Rääde · 19.02.2015 Bundesratsinitiative zur Schaffung eines modernen Einwanderungsrechts

„Uns geht es darum, dass deutlich gemacht wird, dass jeder hier willkommen ist und eine Chance bekommt“

Ja, wir brauchen ein Einwanderungsrecht. Und am besten brauchen wir es aus einer Hand und nicht verteilt auf alle möglichen unterschiedlichen Gesetze. Durch die inzwischen unüberschaubare Vielzahl von Situationen, in denen Einwanderer rechtlich stecken können, ergibt sich automatisch eine Ungleichbehandlung von oft sehr ähnlichen Fallkonstellationen und am Ende haben wir eine riesige Bürokratie, die keiner braucht. Wenn uns also ein neues Einwanderungsrecht von dieser Bürokratie befreit, dann wäre das schon Grund genug, um hier tätig zu werden. Der Antrag der FDP macht dieses ja auch deutlich und in der Grundtendenz geht er auch in die richtige Richtung. Die Idealvorstellung muss doch sein, dass das Recht hier bei uns zu leben, die Gewährung von Sozialleistungen, die Hilfe bei der Aufnahme von Arbeit, der Familiennachzug und so weiter vollständig aus einer Hand administriert werden kann und auf Basis der selben rechtlichen Grundlage erfolgt. 

Ich glaube, schon alleine das politische Signal, dass sich aus einem neuen Einwanderungsrecht ergeben würde, wäre wichtig. Es ist wichtig, dass die oft negativ besetzten Begrifflichkeiten wie Zuwanderer, Gastarbeiter, Asylbewerber oder Geduldeter nicht mehr das Bild eines Migranten prägen, sondern diese Menschen zuallererst als willkommene Menschen angesehen werden. Das kann sich auch durch die Gesetzgebung ausdrücken. Die eben genannten Begriffe haben alle eines gemeinsam, sie definieren den Menschen fremder Herkunft als jemanden, der irgendwann nach einer zeitlichen Frist wieder geht. Er ist Gast, er ist geduldet, aber er soll hier keine Wurzeln schlagen. Das ist die Diktion, die hinter den alten Begriffen des derzeitigen Zuwanderungsrechts stehen. Das zieht sich sogar bis in die zweite, dritte – ja vierte – Generation dieser Einwanderer. Selbst diese Menschen, die oft schon einen deutschen Pass haben und deren Bindung eng mit Deutschland verknüpft sind, werden als Menschen angesehen, die irgendwie hier nicht hergehören. Und das ist mit Verlaub völlig an der Realität vorbei und wir wollen das auch gar nicht!

Deshalb geht es bei einem Einwanderungsrecht auch erst einmal darum, dass durch die Diktion eines solchen gesamten Einwanderungsgesetzbuches deutlich gemacht wird, dass jeder hier willkommen ist und jeder hier eine Chance bekommt. Der große Gewinn wäre, wenn ein solches Regelungswerk die Möglichkeit schaffen würde, dass Menschen, die beispielsweise als Flüchtlinge zu uns kommen, leichter hier einen dauerhaften Aufenthaltsstatus erhalten können und sogar zu einem „normalen“ Einwanderer mit allen damit verbundenen Möglichkeiten werden können. Das muss das Ziel eines großen Einwanderungsgesetzbuches sein. Dann hätten wir ein wirklich modernes Einwanderungsrecht.

Wenn wir uns nun betrachten, wer kommen soll, muss, kann oder darf, dann ist glaube ich schon vieles vorher festgelegt. In der EU gibt es Freizügigkeit, so dass wir hier nicht darüber diskutieren müssen, ob jemand aus Portugal kommen darf oder nicht. Er darf nämlich kommen. Für den SSW steht es auch außer Frage, dass diejenigen, die als Flüchtlinge zu uns kommen und nicht wieder in ihr Ursprungsland zurück reisen, ebenfalls ohne Einschränkungen bei uns bleiben können sollten. In der Realität ist dies im Übrigen schon in einem großen Umfang so – allerdings legen wir diesen Menschen eine Vielzahl von Steinen in den Weg. Wenn wir also davon ausgehen, dass EU-Bürger und Flüchtlinge bei uns bleiben, dann kann das angedachte Punktesystem nur noch auf die Menschen angewandt werden, die über diese beiden Gruppen hinaus zu uns kommen wollen. Ich wage voraus zu sagen, dass dies eine vergleichsweise kleine Gruppe sein wird. Deswegen eignet sich eine solche Debatte, wie diese heute, auch nicht unbedingt dazu, dieses Mittel als eine Möglichkeit zur Begrenzung von Einwanderung anzusehen, wie es manch einer draußen tut. Vielmehr geht es hier um eine Art Reststeuerung. Ob dies wirklich funktioniert, bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, auch die Kanadier und andere traditionelle Einwanderungsgesellschaften zweifeln hier immer mehr. 

Eigentlich muss sich auch durch ein neues Einwanderungsgesetz eher das ausdrücken, was wir alle wissen – nämlich, dass wir in naher Zukunft einen Fachkräftemangel haben werden. Deshalb brauchen wir rechtliche Regelungen, die es insbesondere Fachkräften attraktiv erscheinen lassen, sich hier bei uns niederzulassen. Und dabei denke ich nicht nur wie bisher an Hochschulabsolventen, sondern an die ganz normale gut ausgebildete Fachkraft. Sei es im Pflegebereich, sei es in der Metallverarbeitung oder eben auch in einem anderen Lehrberuf.

Wenn ein Einwanderungsgesetz Erfolg haben soll, muss es eines sein, dass einerseits Recht formuliert und andererseits auch die Erwartungen der Gesellschaft widerspiegelt. Und da sind wir dann auch schon bei einem Paradoxon angekommen. Die Gesellschaft erwartet, dass die Menschen Deutsch lernen, aber gleichzeitig verweigern wir denjenigen, die es am nötigsten brauchen, das Recht dazu. Wenn wir hier klare Ansprüche der Betroffenen hätten und damit auch die Erwartungen verknüpfen würden, dass man diese Sprach- und Integrationskurse auch besucht, hätten wir einen riesigen Schritt hin zu mehr Integration getan. Das setzt aber voraus, dass hierfür auch die Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Aber man kann sich auch sicher sein, dass dieses sich um ein Vielfaches wieder auszahlt.

Der zweite Bereich, der für die Integration wichtig ist, ist der Bereich des Berufes. Ja, wir müssen Berufsausbildungen wieder besser anerkennen. Selbst zwischen Deutschland und Dänemark hat es da immer wieder Schwierigkeiten gegeben. Wie muss es da erst bei der Anerkennung von Abschlüssen aus Kasachstan, dem Iran oder Honduras sein. Hier muss Stück für Stück immer wieder nachgearbeitet werden. Allerdings nützt die beste Anerkennung eines Berufsabschlusses oder eines Studiums nichts, wenn sich dann ein ausländischer Mitbürger - trotz bester Qualifikation – hinten anstellen muss. Erst kommen deutsche Staatsbürger, dann EU-Bürger und erst dann darf die Arbeitsvermittlung auf die weiteren Einwanderer zurückgreifen. Eigentlich ein völlig irres System, wenn man daran denkt, dass die Leute gerade durch Arbeit und auf ihrer Arbeitsstätte integriert werden. Flüchtlinge sind sogar für eine Zeitlang ganz von Arbeitsleben ausgeschlossen. Es wirkt fast so, als wollten wir nicht, dass die Menschen Arbeit finden, damit sie wieder gehen. Genau das ist aber die falsche Sichtweise. Sie müssen Arbeit bekommen, damit sie bleiben können!

Erst danach ist es für die Menschen wirklich relevant, ob sie ein Ausländerwahlrecht bekommen oder ihnen irgendwann auch eine Mehrfachstaatsbürgerschaft ermöglicht wird. Wir als SSW wollen beides. Aber elementar sind vor allem die Fragestellungen rund um das Aufenthaltsrecht, die Deutschkurse und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Im Kern geht es immer wieder darum, dass die Menschen, die zu uns kommen, mit den Einheimischen rechtlich gleichgestellt werden. Es darf nicht zweierlei oder dreierlei Maßstäbe geben, wie eine Sachlage bewertet wird. Es darf auch nicht unterschiedliche Rechtsfolgen geben. Die Sozialleistungen und die Ansprüche auf Leistungen müssen in allen Fällen gleich sein oder zumindest auf der gleichen Rechtsgrundlage beruhen. Hier gibt es noch viel Spielraum. Und je einheitlicher der Rechtsrahmen ist, desto leichter und unbürokratischer lässt sich das Ganze administrieren. Erst dann werden diese Entscheidungen auch wirklich objektivierbar und gerechter. Wer also Bürokratieabbau will, der braucht einheitliche Einwanderungsregelungen. Letztendlich geht es bei einem Einwanderungsrecht darum, dass deutlich gemacht wird, dass jeder hier willkommen ist und jeder hier eine Chance bekommt. Hierfür brauchen wir ein neues Einwanderungsrecht und das gerne auch aus einer Hand.

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