Speech · 11.10.2006 Entschließung zur Verwaltungsstrukturreform und Gebietsreform aus einem Guss
Der Versuch, eine neue Verwaltungsebene in Schleswig-Holstein einzuführen, ist gescheitert. Das Ansinnen der Großkoalitionäre hat sich als völlig ungeeignet erwiesen, die Probleme auf kommunaler Ebene zu lösen. So gesehen legen FDP und Grüne mit ihren Anträgen den Finger direkt in die frische Wunde der Großen Koalition.
Der SSW hat bereits vor einem halben Jahr den Erhalt und die Stärkung unserer Kreise gefordert. Wir haben das technokratische Konstrukt der Verwaltungsregionen oder auch der Dienstleistungszentren abgelehnt. Auch nach einem halben Jahr ist der SSW-Antrag inhaltlich richtig. Darum stehen wir selbstverständlich weiter voll zu unserem Antrag. Angesichts der Zeit bis zu den Kommunalwahlen 2008 und der Unruhe, die die Umstellung durch die vergrößerten Verwaltungseinheiten auf gemeindlicher Ebene verursachen, ist es eine Politik mit Augenmaß, die Verwaltungsreform im Sinn unseres Antrages fortzuführen.
Anstatt neue Organisationen aus dem Boden zu stampfen, muss es erst zu einer soliden Aufgabenkritik kommen. Erst darauf aufbauend können Aufgaben vom Land auf die Kreise in Form von Selbstverwaltungsaufgaben verlagert werden. Dieses Verfahren ist übersichtlich, klar und von allen Verantwortlichen zu bewältigen. - Außerdem würde diese Verlagerung viel bringen: das wäre nämlich die Umsetzung der längst überfälligen Funktionalreform.
Ich möchte es an dieser Stelle hervorheben: ein solches Verfahren löst nicht alle Organisationsprobleme des Landes; es sind vielmehr die Kreise und mit ihnen eine bürgernahe und demokratisch gesteuerte Aufgabenwahrnehmung, die bei einem solchen Konzept im Mittelpunkt stehen. Diese Stoßrichtung verfolgt auch der Antrag der Kollegen der FDP. Er ist mit den SSW-Standpunkten ohne weiteres vereinbar.
Anders sieht es aus beim Antrag der Grünen. Hier kann der SSW die Punkte 1 und 3 mittragen. Bezüglich Punkt 2 aber, der Amtsverfassung, tritt der SSW bekanntlich für die Anschaffung der Amtsordnung und für flache demokratische Strukturen ein. Der Vorschlag der Grünen, das will ich einräumen, geht zumindest in die richtige Richtung. Bei Punkt 4 ergibt sich nun die politische Alternative, vor die der Landtag steht: Wollen wir Großkreise oder nicht? Was die drei Oppositionsparteien wollen, geht aus den vorliegenden Anträgen hervor. Wobei ich noch mal in Erinnerung rufe, dass der SSW-Antrag zu diesem Themenkomplex schon in den zuständigen Ausschuss überwiesen worden ist.
Was aber wollen die Regierungsfraktionen? Sie stehen jetzt unter Zugzwang, nachdem sich auch bei ihnen die Erkenntnis durchgesetzt hat, besser keine neue Verwaltungsebene in Schleswig-Holstein einzuführen. Was bleibt, ist der Eindruck der Konzeptlosigkeit, mit der die Landesregierung von der ersten Pressekonferenz an dieses wichtige Thema angegangen ist.
Vor allem aber hat jede Idee ein Verfallsdatum, das kürzer ist, als sich Milch in der offenen Flasche hält. Daher sage ich: Der SSW erhält für seine Haltung zur Kommunalstruktur sicher auch Kritik auf der kommunalen Ebene, davor ist mir nicht bange, das gehört zum parlamentarischen Geschäft. Wir erhalten eben auch viel Anerkennung, Respekt und Lob dafür, dass wir mit offenen Karten spielen und daher die Menschen vor Ort, allesamt aktive Kommunalpolitiker und Bürger, wissen, wofür wir stehen. Der SSW spricht sich aus mehreren Gründen für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in den bestehen Kreisen aus:
1. Wir wollen die kommunale Demokratie in gewohnten und eingespielten Rahmen nachhaltig stärken;
2. Die Reform des SSW ist relativ leicht und zügig bis zur nächsten Kommunalwahl umzusetzen, und
3. Sie setzt den Schwerpunkt endlich einmal klar bei der Funktionalreform, statt auf formale Strukturen.
So haben wir in unserem Antrag ganz konkrete Vorschläge darüber gemacht, welche Aufgaben von der Landesebene auf die Kreisebene übertragen werden sollen und welche nicht.
Ich möchte nochmals mit Nachdruck darauf hinweisen, dass der SSW die demokratische Steuerung kommunaler Selbstverwaltung für mindestens genauso wichtig hält wie organisations- und verwaltungstechnische Aspekte. Das ist bei der Großen Koalition nicht der Fall. Obwohl die Landesregierung auch Bürgernähe und kommunale Demokratie im Munde führt, ist sie uns bisher noch klare Indikatoren und Parameter öffentlicher Aufgabenwahrnehmung schuldig geblieben. Ein roter Faden fehlt, und das obwohl eigens dafür ganze Abteilungen und Arbeitsgruppen gebildet wurden. Die Stärkung der Selbstverwaltung als Reformziel, ist seitens der Regierung äußerst nachlässig, ja nachrangig von oben herab behandelt worden.
Auch wenn das Modell der Großkreise seitens der Grünen aus demokratischer Sicht den ursprünglich geplanten Verwaltungsregionen eindeutig vorzuziehen ist, so bleibt der SSW skeptisch in Bezug auf die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in derartig großen Räumen. Die Kommunalaufsicht eines möglichen Großkreises Landesteil Schleswig hätte die Aufsicht über 273 Gemeinden. Das sind mehr Gemeinden als in den drei Regierungsbezirken Köln, Düsseldorf und Arnsberg in NRW zusammen. Sicher lässt sich das nicht ganz vergleichen, es gibt aber einen Eindruck von den potenziellen Fallzahlen in solchen Großkreisen.
Mir kommt es darauf an, die Sichtweise hinter den Plänen zu benennen. Die sieht folgendermaßen aus: Die Großkreise sind ohne Zweifel vom Land und seinen Aufgaben her gedacht und nicht aus der Perspektive der kommunalen Ebene und ihrer Aufgaben. Der Minister verweist auf die bald größeren Ämter. Das hilft aber gar nicht weiter - Ämter sind keine Gebietskörperschaften und schließlich wird die gesetzliche Mindestgröße für Kommunalverwaltungen nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung bei 8.000 Einwohnern liegen. Danach müssen wir uns richten, ansonsten müssten wir ehrlicherweise eine 20.000 Einwohner-Grenze für Kommunalverwaltungen gesetzlich festschreiben. Dafür sehe ich im Parlament jedoch keine Mehrheit.
Der Kollege Wadephul hat am 24. März jedoch ein weit wichtigeres Argument gegen die Großkreise genannt - ich zitiere: Da finden Sie niemanden mehr, der das ehrenamtlich macht. Da brauchen Sie sozusagen kleine Landtagsabgeordnete, die dann den Job erledigen. Sie werden niemanden finden, der in solchen Großkreisen bereit ist, 80 bis 100 km durch das Land zu fahren, um in einer kommunalen Vertretung mitzuwirken. Das Protokoll verzeichnet an diesem Punkt übrigens Beifall bei CDU und SPD.
Dem kann der SSW nur beipflichten.
Politisch entscheidend ist, wie sich die CDU in dieser Frage verhält. Falls sich die Kollegen der größten Fraktion an die eigenen Reden zur Kommunalstruktur erinnern, müssen sie die Anträge von FDP und SSW unterstützen. Die Kreise in unserem Land sind leistungsfähig, flexibel und in der Lage, ihre Aufgaben sachgerecht zu erledigen. Nicht zuletzt die beiden Optionskreise, Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, haben nach einer gewissen Eingewöhnung gezeigt, dass sie durchaus ein neues Politikfeld besetzen können und machen gute regionale Arbeitsmarktpolitik.
Die Kreise sind ein schleswig-holsteinisches Erfolgsmodell, das mit kleinen Modifikationen auch noch weitere Jahre arbeiten könnte. Wird die CDU also aus den genannten Gründen die bestehenden Kreise konsequent stärken? Zusammen mit der FDP und dem SSW gäbe es hierfür eine klare Mehrheit im Landtag. Oder entscheidet sich die CDU wider besseres Wissens für die Großkreise, wie die Grünen sie vorgeschlagen haben?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion: Sie haben die Wahl.