Speech · 23.07.2025 Religion hat in der Gesundheitspolitik nichts verloren!

„Es ist nicht ok, wenn der Papst in Rom über das Versorgungssystem in Flensburg entscheidet!

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 46 - Schwangerschaftsabbrüche im Raum Flensburg (Drs. 20/ 3454)

Ich muss ganz ehrlich sagen, mich gruselt es regelmäßig, wie rückwärtsgewandt in Deutschland politisch über Schwangerschaftsabbrüche diskutiert und entschieden wird. 
Es gibt regelmäßig große Umfragen, die ergeben, dass rund drei Viertel der Deutschen hinter der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten 12 Wochen stehen und trotzdem scheiterte kurz vor der Bundestagswahl der Versuch einer Reform des Strafgesetzbuchs. Nach wie vor gilt: Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätzlich rechtswidrig und bleiben nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Die Folge: Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland noch immer im Strafgesetzbuch verankert und damit keine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen. 
Währenddessen stellt Julia Klöckner den sogenannten „Marsch für das Leben“ als „ehrenwertes politisches Anliegen“ dar. Demonstrationen, die sich unter anderem gegen jede Form von Schwangerschaftsabbruch richten und Frauen die reproduktive Selbstbestimmung absprechen, gestützt von Bischöfen der Katholischen Kirche und zunehmend von rechten bis rechtsextremen Gruppierungen. 
Es macht mir immer wieder deutlich: wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen. 
Und wie Sie wissen, wird das Thema Schwangerschaftsabbrüche im Raum Flensburg schon seit Langem intensiv diskutiert. Weil es die Menschen vor Ort konkret betrifft. 
Denn es zeichnet sich ein großes Problem ab: 
Das einzige Krankenhaus in Flensburg befindet sich in fusionierter Trägerschaft der evangelischen und katholischen Kirche. Letztere lehnt Schwangerschaftsabbrüche aus ideologischen Gründen ab. 
Damit werden im einzigen Krankenhaus im Raum Flensburg keine operativen Schwangerschaftsabbrüche mehr durchgeführt und zwar früher als eigentlich angedacht, also vor 2030.

Stationäre operative Schwangerschaftsabbrüche werden damit im Stadtgebiet und der gesamten Region massiv erschwert. Es gibt momentan nur eine einzige Praxis, in der auch operative Abbrüche durchgeführt werden. 
Es gibt zwar noch mehrere Praxen, in denen der medikamentöse Abbruch möglich ist, aber das geht eben auch nur bis zur neunten Wochen und ist in bestimmten Fällen grundlegend nicht empfehlenswert. 
Wir hatten in Flensburg eine wirklich herausfordernde Situation im Sinne einer Fusion zweier Krankenhäuser zu einem Neubau in herausfordernder Größe in mindestens ebenso herausfordernden Haushaltslagen. 
Von daher war es für uns als SSW grundlegend in Ordnung, dass kirchliche Träger hier übernehmen und auch, dass es generell kirchliche Träger für Krankenhäuser gibt. Es ist ok, dass sich für diese Lösung entschieden wurde. Aber es ist nicht ok, wenn der Papst in Rom über das Versorgungssystem in Flensburg entscheidet! 
Es geht uns mit diesem Antrag nicht darum, jetzt die Entscheidung in der letzten Legislaturperiode zu skandalisieren. 
Es geht uns auch nicht um Schuldzuweisungen. 
Aber es geht uns um Verantwortung. 
Das Land hat die Verantwortung, dass dem Versorgungsauftrag im Schwangerschaftskonfliktgesetz nachgekommen wird. 
Ich spreche vom Paragraphen 13, Absatz 2: „Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen und den ungehinderten Zugang zu diesen sicher.“ 
Aus Sicht der SSW passiert das im Moment nicht. 
Stattdessen versucht die Stadt Flensburg, zu kompensieren. Wir als SSW möchten uns daher von hier aus einmal beim „Arbeitskreis Schwangerschaftsabbrüche“, der sich auf kommunaler Ebene mit den Möglichkeiten zum Erhalt einer ausreichenden Versorgungslage auseinandergesetzt hat, bedanken. Gestartet wurde mit dem Ziel, ein eigenes stationäres Angebot zu schaffen. Das war aus wirtschaftlichen Gründen für die Stadt schlicht nicht umsetzbar. Am Ende stehen nun noch das Projekt „Abortion Buddy“, also ehrenamtliche Begleitpersonen auf den nun deutlich längeren Wegen und ein Sozialfond, der die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs auffangen soll. 
Als Sofortmaßnahme fordern wir die Landesregierung auf, sich an den Flensburger Hilfsmaßnahmen zu beteiligen. 
Denn es ist Aufgabe der Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass schwangere Personen ungehinderten Zugang zu Einrichtungen haben, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. 
 

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