Rääde · 16.07.2008 Sicherung des Schleswig-Holsteinischen Tariftreue-Gesetzes


Dass im April ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Tariftreue gefällt wurde, hat zu manchen Missverständnissen geführt. Manch einer sah das Urteil als Einstieg in den Ausstieg aus der Tariftreue an. Was steckt nun aber wirklich hinter dem Urteil. Erst einmal können wir politisch schlussfolgern, dass das, was wir alle gemeinsam noch vor kurzen abgelehnt haben – nämlich das Herkunftslandprinzip aus dem ursprünglichen Entwurf der EU-Dienstleistungsrichtlinie – hier durch die Hintertür wieder eingeführt wird. Aber weil wir dieses als fatal für unsere Wirtschaft und unsere Beschäftigten abgelehnt haben, müssen wir natürlich auch entsprechend auf die neue Rechtssprechung des EuGH reagieren.

Ein erster Schritt mit einer mittelfristigen Zielsetzung wäre, dass wir als Land Schleswig-Holstein auf Bundesebene eine Initiative einbringen, um die europäische Gesetzgebung zu ändern, damit unzweideutig klar ist, dass die Tariftreue uneingeschränkt gelten muss. Dies ist natürlich ein Ziel, dass nicht von heute auf morgen umzusetzen ist, aber es darf nicht sein, dass politisch gewollte Strukturen durch einen einzigen Richterspruch ins Gegenteil verkehrt werden können. Dann ist es Aufgabe der Politik ein deutliches Signal zu setzen und darauf hinzuwirken, dass die rechtlichen Grundlagen geändert werden.

Viel wichtiger ist aber, dass wir uns sehr genau ansehen, was heute immer noch möglich ist. In Hamburg hat man sehr klar festgelegt, dass das dortige Vergabegesetz weiterhin anzuwenden ist. Und das Gleiche müssen wir natürlich bei uns auch tun. Der EuGH verlangt, dass nur noch Löhne eingefordert werden können, die auf einer gesetzlichen Grundlage zustande gekommen sind. In erster Linie sind dies erst einmal die Löhne, die im Arbeitnehmerentsendegesetz verankert sind. Diese Mindestlöhne für die entsprechenden Branchen können auf jeden Fall eingefordert werden. In Bezug auf unser Tariftreuegesetz wären dies zum Beispiel die Löhne aus den Bauhauptgewerbe, dem Malerhandwerk, dem Abbruchgewerbe oder auch dem Dachdeckerhandwerk. So macht es auch Hamburg.

Hierdurch wird aber nur der Mindestlohn abgesichert und nicht der vor Ort gültige Tariflohn. Im Urteil des EuGH wird aber deutlich gesagt, dass Löhne, die als allgemeinverbindlich vereinbart sind, auch gelten können, weil sie eine gesetzliche Grundlage haben. Damit sind aber nicht nur Löhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz gemeint, sondern man kann auch andere Löhne mit aufnehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen können die allgemeinverbindlichen Löhne auch auf Landesebene vereinbart werden. Der Bundesarbeitsminister kann diese Kompetenz auf seinen Länderkollegen übertragen und dieser kann dann das formale Verfahren in Gang setzen. Wir sind der Auffassung, dass genau dieses auch geschehen sollte, damit den Unternehmen und Beschäftigten in unserem Land geholfen werden kann.

Damit würden wir niemanden etwas vorschreiben, weil die Tarifpartner sich ja immer noch einigen müssten, ob sie einen allgemeinverbindlichen Lohn haben wollen oder nicht. Außerdem wären ja auch noch weitere Kriterien zu erfüllen; wie zum Beispiel, dass mindesten 50% der Beschäftigten eines Gebietes vom Tariflohn umfasst sein müssten.
Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, dass sich gerade auch die Arbeitgebervertreter des Baugewerbes und der Bauindustrie in Schleswig-Holstein für das Tariftreuegesetz eingesetzt haben und auch andere Arbeitgebervertreter aus anderen Branchen hinter dem Gesetz stehen, sollte dies keine unüberwindbare Hürde darstellen. Auch die Gewerkschaften sehen diese Vorgehensweise positiv, so dass wir mit einer sachbezogenen Diskussion unter Federführung unseres Arbeitsministers rechnen können. Diese Chance sollten wir im Interesse der Unternehmen und der Beschäftigten nutzen.

Wir können uns in jedem Fall nicht leisten, das Ganze auf die lange Bank zu schieben und das Problem auszusitzen. Eine Handlungsanweisung, wie sie nun die Landesregierung herausgebracht hat, reicht nicht aus, weil sie nicht auf die Rechtslage einwirkt. Sie ist nur eine Reaktion auf ein Urteil, aber keine Aktion zur Verbesserung der Situation. Wenn die Landesregierung weiter die Hände in den Schoß legt, werden wir in Schleswig-Holstein Arbeitsplätze verlieren und Unternehmen bei Ausschreibungen in Schwierigkeiten bringen. Das kann nicht Ziel der Landesregierung sein, zumal die SPD sehr deutlich im Kommunalwahlkampf gesagt hat, dass sie für Tariftreue ist. Diesen Worten müssen nun aber auch Taten folgen. Aber auch die CDU spricht sich immer wieder für unsere regionalen Unternehmen aus und dann kann man diese jetzt nicht hängen lassen.

Wir als SSW wollen, dass unsere Unternehmen weiterhin die Chance haben, an einem fairen Wettbewerb ohne Lohndumping teilzuhaben und dass die dort Beschäftigten und ihre Familien Zukunftsperspektiven haben. Dies geht bei öffentlichen Aufträgen aber nur, wenn die Politik handelt und weiterhin für vernünftige Rahmenbedingungen sorgt. Wir zeigen mit unserem Antrag auf, dass man dieses Ziel gemeinsam mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern erreichen kann und welchen Weg man hierfür gehen muss. Es liegt jetzt an der Mehrheit hier im Hause, den Betroffenen diese Chance auch zu geben. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir.



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