Tale · 26.09.2019 In puncto Nachhaltigkeit gibt es noch reichlich Optimierungspotenzial

Wir dürften unser Geld bei Anwendung von nachhaltigen Kriterien nicht in Papieren des Betreibers für das Brunsbütteler LNG-Terminal anlegen, andererseits wird dies aber direkt durch die Landesregierung gefördert. Mehr Widersprüchlichkeit geht nicht!

Lars Harms am Meer

Lars Harms zu TOP 25 - FINISH – Finanzstrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein (Drs. 19/1698) 
    
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns zu Recht eine verantwortungsvolle Anlage- und Finanzstrategie für unser Land. Es wird hier wohl kaum jemand etwas dagegen haben, dass auch das Kriterium der Nachhaltigkeit als Gradmesser für politisches Handeln dienen kann und soll – natürlich ist es erstrebenswert, die Gelder der öffentlichen Hand auch anhand sozialer und nachhaltiger Kriterien anzulegen, ohne die Kriterien der Sicherheit, Rendite und Liquidität zu vernachlässigen.

Vom Grundsatz her kann man dieses Vorhaben daher ja nicht schlechtreden, dennoch bleiben noch einige Ungereimtheiten zu diskutieren. Denn wenn man sich „Nachhaltigkeit“ und „Sozialgerechtigkeit“ auf die Fahnen schreibt, dann sollte man diese auch in sämtlichen Bereichen als Kriterium zu Rate ziehen – andernfalls wird die eigene Politik inkonsequent und unseriös.

Ich möchte an dieser Stelle mal das Stichwort „Tariftreue- und Vergabegesetz“ in den Raum werfen: Die Küstenkoalition hatte damals mit der Einführung eben jenes Gesetzes einen völlig neuen Standard in Sachen „Gute Arbeit und Nachhaltigkeit“ bei öffentlichen Ausschreibungen eingeführt. Schleswig-Holstein hatte in dieser Hinsicht bereits die im jetzigen Antrag beschworene „bundesweite Vorreiterrolle“ inne. Doch unter fadenscheinigen Vorwänden hat die Jamaika-Koalition dieses Gesetz Anfang dieses Jahres durch eine abgespeckte Version ersetzt, in dem gerade die ökologischen und arbeitsrechtlichen Kriterien stark aufgeweicht wurden. Ein Tiefschlag für so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und für diese wird der vorliegende Antrag wohl reichlich zynisch anmuten. 

Und da frage ich mich doch: Wie passt dieses ambivalente Vorgehen der Jamaika-Koalition zusammen? Und im Gesamtbild: Wie soll diese „nachhaltige und erfolgreiche Anlagestrategie“ nach der Einführung überhaupt konkret ausgestaltet werden, das heißt: Wie wird entschieden, ob und dass ein Projekt bzw. ein Unternehmen für eine Anlage in Frage kommt? 
Es ist doch so: Einerseits Geld sparen und „nachhaltig anlegen“ und andererseits Geld ausgeben und „nachhaltig investieren“ sind ja zwei Seiten derselben Medaille. Allerdings sollte hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

Ich skizziere mal ein Beispiel: Brunsbüttel, LNG-Terminal, Flüssig-Erdgas versus Umweltbedenken. Die Diskussionen um diese Terminals bleiben ja weiterhin hitzig. Der Bundesrat hat bereits einer Verordnung zugestimmt, die Investitionen in den Bau von LNG-Terminals lukrativer macht. Interessierte Investoren gibt es auch, gleichzeitig machen zahlreiche Umweltinitiativen gegen das Gas-Terminal mobil, insbesondere wegen der befürchteten Herkunft des LNG. Fracking ist ein massiver Eingriff in die Natur und mit Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit daher kaum in Einklang zu bringen. Dennoch hält die Landesregierung unbeirrt und vehement an ihren Plänen fest – Investoren sollen von günstigen Rahmenbedingungen profitieren und der Bau dieser Terminals soll sogar durch Landesmittel in Millionenhöhe gefördert werden. Ganz hart gesprochen, dürften wir unser Geld bei Anwendung von nachhaltigen Kriterien eben nicht in Papieren des Betreibers oder der Lieferanten für das Brunsbütteler LNG-Terminal anlegen, andererseits wird dies aber direkt durch die Landesregierung gefördert. Mehr Widersprüchlichkeit geht nicht!

Um also nun den Bogen zurück zu spannen: Die Regierungsfraktionen wollen die Landesregierung auffordern, eine nachhaltige Finanz- und Anlagestrategie zu formulieren, doch gleichzeitig plant eben diese Landesregierung, u.a. ein Projekt zu bezuschussen, welches einer solchen Prüfung auf Nachhaltigkeit eben nicht standhalten würde. Das ist inkonsequent und wenig zukunftsweisend! Und wer weiß, bei wie vielen Finanzanlagen wir uns zukünftig möglicherweise ebenfalls in Grauzonen bewegen, weil eben nicht sämtliche Faktoren dem gebotenen Kriterienkatalog entsprechen.

Uns allen ist klar, dass wir in puncto Nachhaltigkeit noch reichlich Optimierungspotenzial haben und dass Veränderungen nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen sind. Doch das darf keine Ausrede sein. Insgesamt geht der vorliegende Antrag also in die richtige Richtung. Doch gleichzeitig spielt es für uns eben auch eine Rolle, dass Gelder nicht nur nachhaltig angelegt, sondern zuvor auch nachhaltig und sozialverträglich erwirtschaftet werden. Aber darüber können wir gern noch einmal in Ruhe diskutieren.

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