Speech · 23.03.2017 Wir sagen was wir tun und tun was wir sagen
Lars Harms zu TOP 22 - Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Maßnahmen durch die Landesregierung
„Wir haben gesagt, was wir tun wollen und haben getan, was wir gesagt haben. So einfach ist das!“
Vielen Dank für diese hervorragende Vorlage. Mein Dank gilt nicht nur der Landesregierung, sondern ausdrücklich den Fragestellern. Dank der Piratenfraktion können wir nun Schwarz auf Weiß belegen, was tatsächlich aktuell auf der politischen Agenda steht und was alles schon von der Landesregierung umgesetzt wurde. Und das ist in der Tat sehr viel. Ausführlich und erläuternd hat die Landesregierung den Fragenkatalog zu ihren Zielen und Maßnahmen beantwortet. Beim Lesen hatte ich das eine oder andere Mal ein richtiges Aha-Erlebnis, die so manche Initiative wieder ins Gedächtnis rief.
Doch die Große Anfrage betreibt beileibe kein Jubel-Marketing. Die Landesregierung benennt durchaus auch Probleme, ohne diese schön zu färben. Dass der Landstrom für die Kreuzfahrtschiffe zum Beispiel immer noch nicht so weit ist wie ökologisch zu wünschen wäre, ist so ein Punkt; oder die Hochschulkooperation, die noch nicht so weit gediehen ist, wie es sich die Landesregierung vorstellt. Vielen Dank für die offenen Antworten.
Im Landtagsinformationssystem stehen die Antworten in einer pdf-Datei zur Verfügung; von jedermann mittels Suchfunktion nach Themenfeldern erschließbar. Läge der Text auch noch barrierefrei und in leichtem Deutsch vor: fertig wäre eine erstklassige Infobroschüre mit einer hervorragenden Bestandsaufnahme. Aber die ist natürlich sechs Wochen vor der Landtagswahl absolut nicht statthaft, was wir ja gestern in aller Ausführlichkeit diskutiert haben.
Außerdem ist das Ganze nur ein Ausschnitt aus der Regierungsarbeit der Küstenkoalition, denn die Piraten zeigen gerade in den Sachen, die sie nicht fragen, so manchen blinden Fleck. Sie fragen beispielsweise nicht nach der Minderheitenpolitik der Landesregierung. Die Einrichtungen und Organisationen der Minderheiten sind aber integraler Bestandteil unseres Landes und finden sich dementsprechend im Koalitionsvertrag. Und der ist doch Thema der Großen Anfrage. Die gleichberechtigte Förderung der Minderheiten ist unserer Koalition unbestritten; das ist eine der großen Leistungen der Küstenkoalition, die auch positive Auswirkungen für die Mehrheitsgesellschaft hat. Immer mehr Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner begreifen inzwischen die funktionierende Minderheitenförderung als Bereicherung für das gesamte Land. Ich meine hier nicht nur die zweisprachige Beschilderung, die bei vielen Touristen auf der Habenseite notiert wird, sondern die gegenseitige Neugier auf die vielfältigen Traditionen in Schleswig-Holstein. Die Piraten fragen nicht nach der Minderheitenpolitik und vertun damit eine Chance. Schade.
Nur an einem Punkt geht es in der Großen Anfrage um die Minderheiten; und zwar bezüglich des Rundfunkrechts. Der SSW als Vertreter der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe begrüßt die Ausführungen der Landesregierung hinsichtlich der zu verbessernden Teilhabechancen der Minderheiten am öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachdrücklich. Da sind noch sehr dicke Bretter zu bohren. Der NDR hat sich bislang den Bemühungen in dieser Richtung entzogen und auch den Rundfunkrat nicht geöffnet. Friesisch und Dänisch gibt es zwar ab und an im Programm des NDR zu hören, Romanes dahingegen überhaupt nicht.
Die Minderheitenpolitik ist aber nicht der einzige blinde Fleck der Piraten, den die Große Anfrage offenbart. So spielt die Struktur im ländlichen Raum keine Rolle. Die Demokratiedefizite in den über 1.000 Gemeinden des Landes haben die städtischen Piraten wohl nicht auf dem Schirm. Eben so wenig wie die Gehaltsunterschiede bei den Lehrerinnen und Lehrern. Überhaupt ist der Schulbereich in der Großen Anfrage völlig unterrepräsentiert. Doch das soll an dieser Stelle nicht unser Thema sein.
Sprechen wir über die Antworten zu den Themen, die konkret nachgefragt wurden.
Die Antworten der Landesregierung umfassen mehr als 100 Druckseiten, so dass unmöglich alle Aspekte und Themenbereiche gewürdigt und bewertet werden können. Ich greife daher wenige Schwerpunkte heraus.
Bibliotheken: Öffentliche Bibliotheken eröffnen Bildungs- und Teilhabechancen. Das können sie nur tun, wenn sie den Anschluss an die Digitalisierung nicht verpassen. Die Landesregierung hat in diesem Zusammenhang erhebliche Anstrengungen unternommen, die allen Nutzerinnen und Nutzerinnen zuteil werden sollen; unabhängig davon, ob es sich um eine Stadtbibliothek oder eine wissenschaftliche Bibliothek handelt. Das neue Bibliotheksgesetz ist eine große Errungenschaft für unser Land. Der Zugang zu digitalen Medien ist allerdings für die Zukunft eine enorme Aufgabe, der erhebliche Investitionen erfordern wird. Urheberrechtliche Fragen spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle, weil sie unter anderen dazu führen, dass Bibliotheken ihre e-Book-Lizenzen so behandeln müssen, als ob es sich um reale Bücher aus Papier handelt. Das bedeutet, dass sie nur nacheinander, zeitbegrenzt und nutzerbezogen entliehen werden können. Langfristig müssen wir allerdings dafür Sorge tragen, dass diese unsinnigen Beschränkungen für Bibliotheken entfallen, indem eine tragbare Lösung für Verlage und Autoren erarbeitet wird. Darüber hinaus sollten in den Bibliotheken alle Medien kostenfrei zu entleihen sein. Weg mit den Gebühren. Ohne Bibliotheksgebühren können sich dann die Bibliotheken nach skandinavischem Vorbild zu Bildungshäusern für jedermann weiter entwickeln.
Kinderbetreuung: In Schleswig-Holstein ist die qualifizierte Betreuung in Kindergarten und Kinderkrippe in den letzten Jahren enorm ausgebaut worden. Dabei zeigen die Antworten der Landesregierung, dass der Ausbau sich nicht nur auf das zahlenmäßige Wachstum beschränkt. Den qualitativen Ausbau der Betreuungsangebote, auch bei den Tagesmüttern, hat die Landesregierung durch zahlreiche Initiativen und Programme unterstützt. Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein sind eben zu aller erst pädagogische Einrichtungen. Sie sind keine Kinderaufbewahrungshallen.
Die Landesregierung beschreibt in ihrer Antwort auf Seite 65 ihre Unterstützungsangebote für Alleinerziehende, die eben auch die Kinderbetreuung umfassen. Wie sieht es aber mit den Familien aus? In Schleswig-Holstein gibt es viele Familien, deren Einkommen dicht an der Grenze der Sozialstaffel liegt. Sie entscheiden sich oftmals aus puren Kostengründen gegen eine Kita, so dass in der Regel die Mütter beruflich zurückstecken. Diese Entscheidung ist Alltag; aber nichtsdestotrotz eine Realität, mit der ich mich nicht abfinden möchte. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die guten pädagogischen Angebote allen Kindern zugutekommen; unabhängig vom Familieneinkommen. Letztlich müssen die Kitagebühren ganz wegfallen und der Besuch ebenso kostenfrei werden wie der Besuch der Schule. Das müssen wir ändern!
Wohnungsbau: Die Piraten haben nach den Anstrengungen der Landesregierung für den Wohnungsbau gefragt. Obwohl sich die Landesregierung die Förderung und Unterstützung des bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraums massiv ausgebaut hat, gibt es momentan an allen Ausbildungsstandorten zu wenige Wohnungen. Studierende, Schüler, Auszubildende, Alleinerziehende, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen haben auf dem freien Wohnungsmarkt sehr häufig das Nachsehen. Privater Mietwohnungsbau kann die Nachfrage nicht allein befriedigen. Die Förderung des genossenschaftlichen Wohnraums muss daher noch weiter verbessert werden. Die Wohnungsgenossenschaften sind der Garant für soziales Bauen und lebendige Nachbarschaften. Darum müssen wir unsere Anstrengungen in diese Richtung weiter verstärken. Genau das wollen wir tun!
Bau und Erhaltung von Straßen: Das Flächenland Schleswig-Holstein ist ein Pendlerland und ein Transitland für die Verkehre von Nord nach Süd und umgekehrt; also ein Autoland. Das ist eine schlichte Tatsache. Man kann die täglichen Staumeldungen einfach nicht ignorieren. Die Piraten sehen den Straßenbau allerdings vorwiegend als Belastung. Gut, kann man machen. Das löst aber kein Problem.
Und es ist ein Problem, dass wir aufgrund von Fehlplanungen der alten Regierung die A 20 nicht haben weiterbauen können. Da müssen wir ran und da werden wir auch rangehen!
Die Instandsetzung der Straßen ist auch ein wichtiges Infrastrukturprojekt, das auch über das wirtschaftliche Schicksal unseres Landes entscheidet. Wer seinen Kunden keine termingenaue Lieferung garantieren kann, wird Schleswig-Holstein den Rücken kehren. Dazu darf es keinesfalls kommen. Darum plädieren wir für den konsequenten Abbau des Sanierungsstaus. Und genau das haben wir in dieser Wahlperiode auch umgesetzt. Und das werden wir weiter umsetzen!
Tariftreue: Wie schon bei vielen Gelegenheiten angeführt, kommt der Landesregierung als Arbeitgeber ein besondere Vorbildfunktion zu. Wie sie Leiharbeit oder Praktikanten behandelt, wird von gewerblichen Arbeitgebern im Land sehr genau beobachtet. Das ist gewissermaßen der Goldstandard. Die angeführten Tarifverträge mit den Leiharbeitsfirmen sind zwar ein erster Schritt, werden aber von den DGB-Gewerkschaften kritisiert. Die Leistungen entsprächen nicht dem, was die Tarifverträge der entsprechenden Branchen festlegen; sie liegen regelmäßig darunter. Hier sind weitere Anstrengungen gefragt. Leiharbeit sollte auch bei der Landesregierung nur zur Abdeckung von besonderen und vorübergehenden Bedarfen zum Einsatz kommen. Ansonsten ist die Leih- und Zeitarbeit zu begrenzen. Die Landesregierung hat eine entsprechende Initiative für alle Auftraggeber unterstützt. In Anerkennung der Leistungen der Tarifpartner muss das Land auf die Zahlung des Mindestlohnes beharren und darauf, dass dieser mit den Lebenshaltungskosten Schritt hält. Ausnahmen und ein Einfrieren auf derzeitiger Höhe würden diese wichtige soziale Errungenschaft aushöhlen und ihr letztlich den Garaus machen. Die öffentliche Hand muss als Auftraggeber der Tariftreue genügen. Nicht der billigste Anbieter ist der beste, sondern derjenige ist auszuwählen, der seinen Beschäftigten faire Arbeitsbedingungen bietet. Untertarifliche Entlohnung entspricht meiner Ansicht nach nicht dem sachgerechten Einsatz von Steuermitteln. Existenzsichernde Löhne und Gehälter gehören mit zur Verantwortlichkeit der Landesregierung und der Kommunen als Auftraggeber. Daran werden wir festhalten!
Zusammenfassend ist die Große Anfrage eine gute Beschreibung. Aber eben nur eine Teilbeschreibung, weil einige Politikfelder fehlen. Die Bilanz der Landesregierung fällt sehr gut aus. Wir haben gesagt, was wir tun wollen und haben getan, was wir gesagt haben. So einfach ist das!