Tale · 16.12.2022 Ohne pflegende Angehörige wäre unser Pflegesystem längst kollabiert

„Wir müssen endlich konkret werden, wenn es um Hilfe für pflegende Angehörige geht“

Sybilla Nitsch zu TOP 23+33 - Pflegende Angehörige entlasten - ambulante Versorgung sicherstellen, Pflegebegutachtung weiterentwickeln und digitaler gestalten und pflegende Angehörige anerkennen, stärken und vor Armut schützen (Drs. 20/480, 20/504 und 20/535)

Uns liegen ja mittlerweile eine ganze Reihe von Vorschlägen für eine Verbesserung der Situation pflegender Angehöriger vor. Das können wir vom SSW grundsätzlich nur begrüßen. Denn darüber, dass diese Verbesserungen dringend nötig sind, haben wir hier schon mehrfach diskutiert. Wer noch immer nicht überzeugt ist, sollte einfach mal mit jemandem sprechen, der An- oder Zugehörige pflegt. Ich denke bei der Vielzahl an Herausforderungen und Problemen, vor denen diese Menschen stehen, wird man niemanden finden, der sich keine Unterstützung und Entlastung wünscht. Sei es bei Fragen zu den unterschiedlichsten Ansprüchen und Anträgen, durch Entlastungsangebote im Rahmen von Kurzzeit- oder ambulanter Pflege oder durch ganz konkrete finanzielle Unterstützung. Es ist also gut und richtig, dass wir heute so vielfältige Maßnahmen diskutieren. Es ist aber auch dringend nötig, dass wir endlich konkrete Entlastung für pflegende Angehörige schaffen. 

Wir haben als Fraktion kürzlich gemeinsam mit unserem Landesverband den ersten Fachtag zur Situation pflegender Angehöriger veranstaltet. Hiermit verbinden wir vor allem das Ziel, dass die direkt Betroffenen zu Wort kommen und berichten, wo die Probleme liegen. Die Schilderungen waren wirklich sehr eindrücklich. Und es wurde mehr als deutlich, dass pflegende Angehörige eine enorme Belastung fast als Normalzustand erleben. Auch die Dimensionen dieses größten Pflegedienstes wurden klar: Denn die Gruppe derjenigen, die ihre Familienangehörigen mit Hilfe ambulanter Dienste oder auch ganz allein pflegen wird auf bundesweit bis zu 5 Millionen Menschen geschätzt. Damit entspricht die familiäre Pflege einem Umfang von weit über 3 Millionen Erwerbsarbeitsplätzen oder einer Wertschöpfung von 90 Milliarden Euro jährlich. Wir müssen uns also darüber im Klaren sein, dass unser Pflegesystem ohne den Einsatz pflegender Angehöriger längst kollabiert wäre. 

Aus Sicht des SSW reicht es nicht, wenn wir bestehende Angebote zur Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger geringfügig um- oder ausbauen. Natürlich brauchen wir mehr Tages-, Nacht oder Kurzzeitpflegeplätze. Und ganz ohne Frage müssen nicht nur unsere Pflegestützpunkte, sondern auch die wohnortnahe Versorgung etwa durch den Ansatz der Gemeindeschwester gestärkt werden. Diese Maßnahmen trägt der SSW liebend gerne mit. Genau wie die geforderten Pflegekonferenzen oder eine genauere Pflegebedarfsplanung durch die entsprechende Unterstützung der Kreise und kreisfreien Städte. Aber uns muss dabei eins klar sein: An der Gesamtsituation pflegender Angehöriger ändern diese Dinge vergleichsweise wenig. Und ähnliches gilt leider auch für die eher theoretischen Optionen, auf Pflegeberater, Tagespflegeangebote oder Gespräche im Rahmen der Selbsthilfe zurückzugreifen. 

Ich will nicht missverstanden werden: Vor allem den Ausbau der Kurzzeitpflegeangebote halten wir für enorm wichtig. Aber wenn wir pflegende Angehörige wirklich substanziell und dauerhaft stärken und vor allem auch vor drohender Armut schützen wollen, brauchen wir tiefgreifendere Maßnahmen. Und wir müssen als Gesellschaft vor allem deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, um diese Maßnahmen dann auch entsprechend zu finanzieren. Es ist wirklich allerhöchste Zeit, für mehr Flexibilität zu sorgen und sicherzustellen, dass pflegende Angehörige bessere Möglichkeiten erhalten, selbstbestimmt über die Art der Versorgung und über die von ihnen benötigte Unterstützung zu entscheiden. Und weil häusliche Pflege nun mal nicht entlohnt wird und viele Betroffene in der Folge von Armut bedroht sind, müssen wir uns nicht zuletzt auch dafür einsetzen, dass eine echte Lohnersatzleistung für Pflegezeiten eingeführt wird.

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