Rääde · 10.12.1997 Lage, Perspektive und Stärkung der Hauptschulen

Die beiden Anträge zu diesem Tagesordnungspunkt betreffen die Hauptschulen. Zum Einen wird ein Bericht der Landesregierung eingefordert. Mit dem zweiten Antrag soll die Stärkung der Hauptschule erreicht werden.

Für mich ist es deshalb ganz entscheidend, schon am Anfang meines Redebeitrags für den SSW zu unterstreichen, daß unser bildungspolitisches Ziel nach wie vor die ungeteilte Schule ist. Wir meinen nicht, daß es möglich ist, Schüler zum Lernen zu motivieren, die den Eindruck haben, daß sie die übriggebliebenen Verlierer sind. Die Hauptschule ist zur Restschule geworden. Als solche macht sie aus unserer Sicht keinen Sinn.

Seitdem ich diesem Landtag angehöre, ist viel Zeit auf die Hochbegabten verwendet worden. Sie sollen gefördert werden. Förderung meint, ihnen ständig neue Herausforderungen zu bieten. Herausforderungen in diesem Sinne scheint für einige Politiker in diesem Hause gleichbedeutend mit einer Isolierung der Bildungselite in unserem Lande zu sein. Daß es für Hochbegabte eine Herausforderung darstellen könnte, lernschwachen Schülern unter die Arme zu greifen, ist so gut wie gar nicht zur Sprache gekommen. Dabei sollte es allmählich bekannt sein, daß der Leistungsabfall bei Hauptschülern unmittelbar nach der Trennung von ihren Mitschülern nicht unerheblich ist. Die Vorbilder, die die Schüler bisher zum Lernen motiviert haben, sind ja nicht mehr vorhanden. Die Schüler, an denen man sich orientieren konnte, besuchen jetzt andere Schulen. Es ist bedauerlich, daß man im heutigen Deutschland nach wie vor an dem dreigliedriegen Schulwesen festhält.

In den Zeiten der Rechtschreibreform ist viel über vorhandene oder nicht vorhandene Kompetenzen der Kultusministerkonferenz gesprochen und geschrieben worden. Dabei ist auf die Geschichte, auf das Zustandekommen der Kultusministerkonferenz eingegangen worden. Es ist ganz interessant, daß die Amerikaner bereits vor über fünfzig Jahren das deutsche dreigliedrige Schulsystem für völlig überholt und dringend reformbedürftig hielten.

Leider sind wir heute - über 50 Jahre danach - immer noch nicht weitergekommen. Nach dem Motto: „Wir machen uns für die Hauptschule stark,“ wird uns von der CDU ein Entschließungsantrag präsentiert, in dem es heißt, daß die Hauptschule im System des gegliederten Schulwesens ihre eigenständige Rolle behalten muß.
In 38 Jahren CDU-Alleinherrschaft ist in Sachen Schulpolitik nichts Wesentliches zur Veränderung des Systems geschehen. Deshalb hielt der SSW das Schulsystem nach dieser langen Zeit für äußerst reformbedürftig. Ich will nicht leugnen, daß seitdem vieles passiert ist. Mit unserer Forderung nach der ungeteilten Schule sind wir aber leider - auch im Ansatz - nicht weitergekommen.

Eines steht felsenfest: unser finanzieller Spielraum ist gewissermaßen nicht mehr existent. Wir müssen bei alledem, was wir gerne machen möchten, ständig die Frage nach den Kosten stellen. Das ist es, was die derzeitige Politik im Lande prägt. Wenn aber Einsparmöglichkeiten auf der Hand liegen, dann frage ich mich, warum von ihnen nicht Gebrauch gemacht wird.

Die CDU hat in der Vergangenheit betont, daß die schulartübergreifende Lehrerfortbildung am IPTS nicht funktioniere. Statt sich daran festzuhalten, könnte man natürlich auch in umgekehrter Weise vorgehen und fragen: Wenn mit der Abschaffung des dreigliedrigen Schulwesens massive Einsparungen verbunden sind, warum fangen wir dann nicht allmählich damit an?

Der Berichtsantrag der SPD zur Lage und Perspektive der Hauptschulen in Schleswig-Holstein beinhaltet viele interessante Fragen. Ich würde mich freuen, wenn man ihn als Signal verstehen könnte, etwas verändern zu wollen. Sollten die Erkenntnisse, die sich aus dem angeforderten Bericht ergeben könnten, eine eindeutige Sprache sprechen, dann hofft der SSW, daß eine Arbeit in diesem Sinne begonnen wird. Dann hoffen wir, daß man sich in diesem Hause überlegen wird, ob es nicht an der Zeit ist, sich von der Hauptschule zu verabschieden. Unter diesem Aspekt stimmen wir dem Berichtsantrag der SPD gerne zu.

Alle Schüler - gleich welcher Schulart - haben eines gemein: Sie müssen früher oder später ihren Alltag in der Welt meistern, in der wir nun einmal leben. In dieser Welt gibt es viele verschiedene Menschen: es gibt Hochbegabte, es gibt weniger Begabte, es gibt Analphabeten und so weiter. Alle diese Menschen haben bestimmte Begabungen und alle diese Menschen haben auch bestimmte Schwächen. Wichtig ist, daß die Kinder von heute - die Erwachsenen von morgen nicht verlernen, daß man miteinander reden können muß. Zu dieser Fähigkeit kann eine frühe Isolation von Kindern nicht beitragen.

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