Tale · 25.08.2011 Kommunalisierung der Fördermittel aus dem Sozialvertrag II

Der Mädchentreff in Schleswig ist zu. Er musste schließen, weil die Landeszuschüsse gekappt wurden. Konkret bedeutet das, dass ein niedrigschwelliges Suchthilfeangebot ersatzlos gestrichen wurde. Bei Bulimie, Magersucht oder autoaggressivem Verhalten, das befürchtet man am betroffenen Standort, werden die Mädchen erst dann Hilfe bekommen, wenn ihre Probleme so groß werden, dass sie stationär aufgenommen werden. Die Sätze sind hier unterschiedlich, liegen aber wohl mindestens bei 200 Euro. Und das pro Tag.

Diese Mehrkosten scheinen für die Landesregierung bei der Haushaltskonsolidierung keine Rolle zu spielen, denn dafür ist ein anderer Kostenträger kostenpflichtig: die Krankenkassen nämlich, also die Beitragszahler. Ein derartiger Verschiebebahnhof auf Kosten der Mädchen spricht dem ehernen Grundsätzen „ambulant vor stationär“ und „Prävention vor Therapie“ Hohn. Die Probleme der Mädchen verschwinden ja nicht, bloß weil ihr Mädchentreff geschlossen wurde.
So ähnlich geht es 52 Beratungsstellen, die Landesmittel über den so genannten Sozialvertrag II erhalten. Sie werden ihr Angebot erheblich einschränken müssen.

Generell gehen die Wohlfahrtsverbände davon aus, dass sie die Sucht-Präventionsarbeit mit Jugendlichen überhaupt nicht mehr anbieten können. Somit ist die Daseinsvorsorge in diesem Bereich nicht mehr gewährleistet. Das Land zieht sich aus seiner Verantwortung für eine gute Erreichbarkeit der Suchtberatung zurück. Die komplizierten Verhandlungen zwischen Landesregierung und Verbänden vor drei Jahren zum Sozialvertrag II hätte man sich sparen können.

Ich möchte noch auf eine andere Konsequenz hinweisen: Wer den klammen Kommunen die Bürde der Suchtberatung auflädt, riskiert Ungleichheit. Ab 2012 spielt es nämlich eine Rolle, wo man wohnt: in einer Kommune mit solidem Haushalt, die die ambulante Suchtberatung noch finanzieren kann oder in einer armen Kommune ohne Suchtberatungsstelle oder nur mit einer zeitlich stark eingeschränkten Beratung. Das Land lässt die Suchtkranken und ihre Familien im Stich. Wunsch- und Wahlrecht sind de facto ausgehebelt.

Vergleichsweise kleine Einsparungen bei den Beratungsstellen richten großen Schaden an und führen zu regionaler Ungerechtigkeit. Kleine Summen – teilweise sogar im vierstelligen Bereich – entziehen den Beratungsstellen ihre Existenzgrundlage, ohne dabei den Landeshaushalt merkbar zu entlasten.

Dies kann man auch nicht unter Spargerechtigkeit verbuchen. Denn tatsächlich ist die ambulante Suchthilfe bereits zum zweiten Mal nach 2002 massiven Streichungen ausgesetzt. Damit wird eine Schwelle erreicht, nach der Einsparungen mittelfristig Mehrkosten verursachen werden. Die Wohlfahrtsverbände sprechen von erheblichen Folgekosten dieses Kahlschlages. Der SSW hat schon immer gesagt, dass jede Kürzung auf seine Folgekosten hin untersucht werden muss. Und wenn wir von Folgekosten reden, dann meinen wir nicht nur finanzielle, sondern vor allem menschliche Folgekosten. Wie viel menschliches Leid sich durch ein niedrigschwelliges Suchthilfeangebot vermeiden lässt, kann man zahlenmäßig nicht darstellen. Aber diese Seite muss auch berücksichtigt werden. Schulden für kommende Generationen lassen sich nicht nur am Geldwert messen. Wir sind auch verpflichtet, kommenden Generationen eine sozial gerechte Gesellschaftsstruktur zu geben.

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