Rääde · 29.02.2008 Ausbau U 3 – Krippenfinanzierung


Die Bundesfamilienministerin lässt das Thema der Kinderbetreuung für die Kleinsten offensichtlich nicht mehr los. Im Wochentakt ersinnt sie neue Pläne zur Optimierung der Betreuung: ob es sich nun um Elternzeiten für Großeltern handelt oder um die Unterstützung von Betriebskindergärten auch bei kleineren Betrieben. Nachdem viele Jahre hindurch die Politik unzureichende Strukturen im bundesdeutschen Betreuungssystem lediglich beklagt hat, ist dieser Politikwandel schon bemerkenswert. Wobei die Diskussionen auf Bundesebene über die Erhöhung des Kindergeldes deutlich gemacht hat, wie weit manche Politiker der CDU immer noch von einer zukunftsweisenden Familienpolitik entfernt sind. Soll heißen: Für den SSW gibt es keine Alternative zu einem flächendeckenden Ausbau an Kinderbetreuungsplätzen. Nur so werden wir endlich den Familien mit kleinen Kindern die Hilfe bieten, die sie für die Bewältigung ihres Alltages benötigen. Hinzu kommt der nicht unwesentliche Faktor, dass dies auch ein wichtiger Impuls für mehr Wirtschaftswachstum sein wird.

Der vorliegende Bericht der Landesregierung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es seit September 2007 eine Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarung „Investitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung 2008-2013“ gibt. Daraus geht hervor, dass die Kindertagesbetreuung bis 2013 ausgebaut werden soll – und zwar ausgerichtet an einem bundesweit durchschnittlichen Bedarf für 35% der unter dreijährigen Kinder. Um dies für Schleswig-Holstein zu erreichen, müssen bis 2013 17.000 Betreuungsplätze geschaffen werden; 70% in Kindertageseinrichtungen und 30% als Tagespflege.

Der Bund stellt für den Ausbau der Betreuungsangebote von 2008-2013 insgesamt 136 Mio € zur Verfügung: 74 Mio € für Investitionen und 62 Mio € für Betriebskosten. Alle Bundesmittel sollen ungeschmälert den Kommunen zu fließen. Das Land will sich mit 46 Mio€ für Investitionen und 62 Mio € für Betriebskosten beteiligen. Für den Ausbau der Tagespflege kommen bis 2013 weitere 5 Mio € hinzu. Die Investitionsmittel des Bundes stehen schon 2008 zur Verfügung; die Betriebskosten von Bund und Land fangen erst 2009 an zu fließen. Dafür sind im Doppelhaushalt 2009/10 10Mio € zur Finanzierung der Betriebskosten und 2Mio € für den Ausbau der Tagespflege vorgesehen.

So also sieht die Faktenlage aus. Und auch hier meldet sich ganz schnell eine Diskussion unter der Überschrift: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Richtig ist natürlich, dass dies alles für Schleswig-Holstein ein gewaltiger finanzieller Kraftakt ist. Von daher wird keiner erwarten können, dass alles auf einmal geregelt sein wird. Bedenklich stimmt uns aber, dass es bisher nicht gelungen ist, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, so dass für Eltern, Träger und Kommunen ein Gesamtkonzept zur Verfügung steht. Denn die überzeugend wirkende Darlegung der Faktenlage täuscht darüber hinweg, dass es Ende Februar anscheinend immer noch keinen konkreten Termin für den Beginn des Antrags- und Förderverfahrens gibt. Die Gespräche laufen noch, können wir dem Bericht entnehmen, weil es weiterhin Klärungsbedarf gibt – zur Auslegung der Verwaltungsvereinbarung und zur Programmabwicklung.

Angesichts der knappen finanziellen Mittel beim geplanten Krippenausbau kann es in diesem Zusammenhang schon verwundern, dass sowohl die CDU als auch die SPD im Vorfeld der Kommunalwahl mittelfristig ein beitragsfreies 3. Kindergartenjahr versprechen. Die Große Koalition sollte also schleunigst klären, was sie unter „mittelfristig“ versteht und wie das beitragsfreie Kindergartenjahr finanziert werden soll – eben auch vor dem Hintergrund der anstehenden Kosten für den Ausbau der Kinderbetreuung für Unter 3 Jährige. Alles andere kann man den Eltern in Schleswig-Holstein nicht bieten.

Wie die Situation vor Ort bei den Trägern der Kindertageseinrichtungen ankommt, zeigte kürzlich ein Artikel der Flensburger Nachrichten, wo bemängelt wurde, dass der Ausbau der Betreuungsangebote für die Kleinsten nur schleppend voran kommt, eben wegen der ungeklärten Finanzierung. Dazu kommt für die Träger das grundsätzliche Problem der Betriebskosten, denn trotz aller Förderung sieht es so aus, dass bei den Trägern eine jährliche Deckungslücke von rund 2000 € pro Krippenplatz hängen bleibt.

Aus Sicht des SSW bleibt somit die Feststellung, dass es trotz anderer Verlautbarungen der Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Planungssicherheit für Kommunen, Träger und auch Eltern gibt. Mag sein, dass im Ländlichen Raum hinsichtlich des konkreten Ausbaus an Kinderbetreuungsplätzen noch keine ganz große Eile geboten ist. In den Städten sieht die Situation anders aus. Es gibt lange Wartelisten und die Frustration über noch offene Fragen zum konkreten Verfahren wächst täglich.

Ich möchte heute im Zusammenhang mit dem Krippenausbaus einen anderen wichtigen Punkt ansprechen. Denn nicht von der Hand zu weisen ist, dass die momentane Betreuungseuphorie den Blick auf Probleme der Tagespflege verstellt hat. Die CDU, genauer Jörg Hollmann, hat als Geschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, auf das Problem der unzureichenden Berücksichtigung der Tagesmütter hingewiesen. Er bedauert, „dass der Bundesgesetzgeber lediglich Investitionskostenzuschüsse für Krippengruppen in Einrichtungen aber nicht für Tagesmütter vorsieht“. Er fordert eine „Gleichbehandlung“ beider Betreuungsformen.

Der SSW stimmt Hollmann überhaupt nicht zu, wenn er sagt: „Die jetzige flexible und bedarfsorientierte Ausbildung für Tagespflegepersonal ist ausreichend.“ Das ist sie eben nicht. Tagesmütter sind keine Arbeitskraftreserve, die man nach Bedarf ein oder ausstellen kann wie eine Leselampe. Tagespflege ist ein Beruf, den es zu systematisieren gilt. Es gibt ländliche Bereiche, wo die Kinderzahl so gering ist, dass sich die Einrichtung einer Krippe nicht lohnt. Dort sind Tagesmütter die beste Alternative. Aber auch in diesen Fällen brauchen sie für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit eine professionelle Basis.

Davon sind wir noch weit entfernt. Tagesmutter zu werden, gelingt heutzutage fast im Handumdrehen. Einige Sozialzentren drängen arbeitslose Frauen geradezu in diese Form der Beschäftigung. Angesichts der 5.000 neu zu schaffenden Plätze wird der Druck enorm zunehmen, weil arbeitslose Frauen so wunderbar ins Bild der flexiblen Tagesmutter passen. Ich befürchte, dass wir damit einigen Frauen zu viel zumuten, wenn wir ihnen keine professionelle Unterstützung anbieten.

Wer gute Betreuung leistet, muss auch gut bezahlt werden! Es gibt zwar in einigen Großstädten Tagesmütter-Vereine, die gelernte Pädagogen vermitteln. Aber auch sie können nicht diese Verdienstmöglichkeiten bieten wie das zum Beispiel die dänischen Kommunen tun. Wenn wir einen Neuanfang bei der Betreuung der Kleinsten machen, müssen wir ein flächendeckendes Angebot bieten, den Beruf der Tagesmutter professionalisieren und endlich das schreckliche Wort von der „Kinderkrippe“ entsorgen. Kleine Kinder wollen und brauchen mehr als Wickeln und Füttern.



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