Rääde · 09.05.2001 Änderung des Landesnaturschutzgesetzes

Seit 1993 haben wir unsere Erfahrungen mit dem Landesnaturschutzgesetz - und wir haben in dieser Zeit überwiegend gute Erfahrungen mit dem Gesetz gemacht. Das Landesnaturschutzgesetz hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass die Sensibilität für den Naturschutz in der Bevölkerung deutlich erhöht wurde - und das ist auch gut so.
Im Laufe der Zeit wird jedoch deutlich - wie bei anderen Gesetzen auch - dass es auch im Landesnaturschutzgesetz Regelungen gibt, die einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Das Landesnaturschutzgesetz geht von einem Gegensatz von Küstenschutz und Naturschutz aus. Wir meinen, dies ist so nicht richtig.
§ 7 des Landesnaturschutzgesetzes definiert die Eingriffe in Natur und Landschaft. Hier ist unter anderem festgelegt, dass Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen, als auszugleichende Eingriffe anzusehen sind. Und genau um diese Frage dreht es sich. Sind Küstenschutzmaßnahmen als nachhaltige Beeinträchtigung für Natur und Landschaft anzusehen und daher auch auszugleichen? – Unsere Antwort darauf ist klar und deutlich: Nein!!! Hier ist eindeutig ein Fehler im Gesetz.
Maßnahmen des Küstenschutzes sowie die Errichtung oder Änderung von Küstenschutzanlagen sind keine Vorhaben, die zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führen.
Im Gegenteil; Küstenschutzanlagen sind seit Jahrhunderten prägende Elemente des Landschaftsbildes und dienen neben dem Schutz der Menschen auch dem Schutz der auf dem Festland befindlichen Natur- und Kulturlandschaftlandschaft. Das Vorhandensein und die ständige Verbesserung der Küstenschutzanlagen sowie die weiteren Maßnahmen des Küstenschutzes sind somit eine Grundvoraussetzung, dass sich die Natur auf dem Festland so entwickeln kann, wie sie es derzeit tut. Somit wird die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts auf dem Festland durch den Küstenschutz nachhaltig gewährleistet.
Die im Landesnaturschutzgesetz in bestimmten Fällen festgeschriebenen Ausgleichszahlungen und Ausgleichsmaßnahmen dienen in erster Linie der Wiedergutmachung für einen zugefügten Schaden an Natur und Landschaft. Durch Küstenschutzmaßnahmen sowie durch die Errichtung oder Änderung von Küstenschutzanlagen wird der Natur aber kein Schaden zugefügt, der auszugleichen wäre. Vielmehr sind Küstenschutz und Naturschutz als eine miteinander verbundene Einheit zu sehen. Aus diesem Grunde sollte auf Ausgleichsmaßnahmen und Ausgleichszahlungen für Vorhaben des Küstenschutzes sowie für die Errichtung oder Änderung von Küstenschutzanlagen verzichtet werden. Das ist Ziel unseres Antrags.
Die vorgeschlagene Änderung des Landesnaturschutzgesetzes würde dazu führen, dass mehr Mittel für Maßnahmen des Küstenschutzes sowie für die Errichtung oder Änderung von Küstenschutzanlagen zur Verfügung stünden und die Ziele des Generalplans Küstenschutz kostengünstiger und somit schneller erreicht werden könnten. Darüber hinaus wäre es schneller möglich, sich der ständig neuen Anforderungen im Küstenschutz, die durch Naturgewalten an der Küste entstehen, anzunehmen.
Wir haben in den vergangenen Jahren feststellen können, dass nicht jede Küstenschutzmaßnahme, die man als wichtig und nachhaltig eingeschätzt hat, auch zeitnah durchgeführt werden konnte. Maßnahmen wurden verschoben, weil nicht genügend Geld da war. Der Effekt war, dass bei jeder Sturmflut an den betreffenden Stellen mit extremen Folgen zu rechen war und diese auch teilweise eingetreten sind, und dass manch eine Maßnahme, die aus finanziellen Gründen nicht sofort umgesetzt werden konnte, später aufgrund der zusätzlichen Schäden, die in Laufe der Zeit eingetreten sind, noch teurer wurde. Einer solchen Entwicklung wollen wir mit unserem Gesetzentwurf entgegenwirken.
Damit Sie auch sehen können, dass die finanziellen Probleme in bezug auf den Küstenschutz durchaus real sind, möchte ich aus einem Brief von Landwirtschaftsministerin Franzen an eine Amtsverwaltung in Nordfriesland zitieren, bei dem es um eine Deichverstärkungsmaßnahme geht. Dort heißt es: „Nach dem zurzeit bearbeiteten neuen Generalplan Küstenschutz ist der oben genannte Deichabschnitt den prioritären Maßnahmen zugeordnet“ und weiter heißt es „Wegen der begrenzten Mittel und der Vielzahl von prioritären Maßnahmen kann ich Ihnen den Zeitpunkt der Durchführung der Verstärkungsmaßnahme zurzeit leider nicht mitteilen.“
Es wird also deutlich, hier fehlt Geld.
Um es klar zu sagen, dies ist kein Vorwurf an die Landesregierung. Die Zeiten sind so, dass das Geld knapp ist. Gleichwohl machen wir jetzt einen Vorschlag, wie man des Problems besser Herr werden kann. Wenn man die künstliche Verteuerung von Küstenschutzmaßnahmen abschaffen würde, könnte man jährlich Millionenbeträge einsparen, die man genau in diese prioritären Maßnahmen stecken könnte. Ich weiß, dass die Landesregierung schon in Einzelfällen versucht bei Ausgleichsmaßnahmen Küstenschutzaspekte zu berücksichtigen. Zum Beispiel bei der Deichverstärkung in Neufeld. Wir wollen aber eine feste Regelung zugunsten des Küstenschutzes.
Küstenschutzmaßnahmen werden vornehmlich aus den Mitteln für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ finanziert. Diese Mittel sind zweckgebunden. Naturschutzmaßnahmen müssen aus anderen Haushaltstiteln bestritten werden. Wir wollen deutlich machen, dass die für den Küstenschutz zur Verfügung gestellten Finanzmittel auch komplett für den Küstenschutz verwendet werden sollten. Der SSW ist nicht der Auffassung, dass der Küstenschutz einen Gegensatz zum Naturschutz darstellt. Wir sind eher der Meinung, dass sich beides gegenseitig ergänzt und teilweise auch bedingt. Küstenschutz und Naturschutz sind als eine eng miteinander verbundene Einheit anzusehen.
Es geht uns nicht darum, das Landesnaturschutzgesetz auszuhöhlen. Es soll kein Präzedenzfall geschaffen werden, der bestimmte Nutzungen prioritiert und andere weiter mit Abgaben belegt. Ziel ist vielmehr, einen Fehler im System zu korrigieren. Dass bisher der Küstenschutz, zumindest auf dem Papier, als Beeinträchtigung der Natur angesehen wurde, ist nach unserer Auffassung definitiv falsch. Das wollen wir gerne korrigieren.
Der Zeitpunkt unserer Initiative ist darüber hinaus bewusst so gewählt, da zur Zeit das Bundesnaturschutzgesetz novelliert wird. Wir haben die schleswig-holsteinische Besonderheit, dass Küstenschutz ein wichtiger Teil unseres Lebens ist. Mit unserem Antrag wollen wir rechtzeitig deutlich machen, dass man diesem Umstand auch im neuen Bundesnaturschutzgesetz entsprechend Rechnung tragen muss. Wenn wir jetzt den politischen Willen formulieren, dass für den Küstenschutz – und nur für den Küstenschutz – besondere Regelungen notwendig sind, haben wir auch die Chance in Berlin Gehör zu finden. Auch deshalb machen wir diesen konkreten Vorschlag zur Verbesserung des Landesnaturschutzgesetzes. Gleichwohl muss man aber sagen, dass auch schon das heutige Bundesnaturschutzgesetz eine Auslegung der Frage des Küstenschutzes, wie von uns vorgeschlagen, ohne weiteres zulässt.
Uns liegt daran, dass das Landesnaturschutzgesetz nicht ausgehöhlt wird, aber inhaltlich weiterentwickelt wird. Und ich bin mir sicher, dass man die Akzeptanz des Landesnaturschutzgesetzes bei der Bevölkerung an den Küsten Schleswig-Holsteins weiter erhöhen kann, wenn man unseren praktischen Vorschlag zur Stärkung des Küstenschutzes folgt.

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