Speech · 20.06.2025 Keine Femizide mehr!

„Der Ausbau der Frauenhausplätze, das Hochrisikomanagement, die Fußfessel für Täter. Wir als SSW stehen hinter jedem einzelnen dieser Schritte. Ich sage Ihnen auch gerne warum: Fast täglich wird in Deutschland ein Femizid begangen.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 37 - Landesstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Schleswig-Holstein (Drs. 20/3207)

Die Istanbul-Konvention wurde in Deutschland im Oktober 2017 ratifiziert und trat am 01. Februar 2018 in Kraft. Heute, am 20.06.2025, über sieben Jahre nach Ratifizierung, debattieren wir hier im Landtag die Landesstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Man sieht, bei allem politischen Konsens, den wir hier in Schleswig-Holstein in diesem Thema wirklich haben, die Mühlen mahlen trotzdem noch langsam. 
Und doch sind wir in Schleswig-Holstein besonders in den letzten Jahren vorangekommen. Der Ausbau der Frauenhausplätze, das Hochrisikomanagement, die Fußfessel für Täter. Wir als SSW stehen hinter jedem einzelnen dieser Schritte.

Ich sage Ihnen auch gerne warum:
Fast täglich wird in Deutschland ein Femizid begangen.
Im Jahr 2023 wurden 938 Fälle verzeichnet, in denen ein Mann versuchte, seine Partnerin oder Ex-Partnerin umzubringen. 360 Frauen oder Mädchen starben.
Man muss es wirklich so sagen: Wir leben in einer Welt und einer Zeit, in der niemand vor geschlechtsspezifischer Gewalt sicher ist.  
Die Zahlen häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt sind über die Jahre immer weiter angestiegen und auch in Schleswig-Holstein ist weiterhin zusätzlich von hohen Dunkelziffern auszugehen.

Der Staat muss Frauen besser schützen, denn der Schutz durch die Gesellschaft reicht nicht aus. 
In diesem Sinne ist es gut, die nun vorliegende Strategie diskutieren zu können. 
Nach den Empfehlungen der AG 35 und dem ersten Evaluationsbericht der GREVIO-Gruppe wurden nun Schwerpunkte in Form von sieben Handlungsfeldern erarbeitet, um den Bedarfen im Land begegnen zu können. 
Vieles davon finde ich sehr gut. Besonders auch, das möchte ich einmal voranstellen, dass in der vorliegenden Strategie alle gewaltbetroffenen Frauen gemeint sind, also auch inter* und trans* Personen, die von der gewaltausübenden Person als weiblich gelesen werden. Auch Kinder gewaltbetroffener Elternteile werden an vielen Stellen mitgedacht. 
Als sehr eindrückliche Hinweise von Grevio sind mir die Unterstützung Gewaltbetroffener in Gerichtsverfahren in Erinnerung geblieben. Das beinhaltet die bessere Zusammenarbeit aller betroffenen Institutionen im Sinne einer umfassenden Zusammenstellung von relevanten Daten, hier scheint es nach wie vor große Bedarfe zu geben.  
Besonders gut haben mir die Maßnahmen im Handlungsschwerpunkt 7 gefallen – von der Kita bis in die Hochschulen werden hier für die Bildungseinrichtungen eine Vielzahl präventiver Schritte vorgeschlagen. Alle sinnvoll, alle gut. Sie dienen der Prävention und entfalten ihre Wirkung im Laufe der Jahre. Das darf neben den Sofortmaßnahmen nicht untergehen.

Bei aller Zuversicht, was das gemeinsame Ziel angeht, bleibt ein Hinweis unbenommen, der auch im Bericht selbst genannt wird. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Handlungsschwerpunkte ist abhängig von den zur Verfügung gestellten Haushaltmitteln und kein Selbstläufer. Ich führe die doch häufig im Bericht auffallenden Prüfaufträge auch darauf zurück – etwa bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, der Durchführung von Fachtagen, der Schaffung von Schutzwohnungen für von sexueller Ausbeutung betroffenen Frauen oder dem Ausbau des Projekts Suse oder die Schaffung spezialisierter Angebote für besonders vulnerable Gruppen. Hier darf es aus Sicht des SSW nicht bei Prüfaufträgen bleiben.

Abschließend danke ich für den vorliegenden Bericht, der ihm innewohnenden sprachlichen Sensibilität und den bisherigen Bemühungen von den vielen Stellen im Land, die Frauen vor Gewalt schützen wollen. Ich danke auch meinen Kolleginnen der Oppositions- wie Koalitionsparteien. Die gemeinsame Arbeit im Sinne des Gewaltschutzes bedeutet Kontinuität über viele Jahre hinweg und genau so kommen wir hoffentlich endlich näher an unser Ziel: Keine Femizide mehr!

 

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