Rääde · 31.05.2001 Neue Wege in der Drogenpolitik: HORIZONT

„Drogenpolitik heißt, aus unzureichendem Wissen die richtigen Schlüsse zu ziehen,“ hat einmal ein leitender dänischer Drogenfahnder gesagt, und damit ist wohl die Grundlage der heutigen Diskussion benannt. Das Wissen um die Hintergründe der Drogenprobleme ist noch sehr begrenzt. Sei es das Wissen um die Entstehung von Abhängigkeit, die Entwicklung und Beeinflussbarkeit von Drogenkarrieren, die Wirkung des Drogenstrafrechts oder die Arbeitsgrundlagen der Drogenhilfe: Kaum ein Feld in dem die Wissenslücken nicht erschrecken lassen angesichts der Dringlichkeit der Drogenproblematiken. Es scheint, als hätte unsere Gesellschaft die Drogenanhängigkeit zum Randgruppenproblem erklärt, in das man nicht so viele Ressourcen von Wissenschaft und Forschung investieren muss. Gerade angesichts der Entwicklung des Drogenkonsums hat dieses soziale Problem aber größte Aufmerksamkeit verdient.

Es muss sehr viel getan werden um die Forschung und das Wissen um die Drogen zu mehren. Aus dieser Perspektive ist die Einführung des Dokumentationssystems HORIZONT natürlich sehr begrüßenswert. Es bietet die Chance, endlich eine einigermaßen zuverlässige Datengrundlage für die Drogenpolitik in Schleswig-Holstein zu schaffen, wodurch auch die Qualität, die Effektivität und Effizienz der Drogenhilfe verbessert werden kann.

Dieses ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Die Einführung von HORIZONT hat in der Drogenhilfe selbst erhebliche Unruhe verursacht, und das ist zunächst ein Problem für die Politik.

- Zum einen wird befürchtet, dass dadurch erheblicher Mehraufwand besteht, dass Arbeitszeit in Anspruch genommen wird, die den Klienten abgeht. Die Professionalisierung durch HORIZONT ist aber unumgänglich. Allerdings wird genau zu beachten sein, ob der Mehraufwand wirklich vertretbar ist, oder ob er kompensiert werden muss. Weder die Studie zum Modellprojekt noch der Bericht der Landesregierung gehen in ausreichender Weise auf diese Einwände ein.

- Zum anderen wird befürchtet, dass dieses System genutzt werden könnte, um die Angestellten zu kontrollieren. Mithin stellt sich auch die Frage des Datenschutzes in Verbindung mit Klientendaten. Wir haben aber volles vertrauen darin, dass verantwortungsvoll mit diesen Daten umgegangen wird.

- Und drittens: Es ist explizites Ziel der Einführung von Horizont, die Grundlage für ein effektiveres und effizienteres Hilfesystem und für neue Abrechnungsmodi zu schaffen. Auch das schafft Verunsicherung. Wir brauchen aber eine bessere Datengrundlage, mit der wir Arbeitsabläufe in Drogenhilfeeinrichtungen bewerten und die Grundlage für neue Abrechungsformen legen.
Wir leben in einer Zeit, wo die Sozial- und Gesundheitspolitiker gegenüber den Finanzpolitikern sehr gut Argumentieren müssen, wenn sie Geld für ihre Politik haben wollen. In Zeiten der Knappheit drohen gerade jene Gruppen „hinten runter“ zu fallen, die keine Lobby haben. Um die Drogenhilfe hier abzusichern brauchen wir gute Argumente, und dafür brauchen wir zuverlässige Daten. Auch wir sehen allerdings die Gefahr, dass die direkte Verkoppelung von HORIZONT-Dokumentation und neuer Finanzierung die Datenqualität beeinflusst. Sie könnte zu unsachgemässem Umgang mit der Dokumentation verleiten, weil die Befürchtung besteht, dass die Daten als Begründung für Kürzungen her halten müssen. Hier wäre also zu fragen, ob diese direkte Verkoppelung von Dokumentation und Reform der Finanzierung sinnvoll ist, und wie die Regierung solche möglichen Nebeneffekte begegnet. Auch darauf erwarten wir noch eine Antwort.

Allgemein gilt aber, dass HORIZONT eine eindeutige Verbesserung ist. Es ist nachvollziehbar, dass die Einführung von Horizont nicht nur von frenetischem Jubel begleitet wird, sondern von im Gegenteil vielerorts von deutlicher Skepsis. Trotzdem können wir uns alle nicht einer Drogenpolitik entziehen, die auf der Grundlage von Evaluation die Hilfen noch effektiver gestalten will, um in knappen Zeiten die Qualität der Leistungen nicht verschlechtern zu müssen.

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