Speech · 10.12.2025 Haushalt 2026: Wir wollen ein solidarisches Schleswig-Holstein
„Als SSW haben wir konkrete Erfolge für Kultur und Minderheiten (Dänisch, Friesisch, Niederdeutsch, Petuh) sowie für soziale Projekte wie "Teddy braucht Hilfe" durchgesetzt, werden aber auch künftig nicht nachlassen, die notwendigen Debatten über mehr soziale Gerechtigkeit und eine faire Finanzierung unseres Landes über die Einnahmeseite zu führen.“
Christian Dirschauer zu TOP 4+28+33 - Haushalt 2026 - Generaldebatte (Drs. 20/3500; 20/3501; 20/3812; 20/3749; 20/3834; 20/2712; 20/3886)
Wir debattieren heute über den Landeshaushalt für das Jahr 2026 – und damit über eines der zentralen politischen Steuerungsinstrumente unseres Landes. Und wir tun das in einem finanziellen Umfeld, das anspruchsvoller ist als in den Jahren zuvor.
Ein Haushalt ist nicht einfach nur eine Sammlung von Zahlen, Ansätzen und Titeln. Ein Haushalt ist Politik in ihrer konzentriertesten Form: Er legt fest, was uns wichtig ist, er zeigt, wohin wir als Land wollen, er ist Ausdruck politischer Haltung und er offenbart, wo wir bereit sind zu investieren – oder eben nicht.
Der Haushaltsentwurf 2026 steht in einem Umfeld wachsender Unsicherheiten. Die Steuereinnahmen steigen weit weniger dynamisch als in den Jahren zuvor, auch viele kommunale Haushalte geraten zunehmend unter Druck und die großen Zukunftsfragen – Energiewende, Digitalisierung, Integration, Bildung, soziale Daseinsvorsorge – auch in der Fläche – verlangen nach Antworten, die nicht zum Nulltarif zu haben sind.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir als Landtag verantwortungsvoll, vorausschauend und strukturell klug handeln. Und genau so hat sich der SSW in diesen Haushaltsberatungen eingebracht: skandinavisch, konstruktiv, kritisch – also wie immer.
Wir haben dort unterstützt, wo wir überzeugt waren, und wir haben dort widersprochen, wo wir es für notwendig hielten. Unsere Änderungsanträge waren und sind allesamt konkret, solide begründet und finanziell realistisch.
Und ich freue mich ausdrücklich sagen zu können: Wir waren in diesen Beratungen durchaus auch erfolgreich. Nicht, weil wir besonders laut aufgetreten wären, sondern weil unsere Vorschläge vernünftig waren und breite Unterstützung im Parlament gefunden haben. Dafür möchte ich Ihnen – sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – an dieser Stelle ausdrücklich danken.
Lassen Sie mich nun auf einige dieser Erfolge eingehen, die wir als SSW in den Verhandlungen erzielen konnten:
1. Stärkung der kulturellen Arbeit der dänischen Minderheit: +18.500 Euro, + 25.000 Euro dauerhaft
Die kulturelle Arbeit des Sydslesvigsk Forening ist ein Herzstück unserer vielfältigen Kulturlandschaft und sie ist das kulturelle Rückgrat der dänischen Minderheit. Ob Theater, Laienmusik, Erwachsenenbildung oder gemeinsame Projekte mit Künstlerinnen und Künstlern aus Dänemark – all das kostet Geld, und all das wird immer teurer. Die Anpassung des Landeszuschusses war damit geboten.
Wir haben uns für eine dauerhafte Erhöhung um 18.500 Euro eingesetzt – angemessen, zielgerichtet und notwendig. Dass dieser Antrag breite Zustimmung gefunden hat, zeigt auch, dass dieses Parlament seine Verantwortung für die Minderheitenpolitik ernst nimmt. Dafür danke ich Ihnen. Mit der zusätzlichen Umwandlung der bisherigen Projektförderung für die dänische Minderheit in Höhe von 25.000 Euro in eine dauerhafte Unterstützung ergibt sich somit eine Erhöhung der institutionellen Förderung um 43.500 Euro pro Jahr. Tusind tak til alle grupper her i Landdagen for godt samarbejde og støtte til dette vigtige kulturarbejde for os i det danske mindretal.
2. Förderung des Petuh: 36.500 Euro jährlich
Petuh – diese faszinierende Mischsprache aus Hochdeutsch, Dänisch, Plattdeutsch und Sønderjysk – ist ein einzigartiges Kulturerbe unserer Region Flensburg. Doch sie ist vom Aussterben bedroht. Der Petuh-Verein arbeitet mit großem Engagement daran, ein Netzwerk aufzubauen, das Bildung, Kunst, Kultur und Forschung verbindet, um Petuh sichtbarer und erlebbarer zu machen und zu sichern.
Mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von jährlich 36.500 Euro schaffen wir die Grundlage für eine nachhaltige Sprach- und Kulturförderung. Und das ist dringend notwendig: Denn es ist 5 vor 12 und was einmal weg ist, kommt nicht wieder, wie wir es auch bei anderen Dialekten und Mundarten in Schleswig-Holstein gesehen haben.
Nu szolln hier alle Fraktionen vielen Danke haben für un unterstützen uns Antrag. Da szolln wir szehn un kriegen uns Petuh orntlich in Gange; auch mit Schunz un Schau.
3. Förderung des Erste-Hilfe-Projekts „Teddy braucht Hilfe“: 75.000 Euro jährlich
Meine Damen und Herren, vielleicht erinnern Sie sich: Der SSW hat im Sommer des letzten Jahres hier das Thema Erste-Hilfe-Kurse im Schulunterricht auf die Tagesordnung gesetzt. Bei der entsprechenden Plenardebatte habe ich gesagt, dass Kinder lernen müssen, mit kritischen Situationen umzugehen und dass sie dies auch lernen wollen.
Auch deshalb ist mir ein Projekt ebenfalls besonders wichtig, das noch früher als in der Schule ansetzt. Das Projekt des DRK für die Kurse „Teddy braucht Hilfe“ bringt Kindern schon im Krippen- und Kita-Alter spielerisch bei, in Notsituationen richtig zu reagieren. Es geht um Zivilcourage, Verantwortungsgefühl und das Wissen, dass man helfen kann. Kinder sollen früh erfahren: Helfen ist selbstverständlich.
Der SSW hat die Förderung von 75.000 Euro jährlich ermöglicht. Damit kann das DRK das Projekt landesweit ausrollen. Auch hier: Herzlichen Dank für die breite Unterstützung!
4. Erhöhung der Mittel für die Zentren für Niederdeutsch: +10.000 Euro dauerhaft
Niederdeutsch gehört zu Schleswig-Holstein wie die Förden, die Marsch und das Wattenmeer. Die Zentren in Leck und Mölln leisten enorme Arbeit, doch steigende Kosten machen auch vor ihnen nicht halt.
Die Erhöhung um jeweils 5.000 Euro pro Zentrum, also insgesamt 10.000 Euro, ist ein klares Signal: Wir stehen zur Regionalsprache Niederdeutsch – und wir sorgen mit dieser Erhöhung um 40 % für verlässliche Rahmenbedingungen.
5. Unterstützung des ECMI: einmalig 11.300 Euro für ein neues Handbuch
Das European Centre for Minority Issues plant die Herausgabe eines wissenschaftlichen Standardwerkes als Handbuch über die Geschichte und Gegenwart der Minderheiten in Deutschland – inklusive eines frei zugänglichen Open-Access-Formats. Als Minderheitenpartei wissen wir, wie zentral diese Forschungsarbeit ist, die ein tolles Übersichtswerk für Wissenschaft, interessierte Öffentlichkeit und gerade auch Politik sein kann.
Mit unseren Mitteln sichern wir die Finanzierung der Open-Access-Ausgabe. Damit leisten wir einen Beitrag zur Sichtbarkeit der Minderheiten und der Minderheitenpolitik – und zwar nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit.
6. Sprachförderung in Kitas: +50.000 Euro dauerhaft
Besonders froh bin ich über die Erhöhung der Mittel für die Sprachförderung von Dänisch, Friesisch und Niederdeutsch in unseren Kitas. Die Nachfrage ist hoch, die bisherigen Mittel waren regelmäßig überzeichnet und Umschichtungen reichen inzwischen nicht mehr aus, um die Bedarfe zu decken.
Mit 50.000 Euro zusätzlich sichern wir dauerhaft die Fortsetzung eines erfolgreichen Programms, das Kinder früh in Kontakt mit den Minderheiten- und Regionalsprachen bringt. Das ist ein Gewinn für das ganze Land.
7. Eine neue Personalstelle für die Friesenstiftung: min. + 50.000 Euro
Die Friesenstiftung steht durch erfreulich steigende Landesmittel, neue Projektfelder wie das Liirskap sowie die zunehmende Komplexität in der Verwaltung von Fördermitteln vor erheblichen Herausforderungen. Beratung, Kommunikation und Projektbegleitung können mit dem bisherigen Personal kaum noch geleistet werden.
Der SSW hat daher die Einrichtung einer neuen A13-Stelle durchgesetzt. Damit kann endlich auch die lange ersehnte Pressearbeit intensiviert und der Zugang zu Fördermöglichkeiten – unter anderem durch die Schaffung eines Internetauftritts – niedrigschwellig ausgestaltet werden.
Dertu kamt, dåt dåt kantoor sü apstalt ward, dåt da friiske feriine wider gödj betiind wårde koone. Derma stipe we e friisk kulturårbe nü än önj tukamst. Ik seed foole tunk tu åle da, wat maårbed heewe.
Meine Damen und Herren, diese Erfolge sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit im Parlament und eines Kurses, der auf Pragmatismus und Verantwortung setzt. Der SSW sagt dafür: Mange tak!
Aber – und auch das gehört zur Wahrheit einer Haushaltsdebatte – nicht in allen Politikbereichen waren CDU und Grüne bereit, den notwendigen Schritt zu gehen. In einigen Bereichen hat die Koalition Chancen verpasst, Gerechtigkeitslücken zu schließen oder Zukunftsaufgaben entschlossen anzugehen. Ich möchte im Kontext unserer weiteren Haushaltsanträge auf die wichtigsten Punkte eingehen:
Es ist aus Sicht des SSW unverständlich und sozialpolitisch nicht vertretbar, dass Schwarz-Grün weiterhin nicht bereit ist, das Landesblindengeld auf den bundesdeutschen Durchschnitt anzuheben.
Menschen mit Blindheit sind in ihrer täglichen Lebensführung auf Unterstützung angewiesen. Diese Leistungen sind keine freiwilligen Nettigkeiten – sie sind Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität. Wenn andere Bundesländer deutlich höhere Leistungen zahlen, bedeutet das: In Schleswig-Holstein wird ein Nachteil nicht ausreichend ausgeglichen. Das entspricht weder unserem Menschenbild noch unserem Anspruch, ein sozial gerechtes Land zu sein.
Ebenso enttäuschend ist die kategorische Ablehnung eines Gehörlosengeldes.
Wer gehörlos ist, hat nicht weniger Einschränkungen als ein blinder Mensch – die Herausforderungen sind nur andere. Der Ausschluss dieser Gruppe von einer entsprechenden Leistung ist schlicht nicht nachvollziehbar. Viele Betroffene kämpfen seit Jahren um Anerkennung. Der SSW steht an ihrer Seite – und wir werden es auch weiterhin tun.
Ein weiterer Punkt: Der Versorgungssicherungsfonds wird nicht „reanimiert“.
Dabei gilt er seit Jahren als ein echtes Erfolgsmodell, weil er auf einzigartige Weise strukturelle Probleme im Gesundheitswesen abgefedert und Innovationen ermöglicht hat, die sonst nie realisierbar gewesen wären. Der Versorgungssicherungsfonds hat Innovation ermöglicht, die sonst nicht gekommen wäre – unbürokratisch, flexibel und wirkungsvoll. Er hat kommunale und regionale Akteure entlastet und die Gesundheitsversorgung als staatliche Aufgabe gestärkt – und Sie selbst bewerben diesen in Reden und Papieren.
Also, geben Sie sich einen Ruck und lassen Sie den Versorgungssicherungsfonds wieder aufleben – das wäre mehr als gut für die Gesundheit der Menschen bei uns im Land und vor allem auf dem Land!
Meine Damen und Herren, auch ein kostenloses Mittagessen in den Kitas wäre eine der wirksamsten und sozial gerechtesten Investitionen, die wir als Land tätigen könnten. Es geht dabei nicht um Luxus, sondern um ein Grundbedürfnis eines jeden Kindes. Immer mehr Familien geraten in finanzielle Enge. Viele Eltern wissen nicht mehr, wie sie steigende Lebensmittelpreise und Kita-Verpflegungsgeld schultern sollen.
Kostenloses Kita-Essen ist keine Wohltat, sondern ein Beitrag zu echter Chancengleichheit. Eine gesunde Mahlzeit am Tag entscheidet über Konzentration, über Lernfähigkeit, über soziale Teilhabe. Und sie verhindert, dass Kinder aus einkommensschwächeren Familien stigmatisiert werden. Ein universelles Angebot erreicht alle – ohne Ausgrenzung, ohne komplizierte Antragsverfahren, ohne Hürden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sport ist ein sozialer Kitt. Sport verbindet Jung und Alt, fördert Integration, stärkt Gesundheit und schafft Zusammenhalt.
Doch viele Sporthallen, Vereinsheime und Plätze im Land sind marode. Kommunen müssen sanieren – sie können aber oft nicht. Das Land gibt weiterhin zu wenig.
So sind wir nicht wettbewerbsfähig, weder im Breitensport noch im Nachwuchsleistungssport. Und wir lassen viele Ehrenamtliche mit ihren Problemen allein.
Schleswig-Holstein ist das Land zwischen den Meeren – und dennoch sind unsere Häfen vielerorts unterfinanziert. Dabei sind sie zentrale Infrastruktur für Wirtschaft, Fischerei, Fähren, Tourismus, Versorgung, Schutz und Katastrophenmanagement.
Häfen sind Daseinsvorsorge.
Aber von Daseinsvorsorge ist im Haushalt zu wenig zu spüren. Es fehlt an struktureller Unterstützung und an Investitionsmitteln. Der SSW erwartet, dass die Landesregierung dieses Thema stärker in den Fokus nimmt und weit mehr Häfen als geplant unterstützt, denn die Häfen sind zentral für uns als Land zwischen Nord- und Ostsee.
Ich möchte einen Punkt sehr klar ansprechen: Wir reden viel über Ausgaben – aber zu wenig über Einnahmen. Dabei ist klar: Wenn die Anforderungen steigen und die Mittel knapper werden, dann müssen wir auch über die Einnahmeseite sprechen.
Der SSW sagt offen: Wir brauchen eine Reform der Erbschaftssteuer und eine größere Heranziehung für sehr große Vermögen.
Nicht für das Elternhaus in der Stadt oder das Einfamilienhaus auf dem Dorf. Sondern für sehr große Erbschaften, die Millionensummen überschreiten. Es ist nicht einzusehen, warum Arbeit höher besteuert wird als leistungsloses Erben.
Und das, meine Damen und Herren, ist kein Angriff auf Eigentum, sondern ein Beitrag zu Steuerfairness. Eine gerechte Erbschaftssteuer, die das typische Familienhaus schützt, die kleine und mittlere Vermögen entlastet, aber sehr große Vermögen stärker heranzieht, die stärkt den Staat, eben ohne die Mitte zu belasten.
Und ebenso klar ist: Wir brauchen eine Vermögenssteuer für Superreiche. Eine solche Steuer belastet nur die wirklich Vermögenden, schafft Gerechtigkeit und stärkt die Handlungsfähigkeit des Staates – gerade in Zeiten, in denen wir enorme Zukunftsinvestitionen schultern müssen. Daher ist eine Vermögenssteuer, die nur sehr große Privatvermögen betrifft, ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Andere Länder machen es vor. Deutschland kann und sollte das auch tun.
Zum Schluss möchte ich noch etwas anderes betonen – etwas, das mir persönlich wichtig ist: Wir leben in Zeiten, in denen unsere Demokratie unter Druck steht. Von außen – durch globale Unsicherheiten, durch Desinformation, durch geopolitische Spannungen. Und von innen – durch Populismus, durch gezielte Spaltung, durch Extremismus.
Ein Landeshaushalt ist nicht nur eine finanzpolitische Entscheidung. Er ist ein Instrument des sozialen Zusammenhalts. Wenn wir in Sprache, Kultur, Vielfalt, Integration, Zusammenhalt, Bildung und Sport, Teilhabe und soziale Daseinsvorsorge investieren, dann stärken wir auch unsere Demokratie. Und genau das – genau das! – verfolgt der SSW mit seinen Änderungsvorschlägen.
Wir wollen ein Schleswig-Holstein, das solidarisch ist.
Ein Schleswig-Holstein, das Minderheiten schützt.
Ein Schleswig-Holstein, das Innovation fördert.
Ein Schleswig-Holstein, das seinen Kindern Chancen gibt.
Ein Schleswig-Holstein, das Menschen nicht alleine lässt – weder im Alltag noch in Krisen.
Das ist unser Anspruch.
Dafür stehen unsere Anträge.
Dafür steht der SSW.