Rääde · 31.05.2006 Pflegewissenschaft und -forschung in Schleswig-Holstein

In den letzten Jahren hat sich die Pflege entscheidend weiterentwickelt. Noch vor wenigen Jahren mussten die Altenpflegeschülerinnen ihre Ausbildung selbst bezahlen und nicht einmal das war eine Garantie für eine professionelle Qualifizierung. Die Altenpflegeausbildung bot ein wildes Durcheinander: jedes Bundesland suchte nach eigenen Lösungswegen. Als dann aber das Interesse an dem Beruf nachließ und die fortschreitende Professionalisierung der Pflegeberufe vor allem im angelsächsischen und skandinavischen Raum auch bei uns nicht mehr zu übersehen war, wurden entscheidende Veränderungen angegangen.

Ich möchte diesen großen Reformwillen und auch die Umsetzung wichtiger pflegerischer Standards noch einmal in Erinnerung rufen. Der Weg war weit und trotz vieler Unkenrufe hat sich das Berufsbild in der Altenpflege gründlich verändert: die Universitäten in Berlin, Freiburg oder auch in Witten-Herdecke haben durch ihre Forschungen geholfen, die Qualität der Pflege zu verbessern. Die Veröffentlichungen werden eifrig gelesen und auch umgesetzt. Wie auch in der Pädagogik oder der Krankenpflege hat sich auch in der Altenpflege die Erkenntnis herumgesprochen, dass eine solide Weiterbildung unabdingbar ist.
Die Verweildauer im Beruf steigt und die Zufriedenheit wächst. Das alles kommt auch den Menschen zu Gute, um die es geht: den Alten. Doch man darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, denn der entscheidende Schub steht uns noch bevor: die Akademisierung der Altenpflege.

Altenpflege hat jahrelang das Image der Sterbe- und Hinfälligenpflege gehabt, die sich von der medizinisch geprägten Krankenpflege gründlich unterscheide, weil sie den Zustand der Patienten nicht verbessern könne. Heute wissen wir, dass das Humbug ist: eine qualifizierte Altenpflege kann dem alten Menschen neue Perspektiven eröffnen, ihn gesundheitlich stärken und vor allem in der Prävention segensreich wirken.

Es stünde daher Schleswig-Holstein gut zu Gesicht, die Pflegewissenschaft in die Initiative Gesundheitsland Schleswig-Holstein zu integrieren. Weg mit den überholten Vorurteilen! Wir sollen die neue Kooperation sinnvoll umsetzen, denn auf diese Weise ziehen wir interessierte Studierende ins Land. Dazu bedarf es weiterer, intensiver Forschung. Der SSW unterstützt daher die Einrichtung einer Stiftungsprofessur ausdrücklich. Auch wenn wir wissen, dass damit eine langfristige Finanzierung einer solchen Professur immer noch nicht geregelt wäre. Trotzdem wäre dies ein erster Schritt, zumal man an der Uni Lübeck der Idee durchaus aufgeschlossen gegenüber steht. Allerdings muss auch das Land hier ein finanzielles Signal setzen. Denn schließlich zählt die Uni Lübeck derzeit zu den Verlierern des Anreizbudgets. Wer eine universitäre Ausbildung in diesem Bereich will, muss dann auch für die finanziellen Grundlagen sorgen. Hier hat die Landesregierung eine wichtige Zukunftsaufgabe, derer sie sich annehmen muss.

Eine qualitativ gute Pflege kommt nicht nur den Alten zu gute, sondern auch den Altenpflegern, die wieder mehr Spaß am Beruf gewinnen. Nebenbei erhöhen sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Dennoch haben sich die Vorteile einer professionellen Pflege noch nicht überall herumgesprochen, ansonsten wäre die Finanzierung des Pflege-Instituts schon lange unter Dach und Fach. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen achtet bei seinen Besuchen in den Einrichtungen zunehmend auf diese Faktoren. Jetzt müssen nur noch die Finanziers begreifen – und das sind überwiegend die Pflegekassen -, dass ausgebildete Pflegemanager viel Geld sparen können. Das System muss umsteuern! Pflege muss professionalisiert werden.

Doch die Realität in unseren Heimen sieht noch lange nicht nach Akademisierung aus. Der einzige Akademiker in einem Heim ist meistens der Verwaltungsleiter. Absolventen des zukünftigen Pflege-Instituts müssen die Heime erst einmal davon überzeugen, für sie eine Stelle zu schaffen. Das dürfte ihnen nicht schwer fallen: Die Kostenargumente haben sie ja auf ihrer Seite. Das Land muss aber endlich Nägel mit Köpfen machen und die Voraussetzungen für eine professionelle Altenpflege schaffen.

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