Speech · 16.06.2023 Vernünftige Löhne und und faire Arbeitsbedingungen sind die Grundlage

„Gemeinwohlorientierung im ÖPNV muss auch für die Menschen gelten, die das System bedienen.“

Sybilla Nitsch zu TOP 26 - Dem Fachkräftemangel im öffentlichen Verkehr effektiv entgegenwirken (Drs.20/1066)

Vielen Dank an die antragstellenden Fraktionen, die das Thema Fachkräftemangel im öffentlichen Verkehr hier im Hohen Haus auf die Tagesordnung gebracht haben. Der Antrag spiegelt ziemlich genau die vergangenen Diskussionen im Wirtschaftsausschuss wider. Gemeinwohlorientierung im ÖPNV muss auch für die Menschen gelten, die das System bedienen. Dabei bin ich mir sicher, dass diese Debatte auch in anderen Ausschüssen geführt wird. Denn wie mein Kollege Christian Dirschauer bei uns in der Fraktion oft treffend betont: Wir haben keinen Fachkräftemangel, wir haben ein Arbeitskräftemangel. Alle Branchen sind betroffen. Nun soll es in diesem Fall also um Personalgewinnung für den öffentlichen Nachverkehr gehen. In der jüngsten Vergangenheit gab es insbesondere Schwierigkeiten bei einem privaten Bahnunternehmen. Aber auch private Busunternehmen haben immer Mal wieder Mühe ausreichend Personal für die Beförderung zu den Schulen im Land vorzuhalten, so dass es zu kurzfristigen Ausfällen auf dem Weg zum Unterricht kommt. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Beratungen im Ausschuss ist mir klar geworden, dass die Lage tatsächlich viel prekärer ist, als zunächst angenommen. Was also tun? Der Antrag nennt hier eine ganze Reihe von Maßnahmen. Es ist fast ein ganzer Katalog. Als zentraler Punkt ist angemerkt, dass die Landesregierung ein Konzept zur Aus- und Fortbildung erarbeiten soll. Das darf die Landesregierung meiner Meinung nach auch gerne tun. Ein entscheidender Faktor muss dieses Konzept jedoch beinhalten, nämlich mehr Ausbildung vor Ort, hier bei uns in Schleswig-Holstein. Investitionen und Werbereisen ins Ausland sind sicherlich nicht verkehrt. Jedoch haben sie für mich einen merkwürdigen Beigeschmack. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass das Ausland ein einzig großer Selbstbedienungsladen ist, in dem man sich immer holen kann, was man gerade braucht. Da braucht es schon Fingerspitzengefühl. 
Zurück also zu den Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort. Wenn die Landesregierung es ernst meint, mit einem Konzept, dann braucht es auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Das ist ein Punkt, der für mich jedenfalls zu einem solchen Konzept gehören würde. Zudem denke ich, dass es ist wichtig, dass sich die Landesregierung hier die Vorgaben und insbesondere Zugangskriterien zum Ausbildungsberuf noch einmal überprüft. Der Punkt, die Altersbeschränkung für Busfahrende von 24 auf 21 Jahren zu senken, ist denke ich ein entscheidender Punkt. Denn für viele junge Menschen stellt sich die Frage der Berufswahl schon vor dem 24. Lebensjahr. Das ist ein klarer Nachteil, gegenüber anderen Ausbildungsberufen.   
Sollte eine Absenkung des Mindestalters gelingen, wäre da noch eine weitere Hürde zu nehmen. Nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der öffentliche Nahverkehr steht 365 Tage im Jahr zur Verfügung. Frühschichten, Spätschichten, Wochenenddienst und auch an Feiertagen fahren Bus und Bahn weiterhin durch das Land. Der Antrag nennt als Beispiel mit Blick auf die Vereinbarung von Familie und Beruf Sonderabsprachen mit Kindertagesstätten, um das Interesse für die genannte Berufsgruppe zu steigern. Ich würde meinen, dass falls es zu einer solchen Regelung kommt, das Angebot natürlich für alle Familien offenstehen muss, die einen entsprechenden Bedarf haben. Schließlich möchte niemand zurück zu den Zeiten des Lockdowns, wo es nur wenigen Familien aus bestimmten Berufsgruppen gestattet war, ihr Kind durch die Kindertagesstätte betreuen zu lassen. Ob es überhaupt zu einem solchen Sonderabkommen kommt, ist fraglich. Denn auch die Kindertagesstätten verzeichnen einen akuten Personalmangel. Hier beißt sich die Katze also in den Schwanz. Trotzdem ist der Ansatz natürlich richtig. Richtig ist ebenso, vernünftige Löhne zu zahlen sowie verlässliche und faire Arbeitsbedingungen vorzuhalten. Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach bisher zu wenig berücksichtigt worden. Alles in allem zeigt der Antrag jedoch in die richtige Richtung. Damit hat die Landesregierung einen wichtigen Wegweiser in der Hand. Das Personal ist der erste Schritt, um einen zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehr bei uns im Land zu ermöglichen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Umsetzung ein Erfolg wird, damit auch weitere Schritte folgen können.  

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