Speech · 25.09.2025 Eine hohe Tarifbindung stärkt faire Löhne und sauberen Wettbewerb

„In Zeiten umfangreicher Sondervermögen ist eine möglichst hohe Tarifbindung wichtiger denn je“

Sybilla Nitsch zu TOP 28 - Tarifbindung darf nicht gesetzlich erzwungen werden (Drs. 20/3573, 20/3607 und 20/3630)

Wenn ich mir vergangene Debatten zu Tariftreue und Vergabe in Erinnerung rufe, frage ich mich, warum wir hier und heute eigentlich über das geplante Bundestariftreuegesetz reden. Denn für mich und andere in dieser Runde ist und bleiben gesetzliche Regelungen in diesem Bereich logisch und mit Blick auf manche Branchen sogar zwingend notwendig. Und für andere ist und bleibt der Ansatz, auf dem Gesetzesweg dafür zu sorgen, dass zumindest öffentliche Aufträge an gewisse Standards geknüpft werden, völlig verwerflich. Gefühlt haben wir hier wirklich alle Argumente so oft ausgetauscht, dass man sich sehnlichst einen konstruktiven Weg nach vorne wünscht. Aber ich sage mal so: Auch wenn es mir beim Blick auf den FDP-Antrag nicht ganz leichtfällt, bleibe ich hoffnungsvoll.

Wenn wir uns die aktuelle Entwicklung in Berlin anschauen, dann hat der Antrag der FDP natürlich seine Berechtigung. Denn man mag von diesem finanzpolitischen Instrument halten, was man will. Aber der Bund hat mit seinem Sondervermögen Infrastruktur ein 500-Milliarden-Investitionsprogramm beschlossen, das man als durchaus ambitioniert beschreiben könnte. In den kommenden Jahren werden hierdurch zahlreiche öffentliche Aufträge entstehen. Eine Vielzahl an Unternehmen wird an den entsprechenden Ausschreibungen teilnehmen. Parallel dazu will der Bund durch ein eigenes Tariftreuegesetz dafür sorgen, dass seine Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die tarifliche Standards gewährleisten. Oder anders gesagt, dass alle, die im Rahmen dieser Aufträge arbeiten, auch ordentlich bezahlt werden. Da könnte man sagen: So weit so gut. Denn für uns vom SSW ist ein solches Vorgehen schlüssig. Aber die FDP sieht hier offensichtlich den nächsten unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie und verweist mal wieder auf den vermeintlich viel zu hohen bürokratischen Aufwand.
Da bleibt mir nichts anderes übrig, als wieder einmal auf die Vorteile von gesetzlichen Lösungen in den Bereichen Tariftreue und Vergabe hinzuweisen. Wir sind jedenfalls aus voller Überzeugung mit auf den Antrag der SPD gegangen. Denn gerade in Zeiten so umfassender Investitionen aus öffentlicher Hand ist eine möglichst hohe Tarifbindung wichtiger denn je. Außerdem geht der Trend ja leider in die gegensätzliche Richtung. Denn bekanntlich binden sich immer weniger Unternehmen an entsprechende Tarifverträge. Für viele Beschäftigte führt das zu echten Nachteilen bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Ein Bundestariftreuegesetz sorgt logischerweise für eine höhere Tarifbindung. Und die stärkt nicht nur faire Löhne, sondern auch einen fairen Wettbewerb. Denn Unternehmen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen, sind ohne eine solche Regelung oft im Nachteil. Viele bewerben sich erst gar nicht. Denn nichttarifgebundene Konkurrenten können den Preis für ihre Waren und Dienstleistungen natürlich durch geringe Personalkosten drücken. 

Auch mit Blick auf die Landesebene und unsere gemeinsame Geschichte mit diesem Thema, muss ich mich wiederholen: Die FDP mag sich weiter dafür feiern. Aber die Abschaffung des vom SSW initiierten Tariftreue und Vergabegesetzes ist und bleibt ein Fehler. Gleiches gilt für die Streichung der Bindung an den Mindestlohn. Es gibt weder Jubelschreie über die vermeintliche Entlastung in Sachen Bürokratie, noch trägt unser Regelwerk dazu bei, faire Löhne und eine faire Unternehmens- sowie Vergabekultur zu fördern. Und es ist auch kein Geheimnis, dass Verweise auf den allgemein verbindlichen Mindestlohn nicht allen Beschäftigten helfen. Wenn wir uns zum Beispiel die Reinigungsbranche anschauen, dann werden hier immer wieder Fälle bekannt, in denen dieser nicht gezahlt wird.

Ganz grundsätzlich fällt es mir weiterhin sehr schwer zu verstehen, warum man sich so vehement gegen gesetzliche Standards für öffentliche Aufträge sperrt. Wir reden hier über öffentliche Gelder. Für den SSW ist völlig klar, dass diese mit konkreten Standards verbunden werden müssen. Noch dazu müssen Vergaben auch entzogen werden können. Andernfalls haben wir doch überhaupt keine Handhabe, wenn Auftragnehmer oder auch Subunternehmer Lohndumping betreiben oder andere Standards unterlaufen. Wir fordern also weiterhin, dass öffentliche Vergaben an Tarifbedingungen und soziale und ökologische Kriterien geknüpft werden müssen. Denn wen wir dies nicht tun, schwächen wir unsere tarifgebundenen Betriebe zulasten der Beschäftigten, der Umwelt und des Klimas. Und das kann weder in Schleswig-Holstein noch im Bund das Ziel sein. 

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