Tale · 21.06.2019 Erzeuger, Lebensmittelindustrie und Handel müssen Kante zeigen gegen die Lebensmittelverschwendung

Rabattschlachten verführen dazu, mehr einzukaufen als man eigentlich wollte. Das ist eine Wurzel des Übels. 

Flemming Meyer zu TOP 36 - Lebensmittelverschwendung wirksam begrenzen (Drs. 19/1537)

Lebensmittelverschwendung fängt nicht beim Container an. Sie fängt an mit Lockangeboten, die zum Mehrkauf verführen. Rabattschlachten verführen dazu, mehr einzukaufen als man eigentlich wollte. Das ist eine Wurzel des Übels. Drei zum Preis von zwei sollte bei verderblichen Lebensmitteln grundsätzlich gesetzlich verboten werden. Verderbliche Lebensmittel in Großpackungen übrigens auch, weil damit die Verschwendung vorprogrammiert ist.

Lebensmittelverschwendung fängt im Shop der Back-Kette an, der bis Sonnabendabend volle Regale anbietet. Pünktlich um 18 oder 20 Uhr – oder wann auch immer der dahinter gelegene Supermarkt seine Türen fürs Wochenende schließt, wird aus den Kuchen, Brötchen und Broten von einer Sekunde zur nächsten Abfall. Da kaum eine Tafel am Wochenende Dienst schiebt, wird Woche für Woche ein ganzer Laden in den Container geschoben, weil angeblich die Kundinnen und Kunden bis kurz vor Ladenschluss noch die volle Auswahl erwarten. Das ist natürlich Quatsch, ändert aber an der Praxis vieler Back-Ketten überhaupt nichts. Handwerkliche Bäcker, die es tatsächlich noch gibt, machen da nicht mit. Und viele Kundinnen und Kunden schätzen genau das.
Lebensmittelverschwendung fängt beim Erzeuger an, wenn keine ausreichenden Lager-, Transport- und Verarbeitungskapazitäten vorhanden sind. Bei Erzeugerproblemen, Rabattaktionen und handelsseiteigen Angebotsvorgaben sind Erzeuger, Lebensmittelindustrie und der Handel gefordert. Sie müssen gezielt Kante zeigen gegen Lebensmittelverschwendung. Was tun sie stattdessen: auf die Verbraucher zeigen, die unvernünftig  mit Lebensmitteln umgehen würden. Dabei werden sie bedauerlicherweise von der entsprechenden Ministerin Klöckner unterstützt. Schaut man in den aktuellen Ernährungsreport 2019, dann sucht man die Verantwortlichen für Lebensmittelverschwendung in Industrie und Handel vergeblich. Nur der Verbraucher wird als Verursacher von Lebensmittelverschwendung benannt. 

Ich denke aber nicht, dass wir Landwirtschaft, Handel und Industrie aus der Verantwortung entlassen sollen. Würde beispielsweise das Entsorgen von verzehrfähigen Lebensmitteln durch den Handel steuerlich bestraft oder gesetzlich verboten, würde es gar nicht mehr zur Lebensmittelverschwendung kommen, an die wir uns resigniert gewöhnt haben. Das wäre übrigens auch weitergehender als der vorliegende Vorschlag, den Handel zur Abgabe verzehrfähiger Lebensmittel zu zwingen. Dieses Almosensystem müssen wir stoppen, in welcher die Verschwendung schon eingepreist ist! Wir müssen das Übel an der Wurzel packen, wie es der Antrag an anderer Stelle, und zwar beim Mindesthaltbarkeitsdatum, bereits tut. 

Lebensmittelverschwendung fängt nämlich auch beim Mindesthaltbarkeitsdatum an, das sogar auf unverderbliche Waren wie Zucker, Salz oder Essig aufgedruckt ist. Obwohl viele Lebensmittel noch Tage und sogar Wochen und Monate nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums genießbar sind, wirft jeder zwanzigste nach einer Untersuchung des Ernährungsreports Lebensmittel weg, wenn sie abgelaufen sind. Junge Menschen übernehmen dieses Verhalten: so wirft jeder zehnte Jugendliche Lebensmittel beim Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatum in die Mülltonne.

Ich habe bereits die Tafeln angesprochen. Deren vorbildliches Engagement geht in den meisten Fällen über die reine Verteilung  von Lebensmitteln hinaus. Oftmals bieten sie auch soziale Gemeinschaft, Informationen über soziale Leistungen und einfach mal ein Ohr zum Zuhören. Die Tafeln sind aber keineswegs ein Reparaturbetrieb für sozialpolitische Fehlentwicklungen. Mit Sorge habe ich in den letzten Jahren beobachtet, wie aus einer Einzelfallhilfe inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil der Sozialpolitik wurde. Demgegenüber steht eine sträfliche Unterfinanzierung der Tafeln, die eigentlich auf professionelle Füße gestellt werden sollten. Ich begrüße es darum ausdrücklich, dass entgegen anderen Vorhaben gegen die Lebensmittelverschwendung den Tafeln im vorliegenden Antrag nicht noch eine weitere Funktion aufgebürdet wurde.

Es geht ums so genannte Containern oder Lebensmittelrettung, das in der Regel unorganisiert vonstattengeht. Bedauerlicherweise wurde erst vor kurzem ein Vorstoß Hamburgs zur Legalisierung des Containers von der Mehrheit der Innenminister abgelehnt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind auch nicht gerade einfach, muss doch fürs Containern ein Zugriff auf private Grundstücke und Infrastruktur ermöglicht werden. Darum sollten wir die rechtlichen Rahmenbedingungen im Ausschuss gründlich prüfen.

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