Rääde · 15.09.2011 Verfassungsschutzbericht 2010

Die Debatte des Verfassungsschutzberichtes kommt zu einem Zeitpunkt, wo Gedenkfeiern auf der ganzen Welt an die Anschläge vom 11. September 2001 erinnern; im Sommer in Norwegen ein schreckliches Massaker angerichtet und in Berlin zwei mutmaßliche Bombenbauer festgenommen wurden - und wir erneut ein NPD-Verbotsverfahren diskutieren. Wir stehen also tagtäglich vor der Herausforderung, wie die demokratischen Werte unserer Gesellschaft geschützt - und gelebt - werden können. Dabei ist es völlig egal, dass sich der vorliegende Verfassungsschutzbericht inhaltlich gesehen auf das Jahr 2010 bezieht.

2001 wurden die Anschläge in den USA von Nicht-Amerikanern geplant und ausgeführt - von Personen, die mit ihrer Zerstörung der Twin Towers deutlich machten wollten, was sie von den Werten der amerikanischen Gesellschaft - von Demokratie und Freiheit – hielten. Die Antwort der USA auf diese Terroranschläge war der Krieg gegen den internationalen Terror und in den USA eine massive Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte.
2011 wurde der Bombenanschlag in Oslo und das Massaker auf der Insel Utöya von einem Norweger geplant und ausgeführt. - Einem Mann, der die norwegische Gesellschaft und ihre Grundwerte kennt und sie trotzdem zerstören will. Bemerkenswert ist die norwegische Reaktion auf diese Anschläge. Die Norweger reagieren nämlich nicht mit Überwachung und Kontrolle, sondern mit Zusammenhalt und Offenheit. „Die Antwort auf Gewalt ist größere Offenheit, die Antwort auf Terror mehr Demokratie“, sagte der norwegische Premierminister Jens Stoltenberg.

Soll heißen: Der Schutz unserer demokratischen Gesellschaft ist alternativlos - die Art und Weise, wie dies geschieht, ist es nicht. Das Verhältnis von Sicherheit und Freiheitsrechten muss also immer wieder neu austariert werden. Das gilt heute, wo wieder über Vorratsdatenspeicherung diskutiert wird, genauso wie 2001, wo wir in diesem Hause die Antiterrorgesetze der Bundesregierung debattierten. Auch der Einsatz verfassungsrechtlicher Maßnahmen ist Teil dieses Abwägungsprozesses.

Losgelöst von diesen Überlegungen haben die Ereignisse in Norwegen deutlich gemacht, dass wir zukünftig nicht mehr nur mit Terror aus dem Ausland zu rechnen haben; dass vor allem auch Inländer eine Bedrohung sein können. Auch im Verfassungsschutzbericht selbst wird deutlich, dass es in Deutschland vor allem Deutsche sind, die als Anhänger von Extremismus auftreten. Dabei spielt erst einmal keine Rolle, ob es Rechts- oder Linksextremismus oder ein religiöser Extremismus ist. Wichtig ist vor allem für den SSW, wie wir darauf reagieren und vorbeugend tätig werden.

Konkret hebt der Verfassungsschutzbericht hervor, dass die rechtsextreme Szene in Schleswig-Holstein derzeit nicht viel Sprengkraft besitzt und von Ideenlosigkeit und Lähmung geprägt ist. Aber trotzdem bleiben an den verfassungsfeindlichen Zielen der NPD und der Gewaltbereitschaft dieser Szene keine Zweifel. Auch die linksextreme Szene ist von zunehmender Gewalt geprägt und versteht es, anlassbezogen viele Menschen zu mobilisieren, die bereit sind, ihre Ziele mit Gewalt zu erreichen. Und obwohl in Schleswig-Holstein aktuell keine islamistisch motivierte terroristische Struktur vorhanden ist, sind die Bedrohungslage und Terrorbereitschaft islamischer Extremisten ganz klar von Gewalt gegen Demokratie und Freiheit geprägt.

Nutzen wir also die symbolische „Einrahmung“ des vorliegenden Verfassungsschutzberichtes, um das Thema „Verfassungsschutz“ vom Kopf auf die Füße zu stellen. Norwegen macht es uns vor. Es geht nicht um rigidere Gesetze, sondern darum, wie wir unsere Demokratie stärken und sie leben können. Es reicht eben nicht, nur die Verfassung zu schützen. Viel wichtiger ist die Frage, wie wir unsere Gesellschaft organisieren: Demokratie, Respekt und Toleranz gegenüber anderen und uns selbst. Das mag banal klingen, das sind aber die Schlüsselworte, wenn es darum geht, die politische Auseinandersetzung mit Rechts- oder Linksextremisten zu führen und auch dem religiösen Extremismus keinen Nährboden zu geben.

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