Tale · 10.06.2016 Politische Vielfalt ist eine Bereicherung

Lars Harms zu TOP 10+57 - Änderungen im Wahlrecht

„In 327 Gemeinden ist die Kommunalwahl schon vor dem eigentlichen Wahltermin mit Aufstellung der Dorf-Einheitsliste gelaufen gewesen.“

Der vorliegende Gesetzentwurf möchte einerseits die Wahlverfahren optimieren und andererseits den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Wahlen erleichtern. Wir haben für diese Zwecke ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, unter anderem haben wir Fristen für Wähler und Gewählte verkürzt; wir wollen die Einführung mobiler Wahlstationen testen, die Briefwahl erleichtern und die Wahl des Stiftes freigeben und so weiter. Ich möchte angesichts der Vielzahl der Maßnahmen drei Kern-Themenkomplexe herausgreifen: 

Erstens. Die Änderung des Teilers im Verhältniswahlrecht. Das Verhältniswahlrecht soll den Wählerwillen besser abbilden als das Mehrheitswahlrecht, bei dem ja unter Umständen bis zu 49,9 Prozent aller Stimmen unter den Tisch fallen. Das Verhältniswahlrecht ist allerdings vergleichsweise kompliziert. Es führte in der Vergangenheit zu Situationen, in denen die absolute Stimmenmehrheit nicht zu einer Sitzmehrheit führte. Auf diese Weise kann das Verfahren im extremen Einzelfall ungerecht sein. Die Bürgerinnen und Bürger stellen dann mit Recht die Frage nach der Legitimität der Wahl. Wir wollen diese Gefahr durch die vorgeschlagene Wahlrechtsänderung mit zusätzlichen Mandaten bannen. Ich möchte an dieser Stelle allerdings auch deutlich machen, dass dieser Fall bislang nur sehr selten eingetreten ist. Ich finde, dass wir eine kluge Lösung gefunden haben, die zukunftsfähig ist.

Zweitens. Ursprünglich sollte der Teiler im Verhältniswahlrecht beim ersten Mandat auf 0,7 festgelegt werden. Dieser Wahlrechtseingriff sollte lediglich eine Korrektur sein und den Wählerwillen ausdrücklich weder einschränken noch verfälschen. Diese Änderung sollte dazu dienen, unerwünschte, kleine Parteien, die so genannten Splitterparteien außen vor zu halten. Es gibt aber keinen Grund, sie außen vor zu halten. Und verfassungsmäßig wäre eine solche Regelung am Ende doch sehr angreifbar gewesen. Deshalb wird auf die Erhöhung des Teilers verzichtet und wir bleiben weiterhin bei 0,5. Das heißt, mit der Stimmenzahl für ein halbes Mandat erreicht man schon das erste Mandat. Die Vielfalt in der Parteienlandschaft empfinde nicht nur ich persönlich, sondern viele Menschen in unserem Land als eine ausgesprochene Bereicherung. Ich sage das ausdrücklich vor dem Hintergrund, dass in 327 schleswig-holsteinischen Gemeinden nur eine einzige Wählergruppe bei der letzten Kommunalwahl kandidierte; das entspricht jeder dritten Kommune im Land. Das ist das eigentliche Demokratiedefizit, das wir hier im Land haben! Schleswig-Holsteins Gemeinden sind eben so klein, dass es nicht einmal den großen Parteien gelingt, ausreichend Bürgerinnen und Bürger für die politische Arbeit zu motivieren. Für die kleinen Parteien ist es umso schwerer. In einer kleinen Gemeinde findet sich niemand, der ohne Unterstützung und allein in einem Gemeinderat für seine Partei politisch mitgestalten will. Also schließt er oder sie sich der Wählergruppe an. So kommt es, dass die Kleinheit der Strukturen das Aufkommen der angeblich parteiübergreifenden Wählervereinigungen befördert. 

Es ist zu bezweifeln, ob diese Notlösung die Demokratie und Vielfalt in unserem Land fördert. In 327 Gemeinden ist die Kommunalwahl schon vor dem eigentlichen Wahltermin mit Aufstellung der Dorf-Einheitsliste gelaufen gewesen.

Drittens. Die Logos der Parteien werden zukünftig auf dem Wahlzetteln zu finden sein. Das ist ausgesprochen hilfreich für alle Wählerinnen und Wähler, die mit kleinen Texten oder auch den Lichtverhältnissen in den Wahlkabinen nicht zurechtkommen. Ich setze voraus, dass die Logos der Parteien bekannt sind, so dass dieser visuelle Hinweis eine weitere Gewähr dafür bietet, dass die Wahlentscheidung so wie beabsichtigt ausfällt. Die Bürgerinnen und  Bürger wissen, wo sie ihr Kreuz machen wollen; wenn sie aber den Text daneben nicht richtig entziffern können, droht eine ungewollte Stimmabgabe. Nach meinem Dafürhalten vertrauen alle anderen Bundesländer bislang ausschließlich der Schrift; Schleswig-Holstein geht mit der Visualisierung der Parteien ausdrücklich vorweg. Ich halte das für die richtige Entscheidung, genauso übrigens wie die Abfassung der Wahlunterlagen in leichter Sprache. Ich sage dies auch, vor dem Hintergrund, dass wir das Wahlrecht für unter Betreuung stehende Personen maximal ausweiten, was sicherlich auch eine Diskussion auf Bundesebene anstoßen könnte.

Gerade das macht mich auch ein bisschen Stolz. Wir erleichtern Menschen mit Benachteiligungen von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Auch das schafft mehr Demokratie!

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