Rääde · 14.09.2007 Stellungnahme des Landes zum Börsengang der DB AG


Wenn man sich den Beschluss des Landtags vom März 2007 ansieht, dann hat die angedachte Lösung zur Neuorganisation der Eisenbahnen auf Bundesebene nichts mit dem zu tun, was wir als Landtag hier beschlossen haben. Uns ging es darum, dass das Netz im Eigentum des Bundes verbleibt und – ich zitiere: „Die DB AG soll bis auf Weiteres die integrierte Bewirtschaftung und Betriebsführung des Netzes wahrnehmen.“ Von Eigentumsübertragung oder ähnlichem steht im Beschluss des Landtags nichts. Und hier genau liegt der Hase im Pfeffer.

Zwar bleibt der Bund die nächsten 15 Jahre auf dem Papier der juristische Eigentümer des Netzes und der Bahnhöfe, aber das wirtschaftliche Eigentum geht schon einmal auf die Deutsche Bahn AG über. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen unseren Beschluss und damit ist auch die Landesregierung gebunden und muss dieses Modell entsprechend ablehnen. Auch der Bundestag hat seinerzeit einen Entschließungsantrag beschlossen, der der DB AG zwar ein starkes Nutzungsrecht gewährt, aber kein wirtschaftliches Eigentum zulässt. Also auch der Bundestag muss hier noch einmal nacharbeiten lassen.

Nun hat der Bundesrat zwar ein Gutachten in Auftrag gegeben, das bis zum 15. September fertig sein soll und in dem dann viele der aufgeworfenen Fragen geklärt werden sollen, aber trotzdem müssen wir hier als Landtag handeln und ein politisches Signal setzen. Deshalb sind wir ausdrücklich dankbar für den Antrag der Grünen, die genau dieses Signal setzen wollen und die vor allem auch eine schlimme Entscheidung für unser Land verhindern wollen. Schließlich ist der bisherige geänderte Gesetzentwurf der Großen Koalition in Berlin noch nicht aus dem Verfahren genommen worden.

Welche Folgen wären nun mit dem Eigentumssicherungsmodell verbunden, das im Gesetzentwurf verankert werden soll? Da ist zum ersten einmal die Tatsache, dass der eigentliche Eigentümer, der Bund, keine Verfügungsrechte hat, solange der Partner, hier die DB AG, sich vertragskonform verhält. Das hört sich erst einmal logisch an, hat aber ein erhebliches Konfliktpotential. Jeder Vertrag, den man abschließt, hat Regelungslücken oder Auslegungsspielräume, die man erst einmal bei Vertragsabschluss nicht bedenkt. Ist der Vertrag erst geschlossen, hat man keine Einflussmöglichkeiten mehr. Das heißt, die Deutsche Bahn kann 15 Jahre lang schalten und walten, wie sie will und schon einmal die gesamte Übernahme der Infrastruktur vorbereiten.

Als juristischer aber nicht wirtschaftlicher Eigentümer könnte der Bund ebenfalls nicht mehr direkt in die Netzstruktur eingreifen. Man könnte nicht mehr beeinflussen, welche Netze ausgebaut werden und welche nicht. Der wirtschaftliche Eigentümer, die Bahn, wird natürlich erst einmal ein Interesse daran haben, bloß die Netze auszubauen, die auch lukrativ sind. Dort wo vergleichsweise wenig Verkehr stattfindet, in ländlichen Regionen, kann man dann schon einmal auf den Ausbau verzichten bis dann die Strecke irgendwann so marode ist, dass sich das Problem von selbst erledigt.

Und man hätte als Bund dann natürlich auch keinen direkten Einfluss auf den Netzzugang. Zwar hätte man eine Bundesnetzagentur. Aber wie will diese direkt auf einen Betreiber einwirken, der nicht nur die Infrastruktur quasi vom Bund gemietet hat, sondern dann dessen Eigentümer ist. Als Eigentümer würde man sich die Einflussnahme verbitten und natürlich auch Prozessen vor Gericht nicht aus dem Weg gehen. Der Effekt wäre, dass private Verkehrsanbieter nahezu keine Chance mehr hätten, hier noch ein Angebot auf die Schiene zu bekommen.

Nun kann man meinen, lasst es uns doch einmal trotzdem versuchen. Schließlich läuft das Ganze doch nach 15 Jahren aus und dann kann der Bund die Infrastruktur ja immer noch wieder zurück nehmen. Aber wenn der Bund nach Ende der Laufzeit seine Infrastruktur doch zurück haben will, muss er zahlen. Er wäre laut Gesetzentwurf verpflichtet, das so genannte Netto-Reinvermögen, dass die Infrastruktur wert ist, auf den Tisch zu legen. Das wären derzeit irgendwo bei acht bis zehn Milliarden Euro. Ob man das dann politisch will und kann, weiß heute noch kein Mensch. Tut man es nicht, reibt sich die Deutsche Bahn die Hände. Schließlich wird sie dann kostenlos Eigentümer vom Immobilien, Trassen und vielem mehr, das manch einer auf 100 bis 200 Milliarden Euro schätzt. Das wäre das Geschäft seines Lebens für Bahnchef Mehdorn.

Das was derzeit als Gesetzentwurf auf Bundesebene vorliegt, kann so auf keinen Fall beschlossen werden. Dieser Gesetzentwurf ist gegen die Interessen des Landes Schleswig-Holstein gerichtet und muss abgelehnt werden. Und hier erwarten wir von der Landesregierung, dass sie die Interessen des Landes Schleswig-Holstein massiv vertritt und für die Trennung von Netz und Betrieb eintritt, wie es schon der Landtag in der letzten und auch in dieser Legislaturperiode getan hat. Herr Ministerpräsident, lehnen Sie den Gesetzentwurf im Bundesrat ab und liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen sie dem grünen Antrag zu.

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