese sogenannte „Hüterin der Verträge“, war dies wahrlich ein Armutszeugnis.

Mit der MSPI ist jedoch eine starke Bewegung in Gang gesetzt worden. Und es hat uns gefreut, zu hören, dass bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen inzwischen womöglich doch ein Umdenkungsprozess eingesetzt haben mag. Das bilaterale Gespräch mit Ministerpräsident Günther ist zumindest ein positives Signal. Wir danken dem Herrn Ministerpräsidenten ausdrücklich für seinen Einsatz in dieser Angelegenheit.

Und wir freuen uns natürlich auch sehr, dass das ganze Haus seit Langem engagiert hinter der MSPI steht, und dass es gelungen ist, hier einen fraktionsübergreifenden Antrag zu formulieren, der genau dieses Signal auch noch einmal nach Brüssel sendet. Zu einigen Punkten möchte ich gern noch etwas ausführen:

Grundsätzlich wollen wir weiterhin die gesamte MSPI umgesetzt sehen, keine Frage. Notfalls können wir uns aber auch eine schrittweise Umsetzung vorstellen. Wir würden dabei insbesondere zwei der Forderungen der MSPI priorisieren:  
-    Zum einen die Einrichtung eines Sprachenvielfaltzentrums, in dem die Minderheitensprachen im Fokus stehen und nicht unter „unter anderem“ gelistet werden. Ein solches hätte eine enorme Ausstrahlungskraft, würde Neugierde wecken und könnte ein echtes Leuchtturmprojekt werden – auch, um dem Sterben der Minderheitensprachen entgegenzuwirken. Hier wird leider zu wenig unternommen.
-    Unsere zweite Priorität wäre die Aufhebung des Geoblockings bzw. ein einheitliches Urheberrecht: Sprachen leben dadurch, dass sie gesprochen werden. Sie sind einerseits Kommunikationsmittel, andererseits aber auch Träger der Identität und Kultur ihrer Sprecher. Durch sie schafft man sich eine Community, die regelmäßig zusammenkommt und ihre Sprache und Traditionen pflegt. In Zeiten von Corona fallen diese Zusammenkünfte aus. Gerade jetzt wäre es doch wunderbar, wenn man – allein auf dem heimischen Sofa sitzend – problemlos auf eine Programmvielfalt in den verschiedensten europäischen Sprachen zugreifen könnte. Gerade in Grenzgebieten wäre dies eine enorme Bereicherung und würde es den Minderheiten ermöglichen, die Sprachmelodie ihrer Muttersprache zumindest weiterhin im Ohr zu behalten. Und ganz generell bieten umfangreiche digitale Angebote einen echten Mehrwert, auch in puncto Spracherhalt.

Darüber hinaus werden wir nicht müde, auch weiterhin die Verankerung des Minderheitenschutzes im Grundgesetz sowie einen eigens zuständigen Minderheiten-Kommissar auf EU-Ebene zu fordern. Der gesamte Vorgang rund um die MSPI kann hier ja durchaus als Parade-Argument angeführt werden, warum es diese Initiativen braucht.

Insgesamt hoffen wir also, dass die EU-Kommission ihren Irrweg noch einsieht und sich doch noch an die Umsetzung der MSPI setzt. Denn die EU muss hier noch deutlich „mehr erreichen“ wollen, um EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen mal mit ihrem eigenen Agenda-Motto zu zitieren. Die Belange der nationalen Minderheiten gehören auch auf die Agenda der EU. Punkt.

Zum Abschluss noch kurz zum Europabericht und dem Aufbauinstrument Next Generation EU: Die Bewältigung der Corona-Krise und ihrer Folgen wird zweifelsfrei weiterhin im Mittelpunkt stehen. Die EU muss aus dieser Krise gestärkt hervorgehen und nachhaltig, sozial und digital für die Zukunft aufgestellt werden. Die im Bericht gesetzten Schwerpunkte können wir insgesamt gut mittragen. Im Rahmen der engen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wäre es allerdings wünschenswert, dass gerade auch die Minderheiten im Voraus noch enger in den Informations- und Ausgestaltungsprozess miteingebunden werden, um ihre Perspektive und Expertise noch besser einbringen zu können.

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