Tale · 17.09.2015 Auftragsverwaltung muss endlich auch angemessen vom Bund gegenfinanziert werden

Flemming Meyer zu TOP 12 - Keine Bundesautobahngesellschaft – Auftragsverwaltung des Bundes für die Bundesfernstraßen und die Bundesstraßen durch die Länder beibehalten

Jahrelang wurde die Tatsache, dass Investitionen in den Erhalt von Straßen und Wegen sträflich vernachlässigt worden, in Fachgremien versteckt. Aber jetzt geht es nicht mehr: die Probleme sind so offensichtlich, dass sie wirklich jeder Laie und jeder Autofahrer erkennen kann: Manches Schlagloch führt direkt in die Werkstatt und Speditionen in die Miesen. Geschwindigkeitsbegrenzungen zeigen, wo Straßen einfach nicht mehr halten. 

Also: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Mitnichten. Die derzeitigen Entscheidungs- und Finanzierungsstrukturen werden wohl auf absehbare Zeit nicht geändert. Die Verkehrsminister der Länder haben erst im Juli noch einmal bestätigt, dass in der laufenden Legislaturperiode wohl keine grundsätzlichen Änderungen zu erwarten sind. Erst müssen die Restrukturierung des Systems Straßenbau und Straßenerhalt gründlich überlegt sein. Dem kann man trotz des erheblichen Problemdrucks nur zustimmen.

Schließlich ist die Motivlage bei Bundesverkehrsminister Dobrindt, der eine Bundesautobahngesellschaft gründen will, völlig klar. Die neue Liste der Straßenbauvorhaben zeigt wieder einmal ganz deutlich, dass der Berliner Minister eher auf Anrufe bayerischer Bürgermeister reagiert als denn auf Forderungen nach der Optimierung der Infrastruktur im Transitland Schleswig-Holstein. Darum werden Ortsumgehungen in Bayern gleich reihenweise finanziert, während der vierspurige Ausbau der Autobahn Richtung Fehmarnbelt erst einmal auf Eis gelegt wird. Wir haben es also mit einem Verkehrsminister zu tun, der nicht nach objektiven Kriterien, sondern lieber nach Wahlkampf entscheidet. Darum warne ich ausdrücklich vor der unkritische Übernahme der Vorschläge. Dobrindt ist der König der bayrischen Dorffürsten. 

Die Verkehrsminister wollen gemeinsam eine neue Struktur entwickeln und Bau sowie Unterhaltung des Verkehrsnetzes neu regeln. Die Kommission unter Leitung des ehemaligen Verkehrsminister Bodewig hat sich zum Ziel gesetzt, Insellösungen zu vermeiden. Also: Keine Bauprogramme mehr, nach dessen Abschluss gut ausgebaute Straßen nicht vernünftig angebunden sind, sondern Programme, die ineinandergreifen. Gerade deswegen hat sich das Prinzip der Auftragsverwaltung bewährt; zumindest was Schleswig-Holstein angeht. Die ca. 1.400 Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr kennen jeden Kilometer Straße hierzulande, gerade weil sowohl für Autobahnen als auch für Bundes-, Landes- und Kreisstraßen zuständig sind. 

Diese vernetzten Kenntnisse bewähren sich angesichts der enormen Verkehrsdichte in Schleswig-Holstein immer wieder. So werden zum Beispiel bereits in Dagebüll die Touristen per Schild auf eine Baustelle aufmerksam gemacht, die 25 Kilometer weiter in Bredstedt in Gang ist. Das Schild bietet eine Ausweichroute über Flensburg an. Die ist zwar ein Umweg, bedeutet aber eine erhebliche Zeitersparnis auf dem Weg nach Hause. Das Beispiel zeigt, dass eine Straße nicht isoliert gesehen werden kann, sondern immer im Verbund mit anderen Straßen. Und genau da spielt es eben keine Rolle, was für eine Straße es nun ist. 

Eine Bundesautobahngesellschaft, wie Dobrindt sie vorschlägt, würde sich ausschließlich mit den Bundesautobahnen beschäftigten. Sie könnte also die dringend nötigen Vernetzungen gar nicht leisten. Staus sind also vorprogrammiert. Bereits aus diesem Grund ist sie abzulehnen.

Allerdings ist nicht die Bundesautobahngesellschaft das Hauptproblem, sondern das neue Finanzierungssystem, dass sie quasi im Gepäck hat. Dobrindt möchte mittels der neuen Gesellschaft nämlich auch gleich die Finanzierung ändern. Letztlich droht also die Privatisierung von öffentlicher Verkehrsinfrastruktur, bei der private Konzerne den Gewinn einstreichen. Der Staat gibt Planungsmöglichkeiten aus der Hand und verringert seine Steuerungstiefe. Das halte ich für grundverkehrt.

Allerdings warne ich auch davor, das System, wie wir es jetzt haben, einfach fortzuführen. Die Auftragsabwicklung wird nicht immer angemessen durch den Bund gegenfinanziert. Darüber hinaus muss die Bauerhaltung endlich nachhaltig finanziert werden und langfristig gesichert sein. Darum ist es gut, dass Verkehrsminister Meyer Mitglied in der Bodewig-Kommission ist.

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