Speech · 30.05.2001 Stärkung von Familien mit Kindern

Wer gehofft hat, das viele Gerede der letzten Monate über die Bedeutung der Familien läute jetzt die große familienpolitische Renaissance ein, muss sich natürlich getäuscht sehen. Es geht dabei nicht zuerst um familienpolitische Vernunft. Es geht zuvorderst um die politische Profilierung, um die Erfüllung von Wahlversprechen und die Umsetzung eines Verfassungsgerichtsurteils.

Deshalb scheut die Bundesregierung auch nicht davor zurück, mit der einen Hand großzügig eine hart erkämpfte Kindergelderhöhung um 30 DM anzukündigen, und gleichzeitig mit der anderen Hand familienwirksame Leistungen zu kürzen. Wir werden dem FDP-Antrag zustimmen, auch wenn wir der Meinung sind, dass die 30 DM Kindergelderhöhung letztlich bei weitem nicht entscheidend für die Familienpolitik sein werden. - 30 Mark, die übrigens auch noch bei den ökonomisch schwächsten der Familien auf die Sozialhilfe angerechnet werden.

Wir erkennen trotz allem an, dass die Bundesregierung gewisse Bemühungen unternimmt, um die finanzielle Lage der Familien zu verbessern. Das ändert allerdings nichts daran, dass die starke Fokussierung auf Geldleistungen in der Familienpolitik der Bundesrepublik nicht die richtige Basis für eine zukunftsträchtige Förderung und Stärkung von Familien mit Kindern ist.

Selbstverständlich muss das Familienurteil des Bundesverfassungsgerichts erfüllt werden. Die Politik muss endlich die finanziellen Belastungen der Familien berücksichtigen und honorieren. Aber das reicht nicht aus.

Auch ökonomisch macht die bestehende Politik der groß angekündigten Kindergelderhöhungen keinen Sinn, denn Kindergeld kann nicht annähernd ausgleichen, was Kinder kosten. Wir haben das Beispiel schon früher angeführt: Während Frauen in Dänemark nur auf knapp 20 % des durchschnittlichen Lebenseinkommens verzichten müssen, wenn sie zwei Kinder bekommen, „kostet“ ein Kind einer deutschen Frau durchschnittlich 1/3 und zwei Kinder schon die Hälfte des durchschnittlichen Lebenseinkommens.

Das liegt nicht daran, dass man dort großzügig die Familien alimentiert. Im Gegenteil. Die Geldleistungen für Kinderfamilien in Dänemark gehören allenfalls zum europäischen Mittelfeld. Der ökonomische Vorteil der Frauen in Dänemark beruht vor allem darauf, dass Mütter nördlich der Grenze schnell wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können, weil die Kinderbetreuungsangebote stimmen. Diese und weitere Dienstleistungen für Eltern und Kinder haben mit dazu geführt, dass die Geburtenrate nördlich der Grenze positiver ist als hierzulande.

Der Weg zur Stärkung der Familie und mehr Kindern geht über familienentlastende und -unterstützende Dienstleistungen und Rechtsansprüche für Eltern. Das haben uns die nordischen Länder vorgemacht, und das ist auch einer der letzten Dinge, die wir aus der Politik der ehemaligen DDR lernen können.

Es wird höchste Zeit, dass die Familienpolitik in Deutschland insgesamt auf den Prüfstand gestellt wird.
Die heutigen Maßnahmen beruhen auf dem Subsidiaritätsprinzip des katholischen Familienbilds: Die Hilfskapazitäten der Familie müssen erschöpft sein, bevor die Gesellschaft einspringt. Das ist der falsche Weg, wenn man Anreize dafür setzen will, Familien zu gründen und mit Kindern zu leben. Denn maßgeblich hierfür sind nicht in erster Linie möglichst hohe Geldleistungen, obwohl vor allem Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern natürlich eine finanzielle Entlastung brauchen.

Entscheidend wird vor allem sein, inwiefern die Politik es schafft, durch sozial-, gesundheits- und wohnungspolitische Maßnahmen jene Belastungen zu kompensieren, die durch die Verantwortung für Kinder bestehen. Dafür reichen 300 DM Kindergeld nicht aus. Wichtig sind vor allem Dienstleistungen, Infrastruktur und Rechte, die in der deutschen Familienpolitik bisher unterentwickelt sind.

Bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung, gute Beratungsangebote, eine sinnvolle Wohnungspolitik, Elternurlaubsrechte und flexible Arbeitszeiten werden tatsächlich zu einer neuen Blüte der Familie in Deutschland beitragen können. Mehr Geldleistungen und Freibeträge für die Familien allein werden dafür kaum ausreichen.

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