Rääde · 30.08.2019 Die Mobilitätswende funktioniert nur mit einem attraktiven öffentlichen Nahverkehr

Wenn wir die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs attraktiver gestalten wollen, dann müssen wir diese Herausforderung nicht zuletzt auch über den Preis für den Einzelnen angehen. Mit ständigen Preiserhöhungen erreichen wir dieses Ziel nicht.

Lars Harms zu TOP 31 - HVV-Preiserhöhung ablehnen (Drs. 19/1639)

Ja, es ist also wieder einmal so weit: Ein Verkehrsverbund – in diesem Falle der HVV – plant eine weitere Preiserhöhung. Die Kosten seien gestiegen und die neue „Angebotsoffensive“ sei schließlich ihr Geld wert. Nachdem das Preisgefeilsche zuletzt für viel Verwirrung in den Medien gesorgt hatte, erfahren wir nun, dass die kalkulierte Preisanhebung großzügig sogar noch unter der eigentlich vorgesehenen Index-Berechnung liegen soll.

Schauen wir uns das Ganze mal näher an: Kurzstrecken-, Nahbereich- und Kinder-Tickets sollen insgesamt nicht teurer werden. Auch Monatskarten für Schüler, Auszubildende und Studierende sind nicht betroffen, Senioren könnten von den geplanten Neuregelungen sogar profitieren. Dies könnte man auf den ersten Blick ja positiv sehen – wenn die Tickets für den Nahverkehr und insbesondere im HVV nicht eh schon sehr teuer für den Einzelnen wären. 

Insgesamt ist diese Ankündigung eine Katastrophe für die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für Pendlerkunden aus Schleswig-Holstein. Dass der HVV hier auf Unverständnis und Missbilligung stößt, ist ja keine Überraschung. Wir vom SSW unterstützen daher den vorliegenden Antrag zur Ablehnung der HVV-Preiserhöhung.

Es ist doch so: Wenn wir es ernst meinen mit der angestrebten Mobilitätswende, wenn wir die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs attraktiver gestalten wollen, wenn wir insgesamt eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene erreichen wollen – dann müssen wir diese Herausforderungen nicht zuletzt auch über den Preis für den Einzelnen angehen. Es ist nun keine überraschende Erkenntnis, dass wir diese Ziele mit ständigen Preiserhöhungen nicht erreichen werden. 

Im Übrigen wiesen uns die Regierungsparteien Hamburgs, bspw. in einem Artikel auf „Nahverkehr Hamburg“, darauf hin, dass unser landeseigener Nahverkehr-Tarif auch gerade erst vor wenigen Wochen – zum 1. August – erhöht wurde, während wir nun „eine Nullrunde im HVV“ forderten. Dieser Widerspruch wird kritisiert – zu Recht! Hier müssen wir uns selbstverständlich auch an die eigene Nase fassen: Wir vom SSW lehnen beide Preiserhöhungen ab. 
Natürlich müssen Verkehrsverbünde ihre steigenden Kosten gegenfinanzieren können – schließlich geht es dabei ja nicht zuletzt auch um faire Gehälter für die Beschäftigten, die Verbesserung des Leistungsangebotes für die Fahrgäste sowie den Ausbau des Gesamtinfrastrukturnetzes. Gleichzeitig steigt die Nachfrage ja dennoch Jahr für Jahr. Doch es kann nicht sein, dass auch Jahr für Jahr insbesondere Pendlerinnen und Pendler auf dem Weg zu und von der Arbeitsstätte tiefer in die Tasche greifen müssen. Belohnung statt Bestrafung wäre hier angebracht. 

Mit dieser alljährlich zuverlässig erneut aufflammenden Grundsatzdebatte kommen wir an dieser Stelle nicht weiter. Die verkehrs- und umweltpolitische Entwicklung wird ausgebremst, der ÖPNV wird geschmäht statt gewählt, die Bürgerinnen und Bürger steigen – verstärkt oder erneut – auf das eigene Auto um. Dies ist ja auch nicht im Interesse Hamburgs – und schon gar kein Lösungsbaustein für die angestrebte Mobilitätswende, die ja noch weitaus größere gesamtgesellschaftliche Anstrengungen und innovative Lösungsansätze erfordert.
Wir sollten uns daher auf bürgerfreundliche, umweltbewusste und faire Bezahlmodelle verständigen. Womöglich ja auch auf gänzlich neue Modelle – kann man nicht bspw. noch einmal über eine Art „Nord-Ticket“ diskutieren? Dem Alternativantrag der SPD können wir daher zustimmen. Einheitliche Strukturen im ÖPNV würden das Alltagsleben vieler schließlich deutlich einfacher machen.

Zum jetzigen Zeitpunkt wäre den Fahrgästen wohl zumindest einmal mit einer gewissen Preisstabilität geholfen. Die geplante Preiserhöhung im HVV ist daher, wie gesagt, abzuwenden. Hamburg ist hoffentlich bereit, sich hier noch einmal mit Schleswig-Holstein und den weiteren HVV-Anteilseignern abzustimmen. Ansonsten befürchte ich eine Abstimmung mit den Füßen durch die Pendlerinnen und Pendler. Und der Fußweg führt dann geradewegs zum Auto. Das kann niemand wollen.

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