Rääde · 24.08.2012 Zur Fortentwicklung des Meldewesens

Datenhandel ist falsch.
Persönliche Daten sind persönliches Eigentum, das ebenso wie Schuhe, Möbel oder das Haus nicht einfach so genommen werden dürfen. Persönliches Eigentum ist grundgesetzlich geschützt. Zumindest das Eigentum in der echten Welt.
In der virtuellen Welt sieht es ganz anders aus. Dort werden persönliche Daten verhökert, weiterverkauft und gespeichert. Diejenigen, die viel im Internet unterwegs sind, haben sich an die Wildwest-Methoden vieler Anbieter schon halbwegs gewöhnt. Doch dieser Gewöhnungseffekt darf uns nicht einlullen, denn der Datenhandel beeinträchtigt unser Privat- und Familienleben. Das ist nicht akzeptabel.
Ich will nicht die Uhr zurückdrehen und die gute, alte Zeit zu beschwören. Denn so gut war sie schließlich auch nicht. Damals, als man noch dreistellige Telefonnummern hatte und Absender von Briefen immer bekannt waren. Durch die elektronische Verarbeitung von Daten können diese global genutzt, in Bruchteilen einer Sekunde weitergeleitet werden und jahrelang gespeichert werden. Das bietet enorme Vorteile und demokratisiert den Zugang zu Wissen. Oder dient Adressenhändlern für ihre Geschäfte. Im Tagesspiegel war zu lesen, dass Adressenhändler die Goldschürfer des 21. Jahrhunderts sind. Adressenhändler wie die in Ditzingen ansässige Schober Group werben ganz unverhohlen damit, über 50 Millionen Adressen von Privathaushalten in Deutschland zu verfügen. Von diesen Adressen sind Schober nicht nur die Anschrift, Telefonnummer oder Zahl der Haushaltsmitglieder bekannt. Nein, die Datenkrake sammelt bis zu 300 Zusatzkriterien über Finanzstatus, Verkaufsverhalten und ob man Raucher ist oder nicht.
Jede Firma, oder besser gesagt jedermann mit genug Kleingeld kann bei diesen Händlern Adressen kaufen und nutzen. Weil das so ist, quellen unsere Briefkästen über und unsere elektronischen Briefkästen sowieso und unsere Privatsphäre wird nachhaltig beeinträchtigt.
So weit – so schlecht.
Der Bundestag hat im Juni ein neues Gesetz verabschiedet, dass diese Situation weiter verschärft. Neu ist, dass der Bund mit seinem Gesetz staatliche Organe in den Datenhandel einbezieht. Einträge ins Melderegister, in dem alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtend verzeichnet sind, wurden mit dem Gesetz freigegeben. Die Meldebehörden müssen den Datenkraken sogar behilflich sein. Und die Betroffenen können nichts dagegen tun. Absolut nichts – das Gesetz ist wasserdicht. Auch wenn man die vom Bundesdatenbeauftragten zur Verfügung gestellten Musterbriefe zum Widerspruch nutzt, werden trotzdem die Daten von den Meldebehörden weitergegeben, wenn damit lediglich bestehende Daten bestätigt oder berichtet werden sollen. Also: keine Chance.
Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen: der Staat zwingt die Bürger zur Datenabgabe und verhindert mit dem neuen Gesetz, dass man sich gegen die Weitergabe der Daten an Private schützen kann.
Das ist nicht hinnehmbar.
Trotzdem dauerte es einige Wochen, oder genauer gesagt bis nach dem Ende der Fußball-EM, bis dieser Skandal ruchbar wurde. Denn der erste Entwurf sah völlig anders aus und beließ die Entscheidung für oder gegen die Datenweitergabe bei den Bürgerinnen und Bürgern. Erst im Laufe der Beratungen konnten sich die Interessen der Datenhändler durchsetzen.

Das muss schleunigst geändert werden. Ich denke, wir sind mit dem Änderungsantrag auf einem guten Weg.

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