Tale · 21.07.2017 Aufkündigung des Kompromisses kommt nur den großen Anbietern entgegen

Flemming Meyer zu TOP 18 - Konsens bei Sonn- und Feiertagsöffnungszeiten

Die Bäderverordnung war 2013 ein Kraftakt, weil die Interessen gegensätzlicher nicht sein können: die einen forderten die ganzjährige Liberalisierung der Öffnungszeiten am Wochenende und die anderen wollten gar keine Geschäfte offen sehen, sondern beharrten auf der Sonntagsruhe; die ja schließlich im Grundgesetz verankert ist. Dort heißt es in Artikel 139: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“

In Deutschland landen solche gegensätzliche Positionen regelmäßig vor Gericht. Der Nachteil liegt auf der Hand: Prozesse vor Gericht können sich über Jahre hinziehen. Außerdem ist ein Gerichtsurteil ja nicht zwangsläufig ein gerechtes Urteil. 

Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaft haben stattdessen einen anderen Weg gefunden. Damit die Bäderverordnung zustanden kommen konnte, mussten alle Seiten ihre Positionen räumen und nachgeben. Keine Seite hat das Gesicht verloren. Ich erinnere noch gut, wie schwierig die Verhandlungen waren; aber auch, wie erleichtert alle Seiten über den Kompromiss waren.

Nach fünf Jahren stellt sich die Frage, inwieweit sich der Kompromiss bewährt hat. Wurden Familien über Gebühr belastet, weil Mutter oder Vater den Sonntag an der Kasse stehen mussten? Haben alle Geschäfte profitiert oder nur die großen Ketten? Rechtfertigen die Umsätze  den Aufwand? Wo liegen die regionalen Unterschiede? Hat sich die Bäderverordnung in Tönning bewährt, aber in Travemünde nicht? Oder doch? Ich höre viele Rückmeldungen; systematische Zahlen kenne ich allerdings nicht. Diese Grundlage sollte meines Erachtens im Rahmen der weiteren Befassung im Ausschuss mit einer Anhörung nachgeholt werden. Bevor wir entscheiden, sollten wir zunächst die Zahlen kennen.

Ohne Zahlen ist der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen nicht zielführend, denn er kennt nur eine Richtung der Verhandlungen: und zwar den zur weiteren Liberalisierung. Das bedeutet im Klartext, dass die Regierungskoalition sich nur fragt: Wie bekommt man es  hin, dass noch mehr Geschäfte, länger und an mehr Sonntagen geöffnet haben? Dagegen gehört für mich zur Ehrlichkeit in dem Prozess, auch dass man die andere Frage zulässt, und zwar danach, ob etwa die Sonntagsöffnung in einigen Regionen eingeschränkt werden sollte.

Die Horrorszenarien, die einige Touristiker 2013 malten, sind nach meinem Empfinden nicht eingetroffen. Im Gegenteil: Schleswig-Holstein ist eine äußerst beliebte Ferienregion, dessen gute Infrastruktur sehr geschätzt wird. Und zwar von ganz unterschiedlichen Gruppen: von Familie und Kulturreisenden ebenso wie von den Tagesgästen.

Ich warne an dieser Stelle ausdrücklich davor, den Standort Schleswig-Holstein schlecht zu reden. Eine erneute Debatte über die Bäderverordnung wird meines Erachtens vor allem die Menschen verunsichern, die einen Urlaub nach Schleswig-Holstein planen. Im Handumdrehen hat man sein Image ruiniert, wenn die Besucherinnen und Besuchern glauben, dass man gar nicht mehr am Sonntag einkaufen könne. In Timmendorfer Strand, wo der Protest gegen die Bäderverordnung sehr laut geäußert wurde, sieht man keine Protestschilder mehr. Die Händler wollen ihre Kundschaft offenbar nicht irritieren. 

Ich halte überhaupt nichts davon, die Regelung ohne Not in einen neuen Schwebezustand zu bringen. Die Gewerkschaften haben angekündigt, dass sie  schon in den Startlöchern für eventuelle Klagen stehen, sollte der Kompromiss gekündigt werden. So ein Verfahren kann sich hinziehen. Und ich denke, damit ist niemandem gedient.

Die Planungssicherheit, die die Verlängerungsoption vor fünf Jahren gebracht hat, kam vielen Anbietern entgegen. Die Regeln sind klar, transparent und dauerhaft. Wenn man Jahr um Jahr neu planen muss, bindet das enorme Ressourcen. Und genau mit denen hapert es bei den kleinen Geschäften. Diese haben inzwischen ihre Personalpläne so aufgestellt, dass sie den derzeitigen Regeln entsprechen. Das hat sich eingespielt. Die Großen können schnell umplanen; die kleinen Geschäfte nicht. Letztlich kommt eine Aufkündigung des Kompromisses nur den großen Anbietern entgegen. Und das wäre doch wohl ein echter Bärendienst. 

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