Speech · 15.10.2025 Hybride Angriffe gehören leider zur neuen Realität
„Es ist die Verantwortung einer Regierung, Ängsten auch öffentlich zu begegnen. Der Eindruck von Machtlosigkeit darf sich nicht verfestigen. Mein Eindruck ist, dass die Landesregierung hier noch offensiver werden kann und muss. Es ist Aufgabe der Politik, auf diese Gefährdungslage zu reagieren. Nicht reißerisch und schon gar nicht panisch. Aber ernsthaft und eigeninitiativ.“
Sybilla Nitsch zu TOP 29 - Auf hybride Attacken besonnen und konsequent reagieren – Drohnenabwehr stärken (Drs. 20/3691)
Hybride Angriffe, hybride Kriegsführung sind immer noch schwer greifbar. Irgendwo zwischen Drohnen, Cyberangriffen, Desinformationen oder sogar versuchter Einflussnahme auf Wahlen, findet man sich auf einem Weg jenseits der konventionellen, direkten Kriegsführung wieder.
Das Ziel bleibt das gleiche: Destabilisierung.
Wir müssen davon ausgehen, dass die russische Regierung uns und uns als Teil von Europa destabilisieren möchte. Dazu gehört nicht nur die tatsächliche innere Sicherheit, sondern auch die gefühlte innere Sicherheit.
Dazu gehören Ängste und das Zweifeln am Staat, die Sorge, dass der Staat und seine Institutionen nicht für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger sorgen kann.
Die Antwort darauf kann aber nicht sein, dass wir nicht öffentlich darüber reden.
Die Antwort darauf muss eine Regierung geben.
Sie darf ihren Bürgerinnen und Bürgern etwas zutrauen,
sie darf ihnen Informationen geben, und sie darf vor allem davon ausgehen, dass die Menschen ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Mette Frederiksen als Ministerpräsidentin Dänemarks war zuletzt sehr klar in ihren Aussagen.
Sie spricht von hybriden Angriffen.
Von hybriden Angriffe gegen Polen, gegen Estland, gegen Rumänien und zuletzt gegen Dänemark.
Und davon, dass die Gefahr für Europa allem voran von einem Land ausgeht. Und das ist Russland.
Aber auch wird nach einigen Tagen in den dänischen Medien vom dänischen Militär klargestellt, dass nicht alle Verdachtsfälle sich bestätigt haben, und es sich um andere Flugobjekte handelte.
Ich glaube diese Vorgehensweise ist die richtige.
Zu benennen, was gerade passiert, zu benennen, welche Informationen man hat und vor allem auch zu benennen, wie der Staat nun vorgehen wird.
Es ist die Verantwortung einer Regierung, Ängsten auch öffentlich zu begegnen.
Der Eindruck von Machtlosigkeit darf sich nicht verfestigen.
Mein Eindruck ist, dass die Landesregierung hier noch offensiver werden kann und muss.
Es ist Aufgabe der Politik, auf diese Gefährdungslage zu reagieren. Nicht reißerisch und schon gar nicht panisch.
Aber ernsthaft und eigeninitiativ.
Bisher habe ich mich vor allem dann informiert gefühlt, wenn wir als SSW oder SPD und FDP aus der Opposition heraus Berichtsanträge und Kleine Anfragen gestellt haben. Das reicht nicht aus.
Und ich möchte einmal festhalten:
Nicht das Nachfragen der Opposition verunsichert die Menschen. Drohnenflüge über unseren Städten, über unseren Industriegebieten und unseren militärischen Anlagen verunsichern die Menschen.
Denn es blieb bei den Drohnensichtungen ja nicht bei Nord- und Osteuropa.
Nach Polen und Dänemark kam Schleswig-Holstein und zuletzt München. Überall hier wurden mehrere Drohnen gesichtet und teilweise Infrastruktur blockiert.
An Flughäfen fiel stundenlang der Flugverkehr aus.
Unser Bundeskanzler sagte in der Zwischenzeit öffentlich „unsere Vermutung ist, dass Russland hinter den meisten dieser Drohnenflüge steckt“. Ein Bundeskanzler sagt das nicht einfach so. Ein Bundeskanzler sagt das, wenn er Gründe hat, sich so äußern zu können.
Und wer vorgestern ein bisschen die öffentliche Anhörung des PKG im Bundestag verfolgt hat, gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die aktuelle Bedrohungslage in Europa nicht mehr so abstrakt ist, wie wir vielleicht noch vor ein paar Jahren dachten.
Die Warnungen der drei bundesdeutschen Geheimdienste waren sehr deutlich. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und denken, ein russischer Angriff kommt frühestens 2029. Wir stehen schon jetzt im Feuer", sagte Martin Jäger als Präsident des Bundesnachrichtendienstes.
Das Jahr 2029 wurde ansonsten von Bundesverteidigungsminister Pistorius wiederholt als Zeitpunkt genannt, zu dem Russland zu einem Angriff auf NATO-Gebiet in der Lage sein könnte.
Die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit Russland rückt laut allen drei deutschen Nachrichtendiensten näher.
Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen:
Es geht bei den Drohnensichtungen nicht um bewaffnete Kampfdrohnen, sondern sehr wahrscheinlich um Spionagedrohnen, die zum Ausspähen losgeschickt worden sind.
Das ist im ersten Moment weniger schlimm.
Aber man muss es sehr ernst nehmen.
Aus meiner Sicht vor allem aus zwei Gründen.
Erstens:
Es greift bereits jetzt in das Leben der Menschen ein. Wenn Flughäfen beeinträchtigt sein können, können Häfen das auch, können Bahnhöfe das auch.
Das hat jetzt schon Auswirkungen auf das individuelle Sicherheitsgefühl der Menschen.
Zweitens:
Wir müssen davon ausgehen, dass hier getestet wird.
Und zwar nicht nur eventuelles Handeln vor Ort, sondern auch politische Reaktionen und Äußerungen.
Mein Eindruck bisher ist, dass Entscheidungsträgerinnen und -träger sich ratlos umgucken.
Weil alles schwierig ist.
Weil Zuständigkeiten noch geklärt werden müssen,
Gesetze nicht verabschiedet sind und ultimativ die Angst im Raum steht, was die eigene Reaktion wohl auslösen wird.
Das ist schlecht. Das muss sich ändern.
Dabei will ich mich nicht missverständlich ausdrücken.
Es ist vollkommen richtig, auch Schwierigkeiten zu erklären und zu schildern, woran es hapert oder mangelt.
Es ist richtig zu erklären, dass man Drohnen nicht einfach so vom Himmel holen kann.
Technisch gibt es theoretisch mehrere Möglichkeiten:
Das Senden von Störsignalen, eigene Drohnen losschicken, um fremde Drohnen mit Netzen zu fangen oder sie zu rammen oder die sogenannten „kinetischen Verfahren“, wenn Drohnen von unten beschossen werden.
Was ist also das Problem?
Die Drohnen sind nicht klein und auch nicht leicht. Wir sprechen teilweise von Drohnen, die eine acht-Meter-Spannweite haben.
Es ist gefährlich, diese Drohnen über bewohnten Gebieten abzuschießen. Sie können Gebäude rammen und Menschen töten, ich will es einmal so drastisch sagen.
Es ist auch richtig zu erklären, warum die Bundeswehr nicht einfach so eingesetzt werden kann.
Die Bundeswehr darf derzeit keine bewaffnete Amtshilfe leisten.
Ein Einsatz bewaffneter Kräfte im Inland ist nach Artikel 35 des Grundgesetzes nur in Ausnahmefällen möglich, wenn eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücksfall vorliegt. Es bräuchte also erst eine Grundgesetzänderung, für die braucht es wiederum eine 2/3-Mehrheit im Bundestag.
Änderungen des Grundgesetzes, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, sind momentan nur möglich, wenn entweder die AfD oder die Linke im Bundestag mitstimmen.
Ich sage mal so: das ist perspektivisch aus verschiedenen Gründen unrealistisch.
Also müssen momentan in der Regel noch Landes- und Bundespolizei handeln.
Es darf aber nicht beim Beschreiben von Schwierigkeiten bleiben. Deswegen konnten auch wir als SSW der FDP-Initiative so gut folgen.
Sie fasst zusammen, was jetzt als sofortige Handlungen von Bund und Ländern möglich ist: Änderung des Luftsicherheitsgesetzes im Bund sowie ein geeignetes Seesicherheitsgesetz.
Außerdem eine bessere Ausstattung der Drohnenabwehrtechnologie und vereinfachte Zusammenarbeit der Behörden.
Auch die oft angeführte Gründung eines Drohnenabwehrzentrums kann Teil dieser Zusammenarbeit werden. Wir können nicht darauf warten, dass die EU sich auf ein System eines sogenannten Drohnenwalls einigt, dessen Umsetzung und Handlungsfähigkeit mir ohnehin eher fragwürdig erscheint.
Vor allem aber muss es der Landes- und auch Bundesregierung ein Anliegen sein, die Bevölkerung umfassend zu informieren, sobald es neue Erkenntnisse gibt.
Wir brauchen klare Rückschlüsse, vor allem auf die Herkunft der Drohnen.
In Polen wurden Drohnen abgeschossen, deren Teile dann in einem Acker landeten. Der Delta-Flügel der Gerbera-Drohnen, die typisch für russische Drohnen sind, sind noch gut auszumachen.
Die in Rumänien Mitte September gesichteten Drohne stammen nach Angaben des dortigen Verteidigungsministeriums ebenfalls aus Russland. In Estland sind Sichtungen drei russischer Kampfjets gesichert.
Bei aller vorsichtigen Deutung, die geboten ist: Russland überschreitet immer wieder Grenzen. Wir diskutieren dieses Thema, während sich die NATO-Staaten in Brüssel treffen, um Wege zu einer bessere Drohnenabwehr zu finden. Sobald unserer Landesregierung entsprechende Informationen vorliegen, müssen wir als Parlament und muss die Bevölkerung davon erfahren.