Rede · 15.05.2002 Familienfreundliches Schleswig-Holstein
Kennen Sie schon den Unterschied zwischen einer Partei und einer Fraktion? Das ist wie mit den Familien zu Weihnachten: Die Partei schreibt Wunschzettel; die Fraktion muss entscheiden, welche Wünsche realistisch und bezahlbar sind. Bei der CDU geraten Wunsch und Wirklichkeit manchmal etwas durcheinander. Dabei kommen dann Anträge heraus, bei denen der Landtag das CDU-Parteiprogramm beschließen soll. Die Grünen und die SPD wollen dann auch noch jeweils, dass wir ihr Programm beschließen und ein Loblied auf rot-grün anstimmen. Diese Entschließungsanträge mögen auf Parteitage gehören; sie gehören jedenfalls nicht in das Parlament.
Das ändert aber nichts daran, dass die Diagnose natürlich richtig ist: Familien sind in Schleswig-Holstein wie anderswo vielfach benachteiligt: Sie stehen finanziell schlechter da, werden auf dem Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt und sind in vielerlei anderer Hinsicht besonderen Belastungen ausgesetzt. Dagegen muss die Politik etwas tun. Darüber herrscht glücklicherweise Einigkeit.
Wir sind uns auch einig in den Mitteln: Eine bessere finanzielle Förderung, bedarfsgerechte, qualifizierte Kinderbetreuung, mehr Teilzeitarbeit, Elternurlaub und eine echte BAFöG-Reform sind neben anderen die richtigen Wege, um die Familien besser zu unterstützen.
Allerdings und das trennt uns dann ist dem SSW das Kindergeld auf der Hand lieber als das Familiengeld auf dem Dach. Wir können jetzt nicht die große Wundertüte aufmachen, um uns mit Familiengeld, Landeserziehungsgeld und Freibeträge für Kinderbetreuung ganz schnell wunschlos glückliche Kinder und Eltern zu kaufen. Davon träumen wir alle, aber das geht natürlich nicht.
Die CDU bleibt uns denn auch eine Antwort schuldig, wie dies alles bezahlt werden soll. Im Bundestagswahl-Programm der CDU heißt es hierzu nur: Die finanziellen Voraussetzungen für die stufenweise Einführung des Familiengeldes ab 2004 werden wir mit einer konsequenten Politik für Wachstum und Beschäftigung schaffen. Das grenzt schon an Realsatire. Damit hat man gleich die Entschuldigung dafür mitgeliefert, weshalb es nach der Wahl doch nicht klappt.
So lange nicht kostenträchtige heilige Kühe wie das Ehegattensplitting geschlachtet werden, wird die gerechte Familienpolitik aus dem Wunschkatalog ein Wunschtraum bleiben. Eine so massive Umverteilung zu Gunsten der Familien ließe sich allenfalls dann verwirklichen, wenn gleichzeitig in vielen anderen Bereichen kräftig gespart wird.
Das mag für die CDU kein Hindernis sein, aber Kürzungen in der Sozial-, Gesundheits- und Jugendpolitik z. B. würden gerade den besonders unterstützungsbedürftigen Familien wichtige Ressourcen entziehen. Familiengeld, Erziehungsberatung und Werteerziehung sind kein Ersatz für umfassende soziale Leistungen und Dienstleistungen.
Familien brauchen mehr als Moneten und Moral. Nur durch eine Kombination aus Geldleistungen und sozial-, gesundheits-, jugend- und bildungspolitischen Hilfen können wir die besonderen Belastungen von Familien ausgleichen.
Wir brauchen eine bessere Familienpolitik. Darauf können wir uns schnell einigen. Eines können die Familien aber bestimmt nicht gebrauchen: dass Politiker jetzt wie die Marktschreier versuchen, sich mit ihren familienpolitischen Sonderangeboten gegenseitig zu übertönen.
Gegenwärtig erleben wir abermals einen Wettbewerb um die schönsten Versprechen, frei nach dem Motto wer bietet mehr. Dies ist nicht nur den Familien gegenüber unfair - bei ihnen werden Hoffnungen geweckt, die niemand erfüllen kann. Damit wird auch einmal mehr das negative Bild von Politikern genährt, die vor den Wahlen die Erfüllung aller Wünsche versprechen, um nach der Wahl die Geschenke wieder einzusammeln.
Was die Familien brauchen ist nicht ein Wahlkampf mit Schönfärberei und vorschnellen Versprechungen, sondern eine Familienpolitik mit langem Atem.