Speech · 21.05.2025 Medienbildung gehört zu allen Fächern
„Wir müssen zunächst für alle Schulen einen verlässlichen Maßnahmenkatalog erstellen: mit sehr konkreten Angeboten und vor allem mit einer zuverlässigen Finanzierung. Vor einer Orientierung der Fortbildungsangebote der Lehrerinnen und Lehrer, wie im Antrag gefordert, müssen belastbare Fortbildungsplanungen erstellt werden, die sicherstellen, dass in absehbarer Zeit alle Lehrkräfte digitale Kompetenzen erwerben können.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 17 - Durchgehende Medien- und Demokratiebildung in der Schule (Drs. 20/2953)
Bevor ich auf den Antrag eingehe, möchte ich nur darauf hinweisen, dass wir uns nicht damit beschäftigen müssten, was Fakenews, Hatespeech und Mobbing im Netz bei Kindern und Jugendlichen anrichten, wenn die Plattformbetreiber endlich einen effektiven Jugendschutz installieren würden. Da ist aber der europäische Gesetzgeber gefragt. Er muss dafür sorgen, dass seine Gesetze auch umgesetzt werden. Doch nun zum vorliegenden Antrag, der mehr Medienbildungsangebote der Schulen fordert. Viele Schulen haben nicht einmal die nötige Ausstattung dafür – und viele Schülerinnen und Schülerinnen auch nicht. Immer noch wird in Ermangelung digitaler Technik mit Tageslichtprojektor und Kreidetafel gearbeitet.
Die Weiterbildung der Lehrkräfte konnte noch nicht flächendeckend angeboten werden und die Wartung bestehender Geräte ist in den wenigsten Schulen mit einer eigenen Stelle gesichert.
Kein Wunder, dass die Schulen über solche Anträge, die ihnen mehr Aufgaben aufbürden, ohne das mit einer Struktur zu unterfüttern, nicht gerade begeistert sind.
Medienbildung gebührt die absolute Priorität Nr. 1. Daran besteht wohl im Plenum kein Zweifel. Doch wie wir das umsetzen, und dabei nicht die Kinder aus armen und bildungsfernen Elternhäusern zurücklassen, ist nach wie vor umstritten. Im Großen und Ganzen ist es den Schulen in den letzten Jahren ausgesprochen gut gelungen, innovative Konzepte zu entwickeln und zu etablieren, wie die schriftliche Anhörung zur Medienbildung zeigte. Dabei haben einzelne Schulen wirklich bahnbrechendes geleistet. Nun ist es an uns, die entsprechenden Rahmenbedingungen für alle Schulen, auch die Berufs- und Förderschulen, zu installieren.
Ich möchte an dieser Stelle einen Punkt vertiefen: die Einbindung der Eltern. Die Eltern sind in den Familien die Vorbilder, was die Mediennutzung angeht. Doch die wenigsten Eltern wissen, was sich ihre Kinder anschauen oder hochladen. Zwar gibt es Tipps um einen kontrollierten Internetzugang, aber da geht es meist darum, dass das Handy nicht mit ins Bett genommen werden soll. Mit was die Kinder konfrontiert werden, bekommen die Eltern meist nicht mit – und wenn, verstehen sie oftmals nicht, was sie da sehen. Die Internetcodes und Verweise richten sich dezidiert an junge und sehr junge User. Die Eltern sehen auf dem Bildschirm Unverfängliches und scheitern an deren Entschlüsselung. Schulen können aber die Medienbildung der Eltern nicht auch noch übernehmen. Das können Elternversammlungen nicht leisten; einmal davon abgesehen, dass nicht-deutschsprachige Eltern, um nur eine Gruppe zu nennen, sowieso nur schwer ansprechbar sind. Ich verstehe den Antrag als einen Impuls für eine vertiefende Auseinandersetzung mit erheblichen Verbesserungsbedarf. Wir müssen zunächst für alle Schulen einen verlässlichen Maßnahmenkatalog erstellen: mit sehr konkreten Angeboten und vor allem mit einer zuverlässigen Finanzierung. Vor einer Orientierung der Fortbildungsangebote der Lehrerinnen und Lehrer, wie im Antrag gefordert, müssen belastbare Fortbildungsplanungen erstellt werden, die sicherstellen, dass in absehbarer Zeit alle Lehrkräfte digitale Kompetenzen erwerben können. Die Einführung eines Faches Medienbildung halte ich aus pädagogischer Sicht für falsch. Eingeklemmt zwischen einer Stunde Deutsch und einer Doppelstunde Physik ist Medienbildung genau dort, wo wir es nicht haben wollen: zwischen allen Stühlen. Das wäre so, als wenn wir Schreiben und Recherche als Fächer unterrichten würden. Medienbildung gehört zu allen Fächern, sogar zum Sportunterricht, wenn es beispielsweise um gute YouTube-Videos geht. An den Universitäten ist Mediennutzung inklusive Recherche und Didaktik inzwischen gelebter Alltag – jetzt müssen die Schulen nachziehen können, wenn wir ihnen die entsprechenden Mittel geben.