Rääde · 20.03.2002 Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter

Wir alle empfinden Ohnmacht, wenn wieder einmal ein Mensch brutal aus seinem Leben gerissen wird. Uns alle packt die blinde Wut, wenn ein Kind auf grausamste Weise angegriffen wird. Trotzdem verlangt die Rechtsstaatlichkeit aber auch, dass wir uns um einen kühlen Kopf bemühen. Wir müssen den Täter nüchtern für seine Verbrechen büßen lassen. Letztendlich - das wissen wir doch - kann keine Strafe der Welt eine begangene Untat heilen.

Die Strafe soll den Täter sühnen lassen und dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert. Sie ist verknüpft mit der Hoffnung, dass der Täter wieder zur Besinnung kommt; das Grauen erkennt, das er angerichtet hat, und sein Verhalten ändert. Wenn schon im Gerichtsverfahren erkennbar ist, dass der Täter dazu nicht in der Lage ist, kann eine nachfolgende Sicherungsverwahrung angeordnet werden, so dass die Allgemeinheit vor der Person geschützt wird.

Die CDU schlägt uns jetzt vor, dass man auch zu einem späteren Zeitpunkt eine solche Entscheidung für die Sicherungsverwahrung treffen soll, solange der Täter in Haft ist. Es sollen Men­schen einge­sperrt bleiben, weil jemand von ihnen vorhersagt, dass sie weitere Straftaten begehen könnten. Dieses ist äußerst problematisch, denn die Tat ist ja bereits durch die verhängte Strafe gesühnt. Ein solcher nachträglicher Wunsch auf vorbeugendes Wegsperren steht nicht in Verbindung mit einer konkreten Tat, und es drängt sich die Frage auf, weshalb ein Strafgericht dieses beurteilen soll.

Von der CDU wird als Argument für eine nachträgliche Prüfung der Sicherungsverwahrung ins Feld geführt, dass hierdurch die Therapiebereitschaft der Täter erzwungen werden kann. Damit verkennt sie aber die Bedingungen einer solchen stabilen Verhaltensänderung. Denn es geht um eine permanente Verände­rung von Men­schen, die ohne deren Einsicht und ehrliches Mitwirken nicht stattfinden kann. Das Damokles­schwert der nachträglichen Sicherungsverwahrung könnte ebenso geeignet sein, jeg­liche Motivation zur Veränderung zu nehmen oder die gefährlichen Täter zum bluffen zu verleiten. Der Verweis der CDU auf die Resozialisierung ist falsch. Bei der nachträg­lichen Sicherungs­verwah­rung geht es allein um ein präventives Wegsperren, das lediglich der physischen Ver­hin­derung von ver­mu­teter Kriminalität dienen soll. Dieses steht in deutli­chem Wider­spruch zu unseren rechtsstaat­lichen Werten und den Zielsetzungen einer humanen Strafjustiz.

Das wiegt umso schwerer als die bisherigen spektakulären Fälle gerade zeigen, dass es sich bei den Hoch­gefährlichen in der Regel gerade nicht um Täter handelt, die vorher mit Folgetaten geprahlt haben oder durch fehlende Anpassung in der Haft aufgefallen sind. Es waren Menschen, die gute Führung zeigten und eben nicht auffällig waren. Die nachträgliche Siche­rungs­­verwahrung mag zwar die Stimmungen beruhigen, die Politiker und Medien vorher selbst geschürt haben. In der Sache aber wird sie kaum mehr als eine Scheinsicherheit bringen.

Die Regelungen zur Verhängung von Sicherungs­ver­wah­rung wurden bereits 1998 deutlich verschärft. Außerdem ermöglichen die Unterbringungsgesetze der Länder – auch unser Psychisch Kranken Gesetz – bereits die zwangsweise Unterbringung von gefährlichen Psychopathen, ohne dass diese eine Straftat begangen haben müssen. Trotzdem kommt die De­bat­­te über die nach­trägliche Sicherungsverwahrung immer wieder auf. Dabei fällt auf, dass das Thema zu­meist in zeitlicher Nähe zu Wahlen hervorge­kramt wird. Das gilt leider auch für den jetzt präsen­tier­ten Vorschlag der Bundesregierung, die Siche­rungs­­ver­wahrung unter Vor­be­halt zuzulassen. Eine der­artige Maßnahme mag zwar einen unmittelbarer Bezug zur Tat haben. De facto macht der Vor­stoß der Bun­des­­regierung aber wenig Unterschied und schiebt zudem den Gerichten den Schwarzen Peter zu.

Bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung geht es zuerst um Stimmungsmache, und des­halb wer­den die Änderungsvorschläge kaum etwas verändern. Der nächste Ruf nach wei­te­ren Ver­schär­fungen wird trotzdem nicht ausbleiben; die CDU wird weiterhin nach jeder einzel­nen Tat nach neuen Gesetzen rufen – und den Menschen vorgaukeln, dass dadurch die Verbrechen ver­hindert wer­den. Und es ist unredlich wenn man unter­schlägt, dass auf diese Weise auch Unschuldige für ewig ein­ge­sperrt werden können, die nie etwas begangen hätten. Eine solche Regelung – die bezeich­nen­der­weise erstmals 1933 ermöglicht wurde – ist ein Angriff gegen die Menschlichkeit in unserem Rechtsstaat.

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