Tale · 22.08.2012 Lars Harms zu TOP 2 - Regierungserklärung zur Umsetzung der Energiewende

Das Thema Energiewende wird bereits seit Jahren nahezu inflationär in der Politik landauf landab diskutiert. Vorschläge und Lösungsansätze gibt es zu Hauf, nur an der konkreten Umsetzung hapert es, beziehungsweise es geht nur schleppend voran.
Erst diese Landesregierung hat den Schritt gewagt, alles in einem Ministerium zu bündeln, um die Energiewende aus einer Hand zu gestalten, zu steuern und umzusetzen. Dies ist ein guter und richtiger Schritt für Schleswig-Holstein. Wir stehen vor großen Herausforderungen, die diesen Schritt notwendig machen. Wir wollen die guten Voraussetzungen in Schleswig-Holstein nutzen, um die Energiewende in unserem Land endlich voran zu bringen.
Uns ist klar, dies wird kein Selbstgänger und es wird sich auch nicht von heute auf morgen alles umsetzen lassen was wir uns vorgenommen haben. Aber diese Landesregierung und seine Koalitionspartner haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Energiewende mit Leben zu füllen und sie wirklich in Gang zu bringen.

Der mit breiter politischer Mehrheit beschlossene Atomausstieg, weg von den fossilen Energieträgern, der Ausbau der regenerativen Energien, der Ausbau leistungsstarker Netze, Sicherung der Energieversorgung, Energieeinsparung und Effizienzsteigerung, Ausbau der Energiespeicher sowie Entwicklung innovativer Technologien auf dem Energiesektor sind die großen Herausforderungen vor denen wir stehen und die zusammen die Energiewende möglich machen. Diese Herausforderung nehmen wir an. Es obliegt der Opposition sich diesem Weg anzuschließen.

Wir haben bei uns im Land die Voraussetzungen, um auch nach 2021 Stromexporteur zu bleiben. Und dabei setzen wir maßgeblich auf den Windstrom. Schleswig-Holstein ist ein Windenergiestandort mit entsprechender Tradition. Daher ist unser Ziel, der Windenergie den Stellenwert zurück zugeben, den sie verdient. Damit wird sie wieder Wachstumsmotor und Wirtschaftskraft in unserem Land.
Mit der Ausweitung der Windeignungsflächen wurde bereits ein wichtiger Beschluss in diesem Sinne getroffen. Durch diese zusätzlich geschaffenen Kapazitäten und mit dem Repowering werden wir an Land bis zu 9000 Megawatt Strom aus Wind produzieren. Dazu kommen noch 3000 Megawatt Strom aus dem Offshore-Bereich. Damit ist und bleibt der Windstrom die Leitenergie in Schleswig-Holstein und wir beleben die Windkraftbranche und die Wirtschaft in dem Sektor aufs Neue.
Der weitere Ausbau der Windkraft ist wichtig für diesen Wirtschaftsfaktor. Denn er trägt maßgeblich zur Wertschöpfung trägt. Es werden weitere hochqualifizierte Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen. Jedoch wissen wir, dass es bei Produktion, Service und Wartung, Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung noch Defizite gibt. Diese müssen abgestellt werden.

Mit der Offshorewindkraft schaffen wir einen neuen Wirtschaftszweig, der der maritimen Wirtschaft neue Seiten verschafft. Hier wird die Zusammenarbeit der Windwirtschaft mit den Werften verstärkt. Um eine verstärkte und koordinierte Zusammenarbeit geht es künftig auch bei den Häfen an der Westküste. Es ist wichtig, die Stärken dort zu nutzen, wo sie vorhanden sind. Dazu gehört neben dem Ausbau der Häfen Brunsbüttel, Helgoland und Husum mit dem zusätzlichen Flugplatzstandort in Schwesing auch die Entwicklung der schleswig-holsteinischen Westküste als Zentrum für Erneuerbare Energien aller Art.
Der Pfeiler der regenerativen Energien ist und bleibt die Windkraft. Aber auch Biomasse und Solarstrom sind Mosaiksteine der Energiewende. Insbesondere der Strom aus Biomasse ist in den letzten Jahren enorm gewachsen – wenn auch anders als ursprünglich gedacht. Stichwort Vermaisung der Landschaft. Hier müssen wir zu einem erträglichen Maß zurückfinden. Biomasse muss weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Energiewende bleiben. Aber die Voraussetzungen müssen so gestaltet sein, dass diese Form der Energieproduktion auch eine breite gesellschaftliche Akzeptanz hat.

Damit der Ausbau der Erneuerbaren Energien realisierbar ist, müssen die Grundvoraussetzungen dafür geschaffen werden. Womit wir bei den Stromnetzen wären. Wir wissen bereits seit Jahren, dass unsere Netze nicht dafür ausgelegt sind, um eine dezentrale Stromversorgung zu gewährleisten. Die Offshore-Windenergie steht größtenteils immer noch in den Startlöchern, weil die Stromnetzbetreiber keinen Anschlusstermin nennen können. Windmühlen stehen still, weil die Netze voll sind. Das ist Vergeudung von Potential. Hier müssen wir ansetzen. Daher ist es wichtig, dass der Stromnetzausbau jetzt zügig vorankommt. Dies darf aber nicht gegen den Willen der Bevölkerung in den betroffenen Regionen geschehen. Aus diesem Grund wollen wir ein Beteiligungsverfahren, bei dem die Bürger frühzeitig eingebunden werden und bei dem die Einwände ernst genommen werden. Es geht uns nicht nur darum zu informieren, wir wollen zuhören und konkrete und umsetzbare Alternativen aufgreifen.
Grundlage hierfür ist der Netzentwicklungsplan. Die rege Beteiligung macht deutlich, dass es die Menschen interessiert, wo und wie die Netze verlaufen. Daher ist es wichtig, dass die Netzbetreiber die Einwendungen so zeitnah wie möglich in die Pläne einarbeiten. Nur wenn wir die Betroffenen beteiligen, hat der Stromnetzausbau eine reelle Chance. Ein wichtiger Faktor um die Bürger für den Netzausbau zu gewinnen, ist die Verlegung von Erdkabeln. Wir wollen, dass neue 110-KV-Leitungen grundsätzlich als Erdkabel verlegt werden, wo dies technisch machbar ist. Bei den 380 KV-Leitungen sollte diese Möglichkeit auch genutzt werden, wenn es geht.
In diesem Zusammenhang möchte ich klarstellen, dass der Netzausbau und die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben sein werden. Der Ausbau und die Ertüchtigung der Infrastruktur kosten Geld. Hierzu gibt es aber keine Alternative. Würden wir an den Großkraftwerken und den fossilen Energieträgern weiter festhalten, würde die Rohstoffverknappung über kurz oder lang die Energiepreise unbezahlbar machen. Daher müssen wir raus aus dieser Energiesackgasse und uns so schnell wie möglich unabhängig von Atom-, Öl- oder Gasstrom machen.
Nebenbei bemerkt lassen uns die klimaschädlichen Auswirkungen dieser Dinosaurier auch keine andere Wahl, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen.

Es gehören aber noch mehr Bausteine zur Energiewende. Um die windschwache und sonnenarme Zeit zu Überbrücken brauchen wir Speicherkapazitäten. Soll heißen, wir brauchen unterschiedliche Kapazitäten, um Schwankungen auszugleichen. Zum einen brauchen wir schnell und kurzfristig abrufbare Energiespeicher, zum anderen brauchen wir großvolumige Speicher, um mehrtägige Starkwindphasen oder lange Windflauten ausgleichen zu können. Insbesondere die großen Speicherbecken und Wasserkraftwerke in Norwegen bieten sich hierfür an, um derartige Schwankungen auszugleichen. Mit dem Seekabelprojekt Nordlink schaffen wir die notwendige leistungsstarke Verbindung. Damit kann in windstarken Zeiten Strom nach Norwegen exportiert werden und wenn Strom bei uns über einen längeren Zeitraum benötigt wird, importiert werden.
Wir brauchen aber weitere Kapazitäten. Längerfristig wird insbesondere die Speicherung von Wasserstoff eine Rolle spielen. Derzeit stehen diese Speichermöglichkeiten nicht ausreichend zur Verfügung. Zudem sind sie noch mit hohen Umwandlungsverlusten und -kosten verbunden.
Im Zusammenhang mit Speicherkapazitäten gilt, dass sie den Umfang des Netzausbaus reduzieren können. Es stellt sich aber die Frage, ob wir die Zeit haben, zu warten, bis derartige Speicher zu einem akzeptablen Preis zur Verfügung stehen. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, müssen wir den Netzausbau weiter im Focus behalten. Nichts desto trotz bleibt die Forschung im Bereich der Speicherkapazitäten notwendig und weiter unterstützenswert.
Eine andere Art von Speicher stellen bestimmte geologische Formationen dar, die es möglich machen, Energie in unterschiedlichen Formen zu speichern. Soll heißen: Druckluft, Wasserstoff oder Methan könnten in unterirdischen Salzstöcken gespeichert werden und wären bei Bedarf abrufbar.
Beim Stichwort unterirdische Speicherung kommen wir natürlich nicht umhin, auch die Problematik um die CCS–Technologie anzusprechen. Der SSW hat sich zu dieser Technologieform frühzeitig eindeutig positioniert. Die Risiken der CCS-Technologie sind für Mensch und Natur nicht abschätzbar. Zudem ist es energiepolitisch ein Irrweg, weil die CO2-Ausscheidung selbst große Energiemengen benötigt und weil die Energiekonzerne sich mit dieser Technologie nur ein Alibi für eine längere Fortführung der Verbrennung fossiler Energieträger verschaffen wollen. Aus diesem Grund werden wir CCS in Schleswig-Holstein über ein Gesetz verbieten, bis ein mehrheitlicher Weg gefunden wurde, um diese Technologieform in ganz Deutschland und der AWZ zu verbieten.

Neben dem Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und dem Ausbau der regenerativen Energieformen sowie der Stromnetze kommt es darauf an, Energie zu sparen. Jede Kilowattstunde die nicht verbraucht wird, muss auch nicht produziert werden. Daher kommt der Energieeinsparung und der Effizienzverbesserung eine maßgebliche Rolle zu. Die Erfahrungen der letzen Jahre machen deutlich, dass wir hier dicke Bretter bohren werden. Daher kommt es darauf an, die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel effizient für Energiesparmaßnahmen und Effizienzverbesserungen einzusetzen.

Die Energiewende im Ministerium neu zu bündeln ist eine gute Entscheidung dieser Koalition, um die aufgezeigten Probleme anzugehen. Die Zeit der reinen Gesprächsrunden ohne konkretes Resultat ist vorbei. Jetzt wollen diese Landesregierung und die Koalition zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Energiewende.

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