Tale · 18.06.2020 Hilfen sind richtig und auch in der Höhe gerechtfertigt

Auch wenn wir verschiedene Bereiche langsam wieder hochfahren, werden viele Gruppen und Branchen noch länger unsere Unterstützung brauchen. Aus Sicht des SSW ist das richtig und notwendig.

Lars Harms zu TOP 49, 50, 51 + 52 - Bericht und Anträge zu Wirtschaftshilfen in der Corona-Pandemie (Drs. 19/2225, 19/2226, 19/2227 und 19/2228)

Allen ist bewusst, dass die Corona-Pandemie massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft hat. Wir haben deshalb nicht nur die dringend nötigen Hilfen für Familien auf der Tagesordnung, sondern zum Beispiel auch Maßnahmen für die Berufliche Bildung, Kulturschaffende und den ÖPNV. Und unabhängig vom weiteren Verlauf zeigt der Blick auf die Gesamtwirtschaft, dass wir vor einem Wertschöpfungsverlust von nie dagewesenem Ausmaß stehen. Selbst vorsichtige Schätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass Kosten auf uns zukommen, die alles übersteigen, was wir aus Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen in Deutschland kennen.

Vor diesem Hintergrund ist für uns grundsätzlich klar, dass Bund und Länder gegensteuern müssen. Es ist dringend notwendig, Geld in die Hand zu nehmen, um all denjenigen zu helfen, die von der Krise besonders hart getroffen sind. Das mag aus finanzpolitischer Sicht schmerzen, hält den wirtschaftlichen Gesamtschaden aber zumindest in Grenzen. Und deshalb sage ich deutlich, dass die beschlossenen Finanzhilfen richtig und auch in der Höhe gerechtfertigt sind. Ohne Frage ist eine Milliarde Euro für unseren Landesetat eine enorme Belastung. Aber auch der zweite Nachtragshaushalt sieht konkrete Hilfen für den Mittelstand und Tourismus aber zum Beispiel auch für Eltern und soziale Einrichtungen vor. Und deshalb haben wir ihm auch zugestimmt. 

Wie Eingangs erwähnt, gibt es kaum einen Bereich, der nicht von der Krise betroffen ist. Und wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, verdeutlicht und verstärkt die Corona-Krise die bestehenden Probleme im Schiffbau. Deshalb begrüßen wir den Antrag der SPD, der diese Branche, und damit den Kern unserer maritimen Wirtschaft, stützen will. Die Forderung nach einer beschleunigten Vergabe öffentlicher Aufträge ist natürlich sinnvoll. Gleiches gilt für den Wunsch, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, die in Zukunft geplanten Aufträge gegebenenfalls für diesen Bereich vorzuziehen. Aber wenn wir ehrlich sind, dann hätte man diese Maßnahmen schon lange ergreifen können und sogar müssen. Unabhängig von den aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise.

Mindestens so wichtig wie die Förderung des Schiffsbaus durch einzelne öffentliche Aufträge, ist für uns aber die Innovationsförderung insgesamt. Ähnlich wie für die Automobilbranche muss auch für den gesamten Schiffbau der Bereich Forschung und Entwicklung deutlich stärker gefördert werden. Und diese staatliche Forschungsförderung muss natürlich an nachhaltige Kriterien wie beispielsweise reduzierte Emissionen geknüpft werden. Alles andere macht langfristig auch für unser Land und unsere Werftstandorte keinen Sinn. Nur auf diesem Weg können wir bestehende Strukturen dauerhaft erhalten und wettbewerbsfähig bleiben.

Für den SSW steht völlig außer Frage, dass Wirtschaftshilfen an klare Bedingungen geknüpft werden müssen. Schon allein, weil es sich hier um das Geld der Steuerzahler handelt, muss es verantwortungsvoll und möglichst nachhaltig eingesetzt werden. Das gilt selbstverständlich auch und gerade für Staatshilfen an Konzerne, die im Normalfall Gewinne an ihre Anteilseigner und Boni an ihre Manager ausschütten. Grundsätzlich sollte man ja davon ausgehen, dass diejenigen, die Dividenden ausschütten, auch keine finanzielle Unterstützung brauchen. Den im Antrag der SPD formulierten Pflichten für Unternehmen, die Steuermittel erhalten, können wir daher grundsätzlich zustimmen.

Mir ist bewusst, dass so mancher Punkt im Antrag zwar selbstverständlich klingt, in der Praxis aber doch unterlaufen wird. Insofern ist es richtig, wenn wir Staatshilfen zum Beispiel auch daran knüpfen, dass betroffene Unternehmen keine Steuervermeidung oder Gewinnverlagerung betreiben. Genau wie die Maßgabe, dass für den Zeitraum, in dem ihnen geholfen wird, Vergütungs- und Gehaltsobergrenzen gelten. Außerdem muss natürlich klar sein, dass Gewerkschaften und Betriebsräte bei krisenbedingten Um- oder Restrukturierungen beteiligt werden, und dass sich diese Unternehmen an Tariftreue halten müssen. Und doch möchte ich eine Einschränkung machen und besonderes Augenmaß für Mittelständler mit nur wenigen Aktionären fordern. Denn diese kleineren Unternehmen sind oft deutlich stärker auf ihre Shareholder angewiesen als Großkonzerne. Hier sind Flexibilität und Ausnahmen gefragt.

Neben den Hilfen für den Schiffbau und grundsätzlichen Maßgaben für Staatskredite steht heute auch die Situation des Beherbergungs- und Gastronomiegewerbes auf der Tagesordnung. Ich denke hier haben wir gemeinsam mit den Betroffenen die Hoffnung, dass es für diese Branche zeitnah deutlich bergauf geht. Die Buchungszahlen lassen vermuten, dass zumindest die gröbsten Verluste ausgeglichen werden können. Angesichts der enormen Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs für unser Land ist das natürlich erfreulich. Trotzdem muss ich dringend an alle Beteiligten appellieren, Sicherheitsabstände und Hygienemaßnahmen gewissenhaft einzuhalten. Denn nichts ist wichtiger, als eine weitere Infektionswelle zu vermeiden. Auch und gerade für die Tourismusbranche selbst. 

Auch wenn wir uns vermutlich alle die eine oder andere zusätzliche Maßnahme wünschen oder manches zielgerichteter sein könnte, ist für den SSW eins völlig klar: Die auf Landes- und Bundesebene beschlossenen Wirtschaftshilfen sind grundsätzlich sinnvoll. Natürlich retten wir damit letzten Endes auch viele private Vermögen. Aber es ist in dieser Ausnahmesituation erst einmal wichtig, die Wirtschaft zu stabilisieren und möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Im weiteren Verlauf muss dann aber auch diskutiert werden, wie man diese reichen und sehr reichen Menschen angemessen an den Kosten der Krise beteiligen kann. Alles andere wäre aus unserer Sicht unfair gegenüber dem einfachen Steuerzahler.

Es ist nicht besonders überraschend, dass mit zunehmender Dauer dieser Krisenhilfen auch so manches Begleitproblem ans Licht kommt. Natürlich geht es gar nicht, wenn sich Menschen auf Kosten der Allgemeinheit bereichern und in einer solchen Notsituation Hilfszahlungen erschleichen. Keine Frage: So ein Verhalten ist extrem unsolidarisch und verwerflich und muss mit aller Härte verfolgt werden. Gleichzeitig muss man sich aber auch klar machen, welche Flut an Anträgen innerhalb kürzester Zeit bearbeitet wurde. Statt hämische Kritik zu üben, sollte man sich also lieber bei den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Denn sie haben in kürzester Zeit enorm viel abgearbeitet. 

Ich will hier keinen falschen Eindruck vermitteln: Die breite Masse derer, die Hilfen beantragt haben, haben dies aus echter Not und mit gutem Recht getan. Schwarze Schafe gibt es leider überall. Für uns ist trotzdem klar, dass wir das betrügerische Verhalten in diesem Zusammenhang nicht einfach hinnehmen können. Deshalb ist es unheimlich wichtig, die Auszahlungen möglichst genau nachzukontrollieren und Betrugsfälle strafrechtlich zu verfolgen. Auch wenn diese Aufgabe im Zweifel durch Externe gelöst wird, ist es wichtig, dass sorgfältig gearbeitet wird und zu Unrecht gezahlte Mittel zurückgefordert werden. Aber ich denke, hierüber sind wir uns auch weitestgehend einig.

Machen wir uns nichts vor: Die Auswirkungen dieser Krise werden wir noch lange spüren. Auch wenn wir verschiedene Bereiche langsam wieder hochfahren, werden viele Gruppen und Branchen noch länger unsere Unterstützung brauchen. Aus Sicht des SSW ist das richtig und notwendig. Wir sollten dabei aber versuchen, Unternehmen noch flexiblere und damit passgenauere Hilfe zu geben. Und wir dürfen eben auch diejenigen nicht vergessen, die ihre Interessen nicht so lautstark artikulieren können. Auf diesem Weg können wir die Verluste durch diese Krise dann hoffentlich auf ein halbwegs erträgliches Maß reduzieren. 

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