Tale · 20.06.2002 Diäten-Reform

Bei der Novellierung des Abgeordnetengesetzes geht es – salopp gesagt – sowohl um Strukturen als auch um Geld. Dadurch unterscheidet sich der heutige Tagesordnungspunkt von anderen Debatten über den jährlichen Bericht des Landtagspräsidenten über „die Angemessenheit der Entschädigung sowie der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten“, denn bei der im Januar 2001 vom Landtagspräsidenten eingesetzten Unabhängigen Sachverständigenkommission geht um eine strukturelle Änderung des Abgeordnetengesetzes.
Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21.Juli 2000, wonach Abgeordnete grundsätzlich die gleichen Bezüge zu erhalten haben und die Funktionszulagen auf wenige Positionen zu beschränken sind, erhielt die Kommission den Auftrag, die Abgeordnetenentschädigung in Schleswig-Holstein umfassend zu prüfen. Seit Ende letzten Jahres liegen nunmehr die Empfehlungen der Diätenkommission vor.
Da diese Empfehlungen hinlänglich bekannt sind, verzichte ich darauf, sie im Einzelnen noch mal vorzustellen. Entscheidend ist, dass sich die Kommission dafür ausspricht, dass im Schleswig-Holsteinischen Landtag zukünftig nur noch der Landtagspräsident, die Fraktionsvorsitzenden und die Parlamentarischen Geschäftsführer eine Funktionszulage erhalten sollen.
Weiterhin empfiehlt die Diätenkommission, dass alle mit dem Abgeordnetenmandat verbundenen Aufwendungen und alle Kosten für die soziale Absicherung der Abgeordneten über die steuerpflichtige Entschädigung getragen werden sollen. Mit anderen Worten:
Abgeordnete sollen sich wie andere Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sozial absichern und nicht mehr eine beamtenähnliche Alterversorgung in Anspruch nehmen.
Dabei spielt es für die Diätenkommission sicherlich eine Rolle, dass die Versorgungssysteme in der Bundesrepublik zum gegenwärtigen Zeitpunkt zunehmend in der politischen Diskussion stehen. Immer mehr Rentner und Versorgungsempfänger steht einer immer geringer werdende Zahl von „Einzahlern“ gegenüber, so dass eine Deckung der Kosten der Altersversorgung durch die eingezahlten Beiträge nicht mehr erreicht werden kann. Auch in den öffentlichen Haushalten gibt es bekanntlich große Probleme mit den Versorgungslasten.

Der SSW hat von Anfang an die Richtung dieser Empfehlungen unterstützt und dieses auch in einer Stellungnahme der Diätenkommission gegenüber deutlich gemacht.
Dass jede Debatte um die Bezüge von Abgeordneten in der Öffentlichkeit Kritik hervorruft, ist unbestreitbar. Der Vorwurf des „Selbstbedienungsladens“ liegt immer auf der Hand, weil Abgeordnete als einzige Gruppe in unserer Gesellschaft dazu verpflichtet sind, ihre eigenen Gehälter festzusetzen.
Mag sein, dass sich in dem Chor der Kritiker auch immer einige Pharisäer zu Wort melden. Gleich wohl geht aus Sicht des SSW kein Weg daran vorbei, dass wir uns als Abgeordnete dieser Kritik stellen und sie auch ernst nehmen müssen. Damit meine ich nicht, dass wir uns so zu sagen in Sack und Asche kleiden sollen. Ich meine vielmehr, dass wir in der Pflicht stehen, besonders sorgfältig zu argumentieren, wenn es um unsere eigenen Bezüge geht.
Wie schwierig es ist, so eine Debatte öffentlich zu führen, ist uns in den letzten Wochen zu Genüge vor Augen geführt worden. Einerseits ist es so, dass die anstehende Strukturänderung des Abgeordnetengesetzes insgesamt zu einem überproportionalen Anstieg der Entschädigungen führen wird, und andererseits wissen wir alle, dass wir nicht in einem luftleeren Raum leben. Es war schon fast symbolhaft, dass der Finanzminister am gleichen Tag die Haushaltssperre verkündete, wo der Landtagspräsident in einer Pressekonferenz den Diätenbericht vorstellte.

Dreh- und Angelpunkt aller Diätenanpassungen und damit auch jeder Strukturreform ist die Frage nach der Angemessenheit der Diäten. In Anlehnung an die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte man sagen, dass Abgeordnete durch ihre Bezüge in eine Lage zu versetzen sind, die ihnen erlaubt, ihre Entscheidungen unabhängig und frei zu treffen und damit der Bedeutung demokratischer Willensbildung gerecht zu werden.
Daneben gebietet es das mittlerweile anerkannte „Berufsbild“ des Parlamentariers, dass die Entschädigung die Lebensgrundlage der Politikerinnen und Politiker und ihrer Familien sichert und zwar in der Weise, sagt das Bundesverfassungsgericht weiterhin, dass sie ohne Rücksicht auf etwaiges anderes Einkommen eine Lebensführung gestattet, die der Bedeutung des Abgeordnetenamtes entspricht. Gleichzeitig sollte die Entschädigung so gestaltet sein, dass es sich im wahrsten Sinne des Wortes jeder „leisten“ kann, das Mandat wahrzunehmen. Es ist schon wünschenswert, dass sich in der Zusammensetzung des Parlaments auch die Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegelt.
Die Diätenkommission hat sich in ihren Empfehlungen darauf verständigt, die Richterbesoldungsgröße R2 als Bezugsgröße für die „Angemessenheit“ der Zuwendungen zu wählen. Es ist richtig, dass die Anpassung der Grundentschädigung an die Richterbesoldung zu einer Erhöhung um über 40% führen würde. Aber in der öffentlichen Debatte wird vielfach unterschlagen, dass zum einen sehr viele Abgeordnete ihre bisherigen Zulagen verlieren und mit der Erhöhung im Grunde Netto nur dasselbe übrig haben werden wie bisher. Zum anderen ist der entscheidende Punkt, dass die Abgeordneten von dieser Grunddiät in Zukunft auch die Altersversorgung selbst finanzieren sollen. Die Diätenkommission hat dann auch darauf hingewiesen, dass ihr Vorschlag langfristig zu keiner höheren Belastung des Landeshaushaltes führen wird.

Mit der Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe „Diätenreform“ im Frühjahr diesen Jahres fing die Arbeit des Parlaments in Sachen Novellierung des Abgeordnetengesetzes an. Diese Arbeit ist mit den vorliegenden Anträgen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vorerst beendet. Nun greift das normale parlamentarische Verfahren, und das ist gut so.
Der SSW steht zu dem von SPD, CDU, FDP und SSW eingebrachten Antrag. Die weiteren Verhandlungen im parlamentarischen Raum sollten auf der Grundlage diese Antrages geführt werden. Wir haben in den vorhergehenden Beratungen akzeptiert, dass in erster Linie von den beiden großen Fraktionen an dem Grundsatz festgehalten worden ist, dass kein Abgeordneter nach der Diätenreform schlechter dasteht als vorher. Gleichwohl sind wir auch offen dafür, die von Bündnis90/Die Grünen eingebrachten Vorschlägen zur Regelung der Funktionszulagen zu diskutieren.
Dazu ist es für den SSW unabdingbar, dass der Landtag in dieser Legislaturperiode die Verkleinerung des Parlaments beschließt. Diese Forderung ist aber nicht Teil unseres Diätenkonzeptes. Unsere Motivation ist hier nicht die Frage, wie lässt sich Geld sparen. Vielmehr muss es aus Sicht des SSW auch dabei in erster Linie darum gehen, was für ein Land wie Schleswig-Holstein angemessen ist. Von daher ist es unserer Meinung nach auch nicht ganz redlich, wenn der Diäten-Vorschlag der Grünen eben wegen der Verknüpfung von Entschädigungsregelung und Verkleinerung des Landtages als besonders günstig dargestellt wird. Würde man den Vorschlag des Landtagspräsidenten auf 75 Abgeordnete herunterrechnen, gäbe es keinen großen Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Anträgen.

Der SSW teilt die Auffassung der anderen Fraktionen, dass an der steuerfreien Pauschale festgehalten werden sollte. Zum einen hat dies mit dem Grundsatz zu tun, dass Abgeordnete gleich behandelt werden sollten, und dies wäre nicht gewährleistet, wenn mandatsbedingte Aufwendungen steuerlich als Werbungskosten geltend gemacht werden sollten.
Zum anderen haben auch wir Probleme damit, dass gegebenenfalls das Finanzamt entscheiden soll, was als mandatsbedingte Aufwendungen akzeptiert werden könnte und was nicht. Ein weiterer wichtiger Punkt aus unserer Sicht ist, dass das neue Abgeordnetengesetz eine Weiterzahlung der monatlichen Pauschalen für die Fahrten vom Wohnsitz zum Landtag trotz Krankheit künftig unterbindet.
Für den SSW stand von vornherein fest, dass die geplante Diätenreform als Gesamtpaket betrachtet werden muss. Das heißt: die Erhöhung der Diäten bei gleichzeitiger Abschaffung der meisten Zulagen muss in Zusammenhang mit der Neuregelung der Altersversorgung gesehen werden.

Da die Neuregelung der Altersversorgung nur über eine Änderung von Bundesgesetzen möglich ist, kann die Diätenreform erst in Kraft treten, wenn diese geändert sind. Die Menschen im Lande würden einen anderen Beschluss des Landtages nicht verstehen und akzeptieren.
Damit meine ich aber auch, dass wir davon ausgehen, dass der Landtagspräsident in gewohnter Weise seinen jährlichen Bericht über Anpassung Abgeordnetenentschädigungen an Lohn- und Preisentwicklung vorträgt und auch, dass dies in den folgenden Jahren der Fall sein könnte.

Wir wollen eine echte Diätenreform und die lässt sich nicht übers Knie brechen.

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