Rääde · 28.09.2022 Versorgungssicherheit und Entlastung der Bevölkerung sind das Ziel

„Die Menschen rufen nach Entlastung und die Landesregierung sagt, wir haben Euch verstanden – und saniert dann landeseigene Gebäude, anstatt den Menschen zu helfen!“

Lars Harms zu TOP 2+15+33 -  3. Nachtragshaushaltsgesetz 2022; Ergebnisse des Energie-Spitzengespräches; Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, sowie soziale und kulturelle Einrichtungen müssen dringend entlastet werden (Drs. 20/246; 20/249; 20/221; 20/245)

Wie bekommen wir möglichst alle einigermaßen glimpflich durch die bevorstehende kalte Jahreszeit? Dies ist ja die Kernfrage zu diesem Tagesordnungspunkt, zu der die vorliegenden Drucksachen potenzielle Antworten geben wollen. Wir haben uns die Vorschläge intensiv angeschaut, finden einige gut, andere eher nicht zielführend, und hätten auch noch ein paar weitere Ideen und Augenmerke.

Schauen wir uns zunächst den 3. Nachtragshaushalt an. Im Finanzausschuss letzte Woche hat der SSW hierzu mit Enthaltung gestimmt. Ich werde erläutern, warum. Die Frage, die wir uns konkret stellen, ist: Hilft dieser Nachtragshaushalt dem einfachen Bürger? Und unsere Einschätzung fällt hier gespalten aus. 

Die unter Punkt 1 genannten bis zu 170 Millionen Euro für energetische Sanierungsprojekte helfen den Bürgern mit ihren aktuellen Sorgen leider nicht. Die Menschen rufen nach Entlastung und die Landesregierung sagt, wir haben Euch verstanden – und saniert dann landeseigene Gebäude, anstatt den Menschen zu helfen! Hier finanziert sich die Landesregierung Lieblingsprojekte, für die die Begründungen „Ukraine-Krieg“ und „Energieeinsparung“ zum wiederholten Male doch etwas sehr weit hergeholt sind. Zumal diese Bauprojekte ohnehin schon im Rahmen des IMPULS-Programms geplant sind. Wir werden erst am Jahresende genau wissen, wie viel Geld für diesen Bauprojektkatalog zur Verfügung steht, da hier ja vorerst nur Ermächtigungen formuliert wurden, die aus entsprechend zu erwartenden Minderausgaben und Mehreinnahmen finanziert werden sollen. Aber wenn es schon solche Reste im Haushalt gibt, dann sollten diese doch besser da vorgemerkt werden, wo Entlastung mit am dringendsten benötigt wird. Beispielhaft sei hier eine Entlastung bei den KiTa-Beiträgen genannt, z.B. ein Erlass der Beiträge über die Wintermonate – das wäre zumindest eine konkrete Entlastungsaussicht für viele Eltern hier im Land gewesen. Dass das Geld stattdessen nun also für Hochbaumaßnahmen, IT-Maßnahmen und Maßnahmen zur pauschalen „Reduzierung der Gesamtfläche von Büroräumen um 20 Prozent“ verwendet werden soll, kann man machen – aber zielführend und der Situation angemessen finden zumindest wir vom SSW das nicht.

Etwas wohlwollender bewerten wir den zweiten Punkt im Gesetzentwurf. Hier soll ein zusätzlicher Bürgschaftsrahmen von 500 Millionen Euro geschaffen werden, mit dem vor allem Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften und andere Unternehmen gestützt werden sollen. Abwickeln sollen dieses Programm die Förderinstitute, die im Gegenzug durch Bürgschaften des Landes abgesichert werden. Grundsätzlich halten wir es für sinnvoll, mit einem solchen Bürgschaftsprogramm zu arbeiten. Es braucht jetzt vor allem Sicherheit. Die Unternehmen brauchen eine stabile Energieversorgung. Und Absicherung für die Stadtwerke bedeutet ja auch eine mittelbare Versorgungssicherheit für die Kunden, sprich die Privathaushalte. Gleiches gilt auch in Bezug auf die Wohnungswirtschaft. Auch diese erhält Kreditsicherheit und dadurch wird das Wohnen an sich für viele Privathaushalte auch mit abgesichert. Dieses Bürgschaftsprogramm macht also sowohl für Unternehmen als auch für die privaten Haushalte Sinn.

Zum dritten Punkt, also zu den Ausgaben infolge der Auflösung der hsh finanzfonds AöR, besteht wohl Einigkeit, dass dies unschöne, aber notwendige Gelder sind, um dieses Kapitel endgültig abschließen zu können.
In der Summe haben die regierungstragenden Fraktionen dieses Nachtragshaushaltsgesetz also durchgestimmt und der SSW hat sich aus den genannten Gründen enthalten. Dennoch bleibt weiterhin das ganz große Manko im Raum, dass dieser Nachtragshaushalt keine direkten und wirklich wirksamen Entlastungen für die breite Masse der Bevölkerung bringt und somit eben leider nicht dort hilft, wo ein Nachtragshaushalt am dringendsten gebraucht würde.

In dieser Hinsicht sind nun auch die anderen vorliegenden Anträge nicht der große Wurf. Natürlich haben wir alle höchst interessiert den von der Landesregierung einberufenen Energiegipfel verfolgt, aber viel interessanter wird ja nun die konkrete Umsetzung von Maßnahmen. Von Ankündigungen und ambitionierten Vorsätzen haben die Bürgerinnen und Bürger wie auch die Unternehmen und weitere Einrichtungen zunächst einmal recht wenig. Reine „Arbeitspapiere“ und „Punktepläne“ lassen sich daher von unserer Seite aus eher mäßig „begrüßen“, denn noch stehen wir ziemlich am Anfang, es stehen offenbar erst noch zahlreiche Gespräche und Koordinierungstreffen an. Von daher lassen sich die aufgelisteten Punkte des Entlastungsantrages (Drs. 20/245) von Schwarz/Grün zwar insgesamt gut lesen, haben sich ja aber teilweise auch schon wieder überholt – und wir müssen endlich die Umsetzungsmaschinerie in Gang setzen.

Dennoch möchte ich an dieser Stelle gern kurz mit einem Augenmerk einhaken. Denn in den Beratungen, u.a. ja auch zuletzt in verschiedenen Ausschüssen, wurden alle ausdrücklich eingeladen, sich weiterhin konstruktiv mit Vorschlägen einzubringen. Wir unterstützen wie gesagt die geforderten schnellen Lösungen und haben auch im Bildungsausschuss aufmerksam die Ausführungen zu weiteren Programmen für u.a. Schulen und Kultureinrichtungen verfolgt – und dabei ist uns ganz wichtig, schon jetzt und eindringlich darauf hinzuweisen, dass hier die dänischen Schulen und weitere Minderheiten-Institutionen von vornherein mitberücksichtigt werden müssen. Wir haben im Rahmen der Corona-Pandemie Unterstützungsprogramme erleben müssen, in denen die dänischen Schulen zu Beginn glatt vergessen wurden – das darf künftig nicht wieder passieren! Auch dänische Schülerinnen und Schüler sollen nicht frieren müssen. Und wenn es nun weitere Hilfsprogramme für Trägervereine und Einrichtungen geben wird, dann sollen selbstredend auch die Minderheiten-Einrichtungen davon profitieren können. Dies ist in der Ausgestaltung bitte entsprechend zu berücksichtigen und auszuformulieren.

Insgesamt kommen zurzeit auf sämtlichen Ebenen – EU, Bund, Länder, Kommunen – fast minütlich neue Ideen, Wortmeldungen, Einschätzungen und Vorschläge. Das Bundesentlastungspaket liegt zwar vor, aber konkret angelaufen ist noch nicht viel. Dabei wäre es jetzt wichtig, in die Pötte zu kommen und schnelle, unbürokratische und umsetzbare Entlastungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Daher warten wir auch alle gespannt auf die Ergebnisse der angesetzten Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler. Deren Verschiebung um eine ganze Woche ist milde ausgedrückt ziemlich unglücklich. Die Menschen stehen zurzeit tagtäglich Existenzsorgen durch und brauchen zügig verlässliche Zusagen über Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, die dann endlich auch anlaufen müssen.

Auch hier auf Landesebene könnten wir einiges in die eigene Hand nehmen und die Entlastungspakete sinnvoll flankieren. Wir haben bereits kritisiert, dass die Landesregierung aus unserer Sicht die Prioritäten nicht ganz richtig setzt. Sonst hätten wir in den Beschlüssen schon längst tragfähige Lösungen für eine 9-Euro-Ticket-Nachfolgeregelung sowie Entlastungen bei den KiTa-Gebühren gesehen. Daher seien diese Stichworte an dieser Stelle auch noch einmal genannt. Gut ist hingegen die Ergänzung, dass nun auch die Versorgungsempfänger die Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten werden; das entsprechende, fraktionsübergreifend eingebrachte Gesetz liegt ja inzwischen auch vor.

Insgesamt muss die Politik jetzt schnell Lösungen formulieren, die sich pragmatisch umsetzen lassen und möglichst die breite Mehrheit der Gesellschaft entlasten. Denn die Sorgen und Nöte, ob man nun im Winter in kalten Wohnräumen oder schlimmer wohnen muss, ob man sich noch eine halbwegs ausgewogene Ernährung leisten kann und ob man seinen Job behält, sind bei nicht wenigen Mitbürgern inzwischen ganz real. Die Leute haben ganz konkrete Angst, diese Gesamtsituation nicht mehr bewältigen zu können. Wir alle wissen um die Kosten und Summen zur Schadensbegrenzung, die im Raume stehen, und dass uns die multiplen Krisen auch langfristig als Gesamtgesellschaft viel abverlangen werden – und hier sprechen wir nicht nur über Geld. Es darf nicht passieren, dass hier nun große Teile der Bevölkerung, der Mittelstand, die KMU, all die fleißigen Menschen komplett verarmen und in die Perspektivlosigkeit abrutschen und sich in Teilen radikalisieren. Wir müssen alle gemeinsam den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufrechterhalten. Es ist nicht unendlich viel Geld da, aber wir müssen jetzt alles Machbare unternehmen und in die Wege leiten, um die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft und kritische Infrastrukturen zu unterstützen. Daher steht der SSW auch weiterhin für konstruktive Gespräche bereit – sowohl jederzeit kurzfristig als auch in Hinblick auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen. Ziel muss aber einerseits die Versorgungssicherheit und andererseits die Entlastung von breiten Schichten der Bevölkerung sein!

Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/ 
 

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