Tale · 11.10.2006 Gesetz zur Weiterentwicklung des Schulwesens

Der Volksmund sagt: „Was lange währt, wird gut“. Ob dies auch auf das neue Schulgesetz zutrifft, bleibt vorerst abzuwarten. Fest steht allerdings schon jetzt, dass es zu diesem Gesetzentwurf viele Eckpunktepapiere und fast genau so viele Entwürfe gegeben hat. Fest steht weiterhin, dass es noch vieles gibt, was im Ausschuss hinterfragt werden sollte, wenn denn die Zeit dafür reicht. Der vorliegende Entwurf enthält aus Sicht des SSW sehr wohl positive Ansätze. Wir bedauern allerdings, dass wir es nicht mit einer echten Reform aus einem Guss zu tun haben, denn die große Regierungsmehrheit reicht nur für eine halbe Reform. Dazu später mehr.

Wenn man bedenkt, wie sich die Welt in den 16 Jahren verändert hat, in denen wir mit dem geltenden Schulgesetz gelebt haben, dann ist es interessant zu sehen, wie sich diese veränderte Welt in dem neuen Entwurf niederschlägt. So fand ich es schon bemerkenswert, dass sowohl die Suchtfreiheit als auch der Auftrag der Schule, die jungen Menschen zur Teilnahme am Arbeitsleben und zur Aufnahme einer hierfür erforderlichen Berufsausbildung zu befähigen, nunmehr Teil des Gesetzes ist.
Vor dem Hintergrund dieser Ziele wirkt die Formulierung in §3,Absatz 3 merkwürdig wage. Dort steht nämlich: “Die Schulen sollen eine Öffnung gegenüber ihrem Umfeld anstreben, insbesondere durch Zusammenarbeit mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen und der Jugendhilfe, Jugendverbänden sowie mit anderen Institutionen im sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen“. Der SSW teil in diesem Zusammenhang die Auffassung der „Aktion Kinder- und Jugendschutz“, deren Arbeitsstelle Schleswig-Holstein dem Bildungsausschuss zu genau diesem Punkt eine Stellungnahme hat zukommen lassen. Auch eine neue OECD-Studie zur frühkindlichen Betreuung und Bildung empfiehlt für Deutschland eine bessere Abstimmung zwischen der Vorschule und den Angeboten zur Kinderbetreuung, wie Horte und Kindergarten. Wir hätten uns also gewünscht, dass die Kooperation von Schule und Jugendhilfe wesentlich verbindlicher im Gesetz festgeschrieben worden wäre. Schließlich gibt es hinreichend Argumente dafür, gerade in diesem Bereich eine neue Kooperationskultur mit fest vereinbarten Strukturen zu entwickeln.

Eine Problemstellung ganz anderer Art ist die Neuordnung der Schulträgerschaft und des Schulkostenausgleichs, wobei der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag zu Recht die Frage stellt, was die Landesregierung bewogen hat, den im Koalitionsvertrag angekündigten Schullastenausgleichsfonds nun doch nicht einzurichten. Es gibt weitere spannende Fragen, so zum Beispiel die Umsetzung des §24, wo es um die „zuständige Schule“ – und damit um die freie Schulwahl geht, oder des § 58 über den Zusammenschluss von Schulträgern zu Schulverbänden. Bei den Regionalen Berufsbildungszentren kommt es aus unserer Sicht vor allem darauf an, dass die RZB´s vor Ort mehr Gestaltungsspielraum bekommen. Stutzig macht uns daher, dass trotzdem von einer weiteren Zentralisierung in Richtung Bezirksfachklassen die Rede ist. 

Wichtiger noch sind aber nach Meinung des SSW die bildungspolitischen Weichenstellungen des neuen Schulgesetzes. Um den jetzigen Entwurf des Schulgesetzes aus bildungspolitsicher Sicht zu bewerten, muss man sich noch mal die Vorgeschichte in Erinnerung rufen. Im letzten Landtagswahlkampf waren sich SPD, Grüne und der SSW dahin gehend einig, dass die Schulstruktur in Schleswig-Holstein wegen der Herausforderungen, die sich nicht zuletzt durch die Ergebnisse der verschiedenen PISA-Studien ergeben, grundlegend reformiert werden muss. Daher traten alle drei Parteien vehement für die flächendeckenende Einführung einer Gemeinschaftsschule ein. CDU und FDP traten genauso entschieden für die Beibehaltung des gegliederten Schulsystems ein. Vor diesem Hintergrund möchte ich der Bildungsministerin und der SPD dazu gratulieren, dass sie es am Ende doch noch geschafft haben, die CDU davon zu überzeugen, die Gemeinschaftsschule als neue Schulart zuzulassen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und wird von uns auch gar nicht klein geredet.

Wir hoffen daher, dass die neue Gemeinschaftsschule vor Ort wirklich als ein Signal des Aufbruchs verstanden wird, denn gerade im ländlichen Raum könnte sie dazu betragen, kleine Schulstandorte weiter zu entwickeln – und damit vor der Schließung zu retten. Inhaltlich betrachtet wird es jetzt darauf ankommen, deutlich zu machen, dass die Gemeinschaftsschule mehr ist als nur ein neues Türschild für vorhandene Gesamtschulen. Es darf also nicht so kommen, dass nur die Schulart, an der schon jetzt mit großem Erfolg das längere gemeinsame Lernen praktiziert wird, zu Veränderungen gezwungen wird, während sich ansonsten eher nichts ändert. Ich kann in diesem Zusammenhang die Unruhe bei den Gesamtschulen verstehen, weil eben noch nicht klar ist, wie sie im Einzelnen zu Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden sollen und welche Folgen dies inhaltlich für die Schulen haben wird. Das muss geklärt werden.

Es ist auch bisher völlig unklar, was die Einführung der von der CDU geforderten und von der Koalition beschlossenen Regionalschule beinhaltet. - Wer darüber etwas im Schulgesetz erfahren möchte, sucht vergeblich. Kommt es wie zum Beispiel in Sachsen, dann werden Haupt- und Realschule wirklich zusammen geführt. Dann hätten wir praktisch zwei Arten von Gemeinschaftsschulen – einmal mit und einmal ohne „Gymnasialkinder“. Kommt es - wie von einigen Lehrerverbänden gewünscht - dann geschieht eher wenig: Gemeinsame Orientierungsstufe und organisatorische Zusammenführung von Haupt- und Realschulen könnte das Ergebnis heißen.

Was wir aber schon jetzt wissen, ist, dass es künftig zwei Orientierungsstufen geben wird: eine an der Regionalschule und eine an den Gymnasien. Und das hat unserer Meinung nach nun überhaupt nichts mit einer zukunftsweisenden Bildungspolitik zu tun. Denn das heißt im Klartext, dass die Schülerinnen und Schüler fürs Gymnasium weiterhin nach der 4. Klasse ausgegliedert werden. Leider bleibt so im Kern das dreigliedrige Schulwesen mit seiner viel zu frühen Sortierung der Kinder erhalten.
Aus Sicht des SSW bleibt diese frühe Sortierung der entscheidende Fehler. Die jetzt im neuen Schulgesetzt festgeschriebene Sonderstellung des Gymnasiums lehnt der SSW also grundsätzlich ab. Für uns ist die Regionalschule daher nur ein Zwischenschritt hin zur flächendeckenden Einführung von Gemeinschaftsschulen.

Die Veränderungen im gymnasialen Bereich überraschen vor dem Hintergrund diverser Eckpunktepapiere am wenigsten. – Was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass Schleswig-Holstein nun im Mainstream der bundesdeutschen Schulpolitik angekommen ist. Leider sind unsere bisherigen Bedenken gegen die angestrebte Profilbildung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht ausgeräumt worden. Die Rückkehr zu „Profilen“ im Sinne von Schulzweigen reduziert das Bildungsangebot. Gegenüber der bestehenden Oberstufe, die so flexibel angelegt ist, dass inhaltliche Veränderungen nicht durch die Struktur blockiert wird, bedeutet der Vorschlag der Landesregierung also aus Sicht des SSW einen  Rückschritt. So kann z.B. eine optimale Vorbereitung auf Studium und Beruf innerhalb einer offenen und flexiblen gymnasialen Oberstufe besser erfolgen als in einem starren, nach Schulzweigen organisierten System. Ohne grundlegende Reformen  – wie z.B. die Bildung von Oberstufzentren – bleibt die Profilbildung ein Schritt zurück in die bildungspolitische Vergangenheit der 60´Jahre. Aus Sicht des SSW gibt es also viele gute Gründe für die Beibehaltung der reformierten Oberstufe und die Arbeit an ihrer qualitativen Ausgestaltung.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung enthält unserer Meinung nach aber auch gute Ansätze, wie die neue Schulentwicklungsplanung und die individuellere Förderung der Kinder. Vor allem für die Schulen der dänischen Minderheit ergibt das neue Schulgesetz eine handfeste Verbesserung. Ab 2008 erhält Dansk Skoleforening für seine Schülerinnen und Schüler erstmals wieder seit neun Jahren dieselben Zuschüsse pro Schüler wie die öffentlichen Schulen. Angesichts der schweren Haushaltslage wissen wir dieses sehr wohl zu schätzen. Die Landesregierung beweist damit, dass die Minderheitenpolitik des Landes für sie nach wie vor einen hohen Stellenwert hat. Das begrüßt der SSW ausdrücklich.

Wir haben zeitgleich zur 1. Lesung des Schulgesetzes unsere eigenen Änderungsvorschläge eingebracht. Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen dafür, dass unsere Vorschläge auch bei der jetzt folgenden Anhörung berücksichtigt werden können. Dieses unübliche Verfahren ist uns wohlwollend erlaubt worden, weil wir aus minderheitenpolitischer Sicht zwei weitere wichtige Bereiche abdecken wollen.
Dem SSW geht es vor allem darum, dass die Schülerbeforderungskosten für die dänischen Schulen endlich gesetzlich festgeschrieben werden. Für die Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen sind die Kreise im Schulgesetz gesetzlich dazu verpflichtet, zwei Drittel der notwendigen Kosten zu bezahlen. Das letzte Drittel trägt der Schulträger. An den Kosten der dänischen Schulen beteiligen sie sich aber bisher nur mit so genannten „freiwilligen Leistungen“ ohne gesetzliche Grundlage. Obwohl der Dänische Schulverein naturgemäß längere Beförderungswege und daher auch höhere Kosten hat, bekommt er bisher nur knapp ein Viertel seiner realen Kosten von der öffentlichen Hand ersetzt.

Dazu kommt, dass es über diese „freiwilligen“ Leistungen schon seit Jahren harte politische Auseinandersetzungen mit den Kreisen und Kommunen gibt. Leider müssen wir feststellen, dass die Entwicklung negativ verläuft. So hat der Kreis Rendsburg-Eckernförde letztes Jahr die Zuschüsse an Dansk Skoleforening ganz gestrichen, während in Schleswig-Flensburg bis Ende 2008 eine reduzierte Übergangslösung auf der Grundlage der Durchschnittskosten der Schülerbeförderung pro öffentlichen Schüler vereinbart worden ist. Die Unsicherheit, ob, wie und wie lange noch die Schulbusse in Zukunft finanziert werden, stellt Dansk Skoleforening vor einer enormen Herausforderung. Als Träger von 48 Schulen mit über 5700 Schülern und mehr als 1300 Angestellten muss er seine Finanzen vernünftig planen können. Als Empfänger von freiwilligen Leistungen muss er aber nach 2008 damit rechnen, dass diese Einnahmen völlig wegbrechen können.

Es ist aus Sicht des SSW unhaltbar, dass wir bei der Schülerbeförderung immer noch eine Ungleichbehandlung zwischen den Kindern der Mehrheits- und der Minderheits-bevölkerung in unserem Lande haben und deshalb brauchen wir nach 2008 unbedingt eine gesetzliche Lösung. Wir haben daher einen Änderungsantrag eingebracht, der dafür sorgt, dass ab 1.1.2009 festgeschrieben wird, dass die Kreise auch für die dänischen Schulkinder zwei Drittel der Durchschnitts-Beförderungskosten, die für Schülerinnen und Schüler der öffentlichen Schulen gelten, zahlen müssen. Dieses würde zwar keine völlige Gleichstellung der dänischen Schulen bedeuten, weil die realen Kosten von Dansk Skoleforening viel höher sind, es wäre aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. So bekämen die dänischen Schulen zumindest Planungssicherheit. Den beiden Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland würde durch diese Gesetzesänderung keine neuen Kosten auferlegt werden und auch das Land wäre unmittelbar nicht finanziell betroffen, da nach unserer Einschätzung das Konnexitätsprinzip hier keine Anwendung findet. Der SSW hofft daher, dass der Landtag dieser Regelung im Sinne des Schulgesetzes zustimmen wird.

Weiter will der SSW mit seinem Änderungsantrag erreichen, dass im Schulgesetz der Friesisch-Unterricht in Nordfriesland und auf Helgoland gestärkt wird. So sollen zukünftig Eltern oder Schulen entscheiden können, ob vor Ort die friesische Sprache unterrichtet wird. Die Mindestgruppengröße sieht fünf Schülerinnen und Schüler vor. Das Land soll verpflichtet werden, die Kosten für die friesischsprachigen Lehrkräfte zu tragen und durch die rechtliche Anerkennung von Friesisch als zweite und dritte Fremdsprache soll die Minderheitensprache mit anderen Sprachen gleichgestellt werden. Dazu sieht unser Änderungsvorschlag vor, dass in Nordfriesland und auf Helgoland verstärkt Geschichte und Kultur der Friesen vermittelt werden.

Wir bitten um wohlwollende Prüfung unserer Änderungsvorschläge.
 
 

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