Tale · 29.10.2020 Elternunabhängiges Bafög für alle hilft auch in der Pandemie

„In Deutschland gilt es als normal, dass Menschen sich für ihre Bildung verschulden. Für mich ist das nicht normal.“

Rede zu Protokoll gegeben.

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 32+34 - Studieren in Corona-Zeiten und Bafög schnell und grundsätzlich überarbeiten (Drs. 19/2487 und 19/2489)

Die Überbrückungshilfen, die unsere Studierenden beantragen konnten, waren erst einmal eine sehr gute Sache. 1,6 Millioen Euro, für Studierende, die durch Corona in eine finanzielle Notlage geraten waren. 5561 Anträge hat es darauf gegeben, so das Studentenwerk. Und doch sind nur 3630 dieser Anträge angenommen worden. Rund 35% der Antragstellenden haben also tatsächlich finanzielle Unterstützung erhalten. Das ist ganz schön wenig, wenn man sich überlegt, dass sich wahrscheinlich jede dieser Personen selbst als „in einer Notlage“ eingeschätzt hatte. Allerdings stand ihnen im Weg, dass die Förderung nicht für Studierende griff, die schon vor der Pandemie in einer Notlage waren. 
Und da liegt aus meiner Sicht das Problem. In Deutschland gilt es als normal, dass Menschen sich für ihre Bildung verschulden. Niemand zuckt mit der Wimper über die Mitteilung, dass der Berufseinstieg damit beginnt, Schuldenberge abzubezahlen. Für mich, für uns, ist das nicht normal. Wir bleiben bei unserer alten SSW Forderung, ganz nach dänischem Vorbild. Elternunabhängiges Bafög für alle, ohne Rückzahlungspflicht! 

Was man meiner Meinung nach auch nicht unterschätzen sollte, sind die psychosozialen Folgen, die unsere Studierenden jetzt schon verspüren. Der Bedarf an das Beratungsangebot steigt stetig und wie ich aus Gesprächen mit Studierendenvertretungen weiß und jetzt auch bestätigt durch die Kleine Anfrage der SPD schwarz auf weiß habe, geht es da mittlerweile um ganze konkrete Fälle der Krisenbewältigung, statt, wie vorher, tendenziell eher um perspektivische Beratung. Da geht es um richtige Existenzängste, soziale Isolation und große Probleme bei der Selbstorganisation. 
Besonders für die Erstsemester hoffe ich, dass sie trotz so zehrender Startbedingungen dran bleiben und sich nicht doch die Studienabbruchszahlen traurigerweise nach oben entwickeln. 
Aus der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks im Sommersemester 2016 wissen wir, dass knapp jeder zweite neue Studierende aus einem nicht-akademischen Elternhaus kommt. Da können die Eltern nicht eben mal so erklären, wie viel Zeit man am besten für die Nachbereitung einer Vorlesung einplant, wie man den Studientag strukturiert oder doch mal eben die Hausarbeit korrekturlesen. 

Mein Eindruck aus Gesprächen mit Studierendenvertretungen oder auch unserer Hochschulgruppe HG Südschleswig ist, dass die Lage für Studierende momentan wirklich bescheiden ist. Es häufen sich die Fälle, in denen der Minijob wegbricht. Und erwachsene Menschen wieder zurück zu ihren Eltern ziehen müssen, um dort im mittlerweile anderweitig genutzten alten Kinderzimmer vorm Laptop sitzen, um den Online-Seminaren zu folgen. Und mit etwas Pech mit einer Internetverbindung, bei der man sich entscheiden muss, ob man dem Seminar über Ton oder über Bild folgen will, weil sonst alles zusammenbricht. 

Die Universitäten haben in den letzten Monaten wahnsinnig viel geleistet, um sich umzustellen. Da wurden regelrechte Krisenstäbe einberufen, die digitale Lehre enorm ausgebaut, Prüfungsleistungen umgestellt. In einigen Fakultäten wurden Lehrvideos von den Dozierenden produziert, die einmal in der Woche einen virtuellen Frageraum aufbauten. So etwas ist doch toll! Von unserer Hochschulgruppe in Kiel weiß ich, dass die Studentische Selbstverwaltung weiter tagt – online. Sogar Prüfungszelte wurden draußen aufgebaut, wohl etwas kalt aber immerhin überdacht. Hier und da scheint es noch zu knarzen, wenn etwa die Prüfungsleistungen, weil sie zu Hause als Open-Book-Klausur geschrieben werden, sechs Stunden dauern und trotzdem nicht zu schaffen sind. Und wie die Leistungskontrolle unter Corona-Bedingungen samt Freiversuchsregelung umgesetzt wird, das ist eigentlich noch einmal ein Kapitel für sich. 
Deswegen ist ja auch völlig klar, dass wir diese Beratungen im Ausschuss weiterführen werden, wo sicherlich alle Interessengruppen der Universitäten noch einmal zu Wort kommen können. 
 

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