Tale · 23.09.2021 Rede zu Prrotokoll gegeben Inklusive Strukturen gehören in jede Hochschule

„Eine Hochschule, die ihre Lehramtsstudierenden pädagogisch fachlich mit Blick auf Inklusion ausbildet, muss unbedingt selbst inklusive Strukturen leben!“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 16 - Ergänzende Leistungsvereinbarung (Drs. 19/3248)

In Schleswig-Holstein klagen viele Menschen mit Behinderungen über fehlende Augenhöhe.  Sie fühlen sich nicht ernst genommen und von oben herab behandelt. Das gilt im besonderen Maße für Menschen mit psychischen Behinderungen, denen jahrzehntelang ein gesonderter Lebensbereich zugewiesen wurde.

Gut, dass diese Zeiten allmählich vorbei sind. Menschen mit Behinderungen sind nämlich Experten und Expertinnen in eigener Sache. Sie haben etwas zu sagen. Wir müssen ihnen allerdings auch die Gelegenheit geben. Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen mit Behinderung sind durchaus in der Lage, ihre Interessen zu artikulieren. Voraussetzung sind dazu aber die geeigneten Rahmenbedingungen. Wir werden es bei der Bundestagswahl erleben. Menschen mit Sehbehinderungen können ohne Hilfe ihre Stimme abgeben. Auch im Wahllokal. Voraussetzung ist allerdings ein barrierefreier Zugang zum Wahllokal und eine entsprechende Wahlschablone. Diese wird an den Wahlzettel angelegt und ermöglicht eine selbständige Stimmabgabe. 
Auch an den Hochschulen ist eine Teilhabe von Studierenden mit Behinderung abhängig von unterstützenden Maßnahmen. Diese sollten selbstverständlich sein; ebenso wie der barrierefreie Zugang zum Öffentlichen Nahverkehr.

Ich spreche hier über dauerhafte, strukturelle Veränderungen; die uns übrigens allen zu Gute kommen. 
Genau darum geht es bei der Ziel- und Leistungsvereinbarung, die uns zur Entscheidung vorgelegt wird. Sie sieht einen dauerhaften Einsatz der Bildungsfachkräfte vor.  Das findet meine ausdrückliche Zustimmung. Ich habe sowieso noch nie begriffen, warum wir gerade im Bereich der Inklusion immer noch Projektförderung haben, die nach einer gewissen Zeit ausläuft. Eine Behinderung ist schließlich auch kein vorübergehender Zustand.
Wie auch andere Bundesländer auch, überführt die Landesregierung das Bundesprojekt in feste Strukturen. Es geht in dem Verbund um die Entwicklung inklusiver Hochschuldidaktik durch Menschen mit Lernschwierigkeiten, die zu Bildungsfachkräften ausgebildet werden. Diese Fachkräfte werden aus dem Modellversuch heraus ihren Arbeitsplatz dauerhaft an der CAU finden. 
Die Finanzierung ist auch gesichert: eine Erhöhung um 800.00 Euro jährlich werden zugesichert. 
Ich halte es für besonders wichtig, dass die Bildungsfachkräfte den zukünftigen Lehrkräften ein Menschenbild vermitteln können, das diese durch ihre berufliche Laufbahn trägt. Wer nämlich inklusiv tätig wird, sollte nicht bloß tolerant gegenüber den Schülerinnen und Schülern mit Behinderung sein, sondern proaktiv mit menschlicher Verschiedenheit umgehen. Die Ausbildung von inklusionsbezogenen Kompetenzen darf sich selbstverständlich nicht auf das Lehramt für Förderschulen beschränken, sondern ist für alle angehenden Lehrkräfte wichtig. 

Die schulische Laufbahn vieler Studierender kommt auch heutzutage oftmals ohne inklusive Elemente aus. Das darf sich in der Ausbildung nicht fortsetzen. Ansonsten bilden wir Lehrkräfte abseits ihres späteren Berufes aus. Eine Hochschule, die ihre Lehramtsstudierenden pädagogisch fachlich mit Blick auf Inklusion ausbildet, muss unbedingt selbst inklusive Strukturen leben.

Ich weiß allerdings auch um die Schwierigkeiten. Partizipative Lehre ist schließlich keine Einbahnstraße. Wir werden abwarten müssen, wie sich die neuen Bildungsfachkräfte durchsetzen können und welche Problemlösungen sich im Laufe der Zeit herausbilden. Hauptziel ist es, mit den Fachkräften inklusionsbezogene pädagogische Fachlichkeit auszubilden. Inwieweit das Eingang in die Lehre von Methodenwissen und theoretischen Konzepten findet, wurde nicht festgelegt. Verfahren bei Auseinandersetzungen der Fachkräfte mit Studierenden und anderen Dozierenden bleiben ungeklärt.

Darum finde ich es sehr bedauerlich, dass die Ziel- und Leistungsvereinbarung keinen klaren fachlichen Zielkatalog beinhaltet.  

Wir werden sehen, wie die Berichte der CAU in drei Jahren ausfallen werden. Dann werden wir vielleicht ein wenig mehr über die inhaltliche und methodische Arbeit erfahren.

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