Tale · 17.02.2016 Kinder und ihre Eltern gehören zusammen!

Lars Harms zu TOP 20+21 - Anträge zum Asylpaket I und II

Die Bundesregierung hat sich bekanntermaßen auf das Asylpaket II geeinigt. Ein bunter Blumenstrauß, der nach Meinung des SSW jedoch auch einiges an Unkraut und Gestrüpp beinhaltet. Es besteht kein Zweifel, dass es sich hierbei mehrheitlich um eine Verschärfung der bisherigen Regelungen handelt. Die prominentesten Beispiele in diesem bunten Strauß sind der Familiennachzug sowie die Erklärung, die drei Nordafrikanischen Staaten, Marokko, Algerien sowie Tunesien nun als sichere Herkunftsländer zu benennen. Der Druck der vergangenen Wochen war hoch und das spiegelt sich auch im Gesetzespaket wider. Natürlich kann man dafür argumentieren, die drei nordwestlichen Staaten Afrikas als sicher zu erklären. Jedoch muss aus unserer Sicht auch gesagt werden, dass der Auslöser eigentlich nicht in Ordnung war. Die Vorfälle in Köln dürfen kein Grund sein, jetzt plötzlich Nordafrikaner auszuweisen. Ein Verfahren auf politischem Zuruf so grundlegend zu ändern, entspricht nicht unbedingt meiner Auffassung eines Rechtsstaats. 

Was für uns als SSW wichtig ist, ist dass es hierbei nicht um das Asylrecht an sich geht, sondern um das Verfahren von Seiten der Behörden. Verfahrensvereinfachung klingt zunächst verlockend. Doch größtenteils muss man sich die Entscheidungskriterien, ein Land als sicher einzustufen, selbst zusammenreimen. Das Gesetz selbst spricht von Vermutungen, wie etwa: „Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird.“ Zudem soll ausgeschlossen werden, dass in dem entsprechenden Land keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung stattfindet. Wie solche Vermutungen von Seiten der Bundesregierung zu Stande kommen, darüber kann nur spekuliert werden. Zumal dies natürlich eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Fixpunkten ist, wenn man die Lebenswirklichkeit eines Asylbewerbers bewerten zu versucht. 

Für uns als SSW ist zudem wichtig zu betonen, bei dieser Neuregelung für die Menschen aus Marokko, Tunesien und Algerien nicht darum geht, das Individualrecht auf Asyl auszuhebeln. Es geht prinzipiell um eine Verfahrensvereinfachung. Wir müssen uns vor Augen führen, dass das Asylrecht ein individuelles Recht ist und sich nach einem ganz bestimmten Menschen richtet und nicht nach der Masse. Deshalb bleibt es auch dabei, dass auch individuelle Begründungen bei den Betroffenen durchaus eine Berechtigung haben können – ich denke dabei zum Beispiel an Homosexuelle aus Marokko, denen dort eine strafrechtliche Verfolgung droht.

Vor den Hintergrund der individuellen Asylgründe, die jeder vorbringen kann, sind aus unserer Sicht Obergrenzen widersprüchlich. Zumal eine Verschärfung des Asylrechts nicht automatisch dazu führt, dass Menschen von einer Flucht nach Europa abgehalten werden können. Krieg und Bombenhagel zwingt die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Friedliche Zeiten in Nahost sind bisher nicht in Sichtweite. Von daher werden auch in Zukunft viele Menschen bei uns im Land Schutz suchen. 

Ein anderer Punkt des Asylpakets, welcher nach Auffassung des SSWs absurd ist, ist die Tatsache der Trennung von Eltern und Kindern. Dabei geht es vor allem um diejenigen die über subsidiäre Schutzgewährungen verfügen. Als subsidiär schutzbedürftig gelten Flüchtlinge, die keinen anderen Fluchtgrund haben, als dass sie eine eher allgemeinen Gefährdungslage unterliegen. Sie sind demnach einer allgemeinen Gefahr ausgesetzt, werden aber nicht individuell verfolgt. Aktuell betrifft dies vor allem Menschen aus Syrien. In den vergangenen Jahren hat man für diese Gruppe Sonderregelungen geschaffen, die nun vor allem die CSU wieder einkassieren möchte. Von nun an soll also für diese Gruppe von Menschen, der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt werden, mittels einer sogenannten starren Jahresfrist. Danach soll die bisherige Regelung automatisch wieder in Kraft treten. Allein, diese auch rechtsstaatlich schwierig zu begründende Handhabung spiegelt einen gewissen Grad an Verzweiflung wider. 

Zudem sind die Zahlen der subsidiär Schutzberechtigten in der Bundesrepublik völlig unbekannt. Die ganze Zielsetzung bleibt daher fraglich. Für uns steht fest, Eltern und Kinder gehören zusammen. Mit dem Aussetzen der Möglichkeit der Familienzusammenführung für den Zeitraum von zwei Jahren erlangt man vor allem eins: Nämlich das Erreichen der Volljährigkeit für einen großen Teil der betroffenen Jugendlichen. Bei Volljährigkeit besteht ohnehin kein Anrecht auf Familienzusammenführung. Alles was man mit dieser Maßnahme erreicht, ist das Leben von diesen Minderjährigen zu erschweren. 

Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass in den meisten Fällen eine Flucht erst abgeschlossen ist, sobald die eigene Familie sich an einem Ort befindet. Fluchtbewegungen werden in diesem Fall weitergehen oder sogar noch gefördert. Die Familienzusammenführung ist zweifelsfrei ein legaler Weg, um sein eigenes Leben in Sicherheit zu bringen. Ohne praktizierte Familienzusammenführung, werden illegale Bewegungen zunehmen. 

Integration kann nicht nur in Containern, Turnhallen oder Zeltstätten stattfinden. Deshalb brauchen wir eine Beschleunigung der Verfahren. Und da ist es ganz gleich, ob man sich in einer Flüchtlingsunterkunft in Kiel oder Berchtesgaden befindet, das BAMF ist zweifelsfrei das Nadelöhr. Die Registrierung von ankommenden Flüchtlingen wird in Schleswig-Holstein inzwischen tagesaktuell abgearbeitet. Die Aufgaben werden quasi aus Bordmitteln erfüllt und da fragt man sich schon, warum es an anderer Stelle schier kein Vorankommen gibt. Diesen Zustand können wir uns als Bundesrepublik einfach nicht leisten. Statt an entscheidenden Stellschrauben zu drehen, streitet man sich lieber auf Nebenkriegsschauplätzen. Diese Lage macht die Orientierungslosigkeit und den vorherrschenden Stillstand der Bundesinnenpolitik deutlich. 

Darum muss es doch darum gehen, den zu uns kommenden Menschen eine Perspektive zu geben. Perspektive heißt eben beschleunigte Asylverfahrensbescheide und vor allem auch erwerbsmäßige, bildungstechnische oder soziale Beschäftigung. Nach Auffassung des SSW ist eine vernünftige Beschäftigung oft sogar noch vordringlicher, als das Besuchen von Sprachkursen oder ähnlichen. Denn durch die Arbeitsaufnahme wird ohnehin ein großer Teil an Kenntnissen vermittelt. Hinzu kommt, dass viele Fachbegriffe ohnehin nicht in einem regulären Lehrbuch wiederzufinden sind. Sprachkurse sind sicherlich nichts Verkehrtes, jedoch sollte man sich von Seiten der Bundesregierung nicht zu sehr darauf beschränken. Ein Flüchtling kann noch so viele Sprachkurse besuchen, es macht ihn deshalb nicht besser integriert. Dabei geht es doch darum, die vorhandenen Fähigkeiten und Qualifikationen zu nutzen. Besondere bundesweite Nachqualifizierungsprogramme, die vorhandene Fähigkeiten an den deutschen Arbeitsmarkt anpassen, sind leider noch nicht in Sicht. Darüber hinaus ist die Anerkennung vieler ausländischer Berufsqualifikationen nach wie vor für den Großteil der Berufe ein Hürdenlauf mit langen und komplizierten Verfahren. Bleibt an dieser Stelle nur zu hoffen, dass diese Aspekte in dem nachgeschobenen Integrationsplan aufgearbeitet werden. 

Alles in allem ist eine deutliche Entwicklung in der Flüchtlings- und Asylpolitik sichtbar.  Asyl auf Zeit, neue sichere Herkunftsstaaten ohne tiefere Begründung, Verschärfungen beim Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge: Der Ton von Seiten der Bundesregierung ist härter geworden. Das Asylrecht darf dieser Härte nicht zum Opfer fallen und immer weiter ausgehöhlt werden, soweit bis es nur noch eine leere Hülle ist. Wenn wir dies zulassen, dann verliert dieser Rechtsstaat jegliche Grundlage. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Wir dürfen nicht nachlassen, uns für dieses Recht einzusetzen. 

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