Tale · 27.05.2011 Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags, Neuregulierung des Glücksspiels: Kein schleswig-holsteinischer Alleingang – für ein schleswig-holsteinisches Spielhallengesetz

Wir alle wissen, dass der geltende Glücksspielstaatsvertrag Ende dieses Jahres ausläuft und damit eine Neuregelung des gesamten Glücksspielbereichs erfordert. Die Regelung für den Teilbereich der Sportwetten, der bisher dem staatlichen Monopol unterliegt, hat der Europäische Gerichtshof bereits im September 2010 als nicht europarechtskonform erklärt. Begründet wurde das Urteil damit, dass „ein staatliches Monopol nur dann zulässig ist, wenn es das Suchtpotential aller Spielformen gleichermaßen bekämpft.“ Wenn wir uns zum Beispiel die wachsende Zahl von Spielhallen und die damit verbundene ungehinderte Verbreitung der Spielautomaten vor Augen führen, kann diese Entscheidung also kaum jemanden verwundern. Eine wirklich konsequente und kohärente Neuregelung kann daher im Grunde nur in folgende Richtungen gehen: Entweder müssen sämtliche Spielformen vom Staatsvertrag umfasst und das staatliche Monopol gestärkt werden, oder der Markt wird vollkommen für private Anbieter geöffnet.

Wir stehen also vor einer Weichenstellung in diesem Bereich und dürfen dabei nicht vergessen, dass die Entscheidung für eine Liberalisierung erhebliche und heute kaum absehbare Folgen haben kann. Aus Sicht des SSW müssen bei einer Neuregelung des Glücksspiels die Suchtprävention und der Spielerschutz allerhöchste Priorität genießen. Ein neuer Entwurf für einen Staatsvertrag muss sich in erster Linie an der effektiven Umsetzung dieser Ziele messen lassen. Und wir denken, dass diese Ziele am besten durch eine kohärente und bundeseinheitliche Regelung erreicht werden können. Der vorliegende Entwurf von CDU und FDP für ein landeseigenes Glücksspielgesetz geht in jedem Fall in die völlig falsche Richtung. Und der geplante Alleingang ist dabei nicht nur Gift für das Ziel der Suchtprävention, sondern auch finanzpolitisch höchst zweifelhaft. Weder die Entwicklung der Einnahmen noch die Entwicklung der Ausgaben kann im Vorwege verlässlich beurteilt werden. Das einzige was sicher ist, ist dass die Spielsucht steigen wird.

Wir haben wiederholt deutlich gemacht, dass vermeintliche Mehreinnahmen nicht zu einem Rückzug des Staates aus diesem Bereich führen dürfen. Denn es geht hier nicht um ein Wirtschaftsgut wie jedes andere: Uns allen muss klar sein, dass Glücksspiel krank machen kann und nicht selten zu ganz erheblichen Problemen für den Spieler und sein soziales Umfeld führt. Man mag über das Ausmaß der Schäden, die durch das krankhafte Spielen entstehen, streiten. Sicher aber ist: Wer auch immer Glücksspiel zulässt und anbietet, muss auch die Verantwortung für diese negativen Begleiterscheinungen tragen. Und wir haben ganz einfach große Zweifel daran, dass private Anbieter dieser Verantwortung im gleichen Umfang gerecht werden und diese Aufgabe genauso ernst nehmen, wie der Staat.

Der derzeit geltende Staatsvertrag wird von verschiedenen Seiten als unwirksam und unzureichend kritisiert. Tatsache aber ist, dass das in ihm festgeschriebene Monopol dazu beiträgt, die Spielsucht einzudämmen. Tatsache ist leider auch, dass der Vertrag die Ziele im Bereich der Regulierung von Sportwetten und des gesamten Internetspiels verfehlt hat und nicht verhindern konnte, dass ein enormer Schwarzmarkt entstanden ist. Diese Fehlentwicklungen hätten im Rahmen der Evaluierung dringend aufgegriffen und zur Änderung des Regelwerks führen müssen. Doch wie wir alle wissen, ist leider auch der aktuelle Entwurf nicht konsequent am Ziel des Spielerschutzes ausgerichtet und damit, zumindest aus Sicht des SSW, ungenügend.

Mit Blick auf die geplante Aufhebung des Verbots für das Internetglücksspiel muss ich ganz klar sagen: Aus der Tatsache, dass es uns bisher nicht gelungen ist, hier ein wirkungsvolles Verbot durchzusetzen, folgt eben nicht, dass wir diesen Bereich ganz oder auch nur in Teilen den freien Kräften des Marktes überlassen müssen. Dies ist schlicht fahrlässig, weil hier eine Ausweitung des Angebots zu einer größeren Zahl von Spielern und damit auch zu mehr Süchtigen führen wird. Wir fordern die Länderchefs auf, diesen Bereich effektiv einzugrenzen, anstatt vor der schwierigen Aufgabe zu kapitulieren. Wir sind klar in der Verantwortung, Spielangebote im Internet so zu regulieren, dass sie möglichst wenig Schaden verursachen.

Dieser Weg ist ganz sicher nicht einfach. Man muss aber endlich erkennen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, um den Internetmarkt zu beeinflussen und so zumindest für eine Eindämmung illegaler Angebote zu sorgen. Eine praktikable Lösung liegt in der Blockierung der Zahlungstransfers illegaler Anbieter. Gleichzeitig müssen Onlinespieler durch ein staatliches Angebot zurück in die Legalität geholt werden. Wir bedauern, dass weder der Staatsvertrag noch der Entwurf für ein schleswig-holsteinisches Glücksspielgesetz diesen Weg des Spielerschutzes geht. Denn eins ist sicher: Mit dem von CDU und FDP gewählten Ansatz, das Internetspiel einfach für private Anbieter zu öffnen, wird es dagegen zwangsläufig zu einer aggressiven Bewerbung und damit zu einer enormen Ausweitung des Angebots kommen. Dies gilt leider auch für das im Staatsvertragsentwurf geplante Angebot von Online-Casinospielen durch konzessionierte Spielbanken. Das Angebot wird ausgeweitet und die Zahl der Spieler wird steigen. Und durch den neuen Vertriebsweg Internet wird das Spielen nicht nur zu jeder Tages- und Nachtzeit sondern auch völlig ohne eine räumliche Begrenzung ermöglicht.

Aus diesen Gründen ist auch die im Rahmen der Novellierung des Staatsvertrages geplante Vergabe von 7 Lizenzen an „besonders vertrauenswürdige“ Anbieter im Sportwettenbereich problematisch. Ohne Zweifel wird dem Ziel des Spielerschutzes auch mit dieser Teilöffnung nicht ausreichend Rechnung getragen. Nach Auffassung des SSW können wir gut auf Experimente dieser Art verzichten. Doch im Vergleich zum Gesetzentwurf von CDU und FDP, der bekanntlich eine komplette Öffnung dieses Segments vorsieht - ohne auch nur die Notwendigkeit einer Evaluierung in Betracht zu ziehen - ist der Staatsvertrag eindeutig das kleinere Übel. Die vorgesehene Experimentierklausel lässt zumindest die kleine Hoffnung zu, dass aus Fehlentwicklungen Konsequenzen gezogen und entsprechend gegengesteuert wird. Trotzdem glauben wir, dass hier eine Schleuse geöffnet wird, die wir später nicht mehr völlig schließen können.

Spätestens seit der umfangreichen Anhörung hier im Landtag kann keiner mehr bezweifeln, dass eine Liberalisierung des Glücksspiels nicht auch erhebliche negative Konsequenzen mit sich bringt. Aktuelle Studien belegen den Zusammenhang zwischen dem Umfang des Angebots und der Anzahl der Suchtkranken eindeutig. So ist zum Beispiel mit der Marktöffnung in Großbritannien der Anteil der süchtigen Spieler an der Gesamtbevölkerung deutlich und statistisch nachweisbar gestiegen. Und ganz nebenbei bemerkt hat die dortige Liberalisierung nicht etwa für zusätzliche - sondern im Gegenteil sogar für sinkende Staatseinnahmen gesorgt. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses Beispiel auch den einen oder anderen in den Reihen der regierungstragenden Fraktionen zum Nachdenken anregt.

Was im öffentlichen Gesundheitswesen als Grundregel für den gesamten Suchtbereich gilt, muss aus unserer Sicht selbstverständlich auch für den Glücksspielbereich gelten: Je größer das Angebot ist, desto höher sind auch die individuellen und sozialen Folgeschäden. Bei einem weltweiten Vergleich der Regelungen für das Glücksspiel wird deutlich, dass Angebotsbeschränkungen ein zentraler Baustein bei allen präventiven Bemühungen sind. Und Beschränkungen des Angebots haben nachweislich den Effekt, dass die Zahl der Süchtigen begrenzt wird. Daher ist die Forderung aus dem Bereich der Suchtprävention nach einem kleinen, konsequent regulierten Glücksspielmarkt in staatlicher Hand der einzig richtige Weg. Eine Neuregelung, die sich an diesen Leitlinien orientiert, wäre im Sinne des größtmöglichen Spielerschutzes und hätte im Übrigen aufgrund ihrer Kohärenz auch dauerhaft Bestand.

Voraussetzung hierfür ist natürlich auch, dass endlich der Bereich der Glücksspielautomaten effektiv geregelt wird. Dass von diesem Angebot die mit Abstand größte Gefahr ausgeht, wissen wir ja nun nicht erst seit gestern. Man will Gerüchten zufolge auch hierzu noch Regelungen im Rahmen der Novellierung des Staatsvertrages treffen. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass das Automatenspiel endlich auch als Glücksspiel deklariert und entsprechend restriktiv gehandhabt wird. Sofern dies aber nicht gelingt, unterstützen wir selbstverständlich die Grünen in ihrer Forderung nach einer schnellen Lösung dieses Problems. Durch ein Spielhallengesetz in Kombination mit der Entschärfung dieser Gefahrenquelle über die Spielverordnung durch den Bund kann das hohe Suchtrisiko der Automaten zumindest vermindert werden.

Abschießend möchte ich noch einmal festhalten, dass sich der SSW eine wesentlich konsequentere Ausrichtung des neuen Staatsvertrages an suchtpräventiven Zielen gewünscht hätte. Wir hoffen, dass hier bis zur Unterzeichnung noch nachgesteuert wird. Unter der Maßgabe des größtmöglichen Spielerschutzes ist der Alleingang der Landesregierung völlig indiskutabel und sofort zu beenden. Stattdessen muss sie sich endlich konstruktiv an der Suche nach einer bundeseinheitlichen Lösung beteiligen und diese mittragen. Die Politik kann sich hier nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und die negativen Auswirkungen des Glücksspiels ausblenden. Glücksspielangebote bergen immer Risiken, denen wir ordnungsrechtlich begegnen müssen. Das ist unsere eigentliche Aufgabe. Und dieser Aufgabe kommen CDU und FDP überhaupt nicht nach.

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