Speech · 13.11.2008 Bericht zum schleswig-holsteinischen Integrationskonzept und zum nationalen Integrationsplan

Ein Bericht der Landesregierung hat es meist so an sich, dass die bestehende Maßnahmen hervorgehoben werden, dass auch einiges hinzu gezählt wird, das von der Intention her nie für Integration gedacht war, und dass weitergehende Handlungserfordernisse eher unterbelichtet werden. Viel Beschreibung aber weniger Konklusionen, könnte man auch sagen. Von daher ist ein Glücksfall, dass der Flüchtlingsbeauftragte des Landes erst am 29. Oktober ein großes öffentliches Hearing veranstaltet hat, bei dem viele Beteiligte zu Wort kamen und ein Spaten¬stich tiefer gegraben werden konnte. Ich denke, wir können weit kommen, wenn wir diese beiden Dinge miteinander kombinieren – das gilt auch für die spätere Ausschussberatung.

Hier und heute möchte ich gerne einen Aspekt hervorheben, der mir besonders ins Auge gesprungen ist. Er betrifft den Bildungsbereich, der angesichts seiner enormen Bedeutung für die Chancengleichheit und damit für eine gelungene Integration auch im vorliegenden Bericht eine zentrale Rolle spielt. Denn die Statistiken sprechen weiterhin ihre klare Sprache: Überproportional häufig werden ausländische Kinder an Sonderschulen bzw. Förderschulen verwiesen. Besonders in den Übergangsempfehlungen der Grundschulen werden Kinder mit Migrationshintergrund schlechter bewertet, was sich auf deren Bildungsbiographien negativ auswirkt. Die Lesekompetenz von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist in Schleswig-Holstein als dem Land mit dem niedrigsten Migrationsanteil in Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenländern besonders schwach ausgeprägt.

Der Schlüssel ist hier nach wie vor der Erwerb der deutschen Sprache. Aus dem Bericht geht hervor, dass auf dem Gebiet „Deutsch als Zweitsprache“ in den letzten Jahren viel geschehen ist. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Auf dem Hearing des Flüchtlingsbeauftragten wurde eines angemahnt, das im Bericht der Landesregierung gar nicht vorkommt: Die Verzahnung der Sprachförderangebote mit dem Regel- bzw. Fachunterricht. Wenn die Jungen und Mädchen wirklich gleiche Chancen haben sollen, dann reicht es nicht aus, sie in einem gesonderten DaZ-Unterricht sprachlich zu fördern. Die Sprachförderung muss Bestandteil aller Fächer sein. Damit meine ich nicht, dass der Mathematiklehrer jetzt die Sprache zum Gegenstand seines Unterrichts machen soll. Er kann aber dafür sensibilisiert werden, die Matheaufgaben entsprechend zu formulieren. Diese Anregung, die aus dem Mercator-Projekt der LAG der freien Wohlfahrtsverbände stammt, kann ich nur unterstützen. Angesichts der Tatsache, dass künftig jedes dritte Schulkind im Land einen Migrations¬hintergrund hat, muss die Landesregierung erwägen, wie dieses Element stärker in die allgemeine Lehrerbildung mit einfließen kann. Die Idee, dass alle Lehrkräfte Sprachlehrer sind, wird übrigens schon in der Praxis in den Schulen des Dänischen Schulvereins umgesetzt.
Weitere wichtige Bausteine in diesem Zusammenhang sind Sprachkurse für die Eltern nicht zuletzt und der Unterricht in der Muttersprache. Denn letztlich ist die gute Beherrschung der ersten Sprache ein Schlüssel zum Erwerb neuer Sprachen. Vielfach wird verkannt, dass die Sprachkenntnisse der Migrantenkinder - je nach Bildungsstand der Eltern – allzu häufig auch in der Muttersprache nicht über das umgangssprachliche Niveau herausreicht. Insofern ist es auch begrüßenswert, dass die Türkei nun einen entsprechenden Unterricht für die Kinder aus von dort zugewanderten Familien anbietet – auch wenn mir eine Trägerschaft des Landes ebenso lieb gewesen wäre.

Eines sticht beim Lesen des Berichts sowohl bezüglich der Sprachförderung als auch in anderen Bereichen besonders ins Auge: Viele gute Ansätze sind Einzelprojekte vieler verschiedener, engagierter Träger. Das bedeutet zum einen, dass ein großes Bedürfnis besteht, Maßnahmen aufeinander abzustimmen und zu vernetzen, damit die Kinder, Familien und Einzelpersonen Unterstützung aus einem Guss erfahren – und auch, damit die begrenzten Mittel optimale Wirkung entfalten. Zum anderen bedeutet dies aber auch die allseits bekannte Gefahr, dass selbst erfolgreiche und unentbehrliche Angebote nicht kontinuierlich gesichert sind. Deshalb noch einmal der Appell: Die Einwanderer und ihre Familien sind zumeist nach Deutschland gekommen, um hier zu bleiben. Deshalb schulden wir den Neubürgern auch, dass wir die notwendigen Integrationshilfen so weit wie möglich finanziell auf ein unbefristetes Fundament stellen. Ansonsten werden wir auf Dauer nicht den Menschen gerecht, die Schleswig-Holstein als neue Heimat gewählt haben.

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